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Das Werk Martin Bubers (1878–1965) umfasst Religionsphilosophie
und -wissenschaft, Sozialpsychologie, Pädagogik sowie Schriften zur zionistischen
Politik, zu Kunst und zu Literatur. Die Breite von Bubers Denken führte
zu einer vielfältigen Rezeption. Buber wandte sich mit seinen Schriften
stets an ein jüdisches und ein nichtjüdisches Publikum, dennoch
gab es stets Schwerpunktsetzungen bezüglich der angesprochenen Zielgruppe.
So war Buber seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts im schon damals
schwierigen jüdisch-christlichen Dialog engagiert, nach der Schoa wurde
er zum bedeutendsten Brückenbauer zwischen Israel und Nachkriegsdeutschland
bzw. Nachkriegseuropa sowie prominenter Repräsentant des jungen Staates
in Amerika, blieb in seiner neuen Heimat jedoch stets umstritten. Die internationale Tagung setzte sich das Ziel, die Vielfalt von Bubers Denken und Wirken vorzustellen. Ausgehend von den unterschiedlichen Prägungen und Einflüssen auf sein Denken und dessen Entwicklung wurde nach Bubers gegenwärtiger Relevanz in Israel, den USA und Europa gefragt. Im Zusammenhang damit wurde der weiter gehenden Frage nach dem jüdischen Erbe im heutigen Europa, was davon nach dem Holocaust noch bzw. wieder wirkmächtig und was verloren ist, nachgegangen. Um die unterschiedlichen Aspekte und Fragestellungen abzudecken, war die Konferenz international und interdisziplinär. Die ReferentInnen kamen aus sieben Nationen – Israel (8), Österreich (5), USA (2), Deutschland (2), Italien (2), Frankreich (1) und Palästina (1) – und vertraten sieben Wissenschaftsdisziplinen – Philosophie (8), Jüdische Studien (4), Zeitgeschichte (2), Kulturwissenschaften (2), Menschenrechte (2), Germanistik (1), Sozialpsychologie (1) und Soziologie (1), Programmatisch für die Breite es Ansatzes und den Gegenwartsbezug war bereits der Einführungsvortrag von Herbert C. Kelman, Prof. emer. für Sozialpsychologie der Universität Harvard, „Private Dialogue and Public Policy – Echoes from Martin Buber“. Kelman berichtete über Methode und Erfahrungen aus Workshops, die er seit mehr als dreißig Jahren mit israelischen und palästinensischen Opinion Leaders durchführt. Ziel der Workshops ist es, durch intensiven mehrtägigen Dialog auf neutralem Boden und bei strenger Vertraulichkeit Brücken des Verständnisses und Grundlagen für Kooperationen zwischen Angehörigen der Konfliktparteien zu schaffen. Obwohl kein „Buberianer“, setzt Kelman – trotz Rückschlägen mit Erfolg – das dialogische Prinzip bei der Konfliktlösung in Israel / Palästina ein. Ausgangspunkt für Kelmans Interesse für Konfliktlösung, war, wie er ausführte, seine persönliche Verfolgungserfahrung in seiner Heimatstadt Wien 1938/39 sowie die Tatsache des Holocaust. Kelman war nicht der einzige Referent mit Wurzeln in Wien. Eveline Goodman-Thau wurde ebenfalls hier geboren und musste 1938 mit ihrer Familie fliehen, Michael Löwy kam als Kind österreichisch-jüdischer Eltern in Brasilien zur Welt. Am deutlichsten zeigte Frank Stern in seinem Referat „Zwischen Gesellschaft und Staat. Martin Bubers Aktualität im Nahost-Konflikt“ die große Bedeutung, die Bubers Werk für die erste jüdische Post-Holocaust-Generation in Deutschland hatte, wo es wesentlich zur Herausbildung einer neuen humanistisch-jüdischen Identität sowie der Beziehung zu Israel beitrug. Judith Buber-Agassi, die in Israel lebende Enkeltochter Martin Bubers, ging auf die Frage nach der Bedeutung seines Werks in Israel ein („Universalismus und Partikularismus in Martin Bubers Weltauffassung“) und wies auf seine durchaus ambivalente Rezeption zu seinen Lebzeiten wie auch nach seinem Tod hin. Als hervorragende Kennerin nicht nur des Menschen Buber sondern auch seiner Schriften, konnte sie wiederholt auftauchende Fragen klären, ohne den Boden der wissenschaftlichen und empirischen Faktizität zu verlassen. An den Schnittpunkten zwischen persönlicher Biographie und Wissenschaft sah Eveline Goodman-Thau („Begegnung im Zwischenraum von Humanismus und Heiligkeit – Martin Buber als europäischer Denker“) den Ansatzpunkt für die Bewahrung und Belebung des jüdischen Erbes in Europa. Die Frage nach der Bedeutung von Bubers dialogischem Prinzip in der Nahost-Politik wurde insbesondere am letzten Konferenztag behandelt. Paul Mendes-Flohr gab eine kulturwissenschaftliche Deutung der heutigen Aktualität von Bubers Prinzipien, die dessen Geist klar widerspiegelte („Dialogue as Politics”). In der abschließenden Podiumsdiskussion “Israel in Europa“ mit Judith Buber-Agassi (Tel-Aviv), Mohammed Abu-Zaid (Ramallah), Herbert C. Kelman (Cambridge, Mass.), Paul Mendes-Flohr (Chicago/Jerusalem), Shlomo Shoham (Tel Aviv) und Eveline Goodman-Thau (Jerusalem/Wien) wurde die Bedeutung von Bubers Werk für die Gegenwart in Israel, Palästina und Europa zusammengefasst und diskutiert. Thematischer Schwerpunkt war die Position Israels und des Diasporajudentums in Europa vor dem Hintergrund von Holocaust und Nahostkonflikt. Die Zusammensetzung des Podiums erlaubte aber auch eine Zusammenschau und Diskussion der unterschiedlichen Perspektiven in Israel, Palästina, den USA und Europa. Neben der Frage nach Lösungsansätzen in Israel / Palästina kam dabei auch jene nach dem heutigen Selbstverständnis der jüdischen Diaspora in Europa zur Sprache. Klare Lösungen konnten, wie zu erwarten war, nicht geboten, wohl aber Positionen von Personen geklärt werden, welche wissenschaftliches Interesse mit persönlichem Engagement verbinden. Auf der Tagung wurden auch neueste Ergebnisse der Buber-Forschung präsentiert. Israel Koren („Mystical Aspects in Buber’s ‘I and Thou’”) und Ron Margolin („Gog und Magog’: Gnosticism and the Buber-Jung-Debate”) zeigten auf eindrucksvolle Weise, wie Forschungen zu Bubers Deutung des Chassidismus und der jüdischen Mystik in Israel mit vertiefenden Ansätzen und neuen Ergebnissen weitergeführt werden. Martin Treml präsentierte neueste Erkenntnisse aus den intensiven Forschungen zur Buber-Werkausgabe („Kulturwissenschaft aus dem Geist des Judentums: Bubers Jahre in Florenz und Berlin“), Eleonore Lappin untersuchte die bisher wenig behandelte Frage „Martn Buber und Wien“. Wie die zum Teil temperamentvoll geführten Debatten unter den PhilosophInnen zeigten, sind bei der Deutung von Bubers Werk noch zahlreiche Fragen, wie z.B. dessen Einstellung zur Philosophie Heideggers oder die Verwendung und Uminterpretation jüdischer Quellen, durchaus umstritten. Andrea Poma („Schuldgefühle, Schuld und Sünde. Der Mensch von heute und das Bubersche Denken“) und Ilaria Bertone („The Translation of the Bible with Special Attention to the Period of National Socialism”) behandelten die Rezeptionsgeschichte von Bubers Bibelübersetzung. Andrea Poma kam zu dem Schluss, dass der Holocaust verhindert hat, dass dieses „Gastgeschenk“ Bubers an Deutschland (und im erweiterten Sinn auch Österreich) wirklich angenommen wurde. Zum Programm Mitveranstalter und Kooperationspartner: Der Verein zur Erforschung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen
und ihrer Aufarbeitung dankt der Stadt Wien
und dem Nationalfonds der Republik Österreich
für Opfer des Nationalsozialismus für die großzügige
Förderung der Veranstaltung.
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Von Eleonore Lappin Präsidentin des Vereins zur Erforschung national-sozialistischer Gewalt-verbrechen und ihrer Auf-arbeitung |
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