Ausgewählte der
alten österreichischen Strafprozessordnung, die für die Untersuchung von Prozessen der unmittelbaren Nachkriegszeit
(einschließlich Volksgerichtsverfahren) von Bedeutung sind
Die österreichische Strafprozeßordnung
in der Fassung der Kundmachung des Staatsamtes für Justiz vom 24. Juli 1945 über die Wiederverlautbarung der
österreichischen Strafprozeßordnung
Kundmachung des Staatsamtes für Justiz vom 24. Juli 1945 über die Wiederverlautbarung der österreichischen
Strafprozeßordnung:
Artikel I
Auf Grund des § 1 des Verfassungsgesetzes vom 20. Juni 1945, StGBl. Nr. 28, über die Wiederverlautbarung von
Rechtsvorschriften (Wiederverlautbarungsgesetz - WVG.) und des § 2 des Gesetzes vom 12. Juni 1945, StGBl. Nr. 26,
über die Wiederherstellung des österreichischen Strafprozeßrechtes wird der Text der österreichischen
Strafprozeßordnung vom 23. Mai 1873, RGBl. Nr. 119, samt Einführungsgesetz nach dem Stande der Gesetzgebung vom
10. März 1938 wieder verlautbart.
[...]
§ 1 StPO
(1) Wer wegen einer nach der Strafprozeßordnung zu verfolgenden strafbaren
Handlung von einem bürgerlichen Strafgericht rechtskräftig verurteilt,
nach Wiederaufnahme des Strafverfahrens aber oder sonst nach Aufhebung
der rechtskräftigen Entscheidung außer Verfolgung gesetzt,
freigesprochen oder nach einem milderen Strafgesetz zu einer geringeren
Strafe verurteilt worden ist, hat, wenn der auf ihm ruhende Verdacht überhaupt
oder doch in Ansehung der die Anwendung des strengeren Strafgesetzes bedingenden
Umstände entkräftet worden ist, gegen den Bund einen Anspruch
auf eine angemessene Entschädigung für die durch die ungerechtfertigte
Verurteilung erlittenen vermögensrechtlichen Nachteile. Ist der Verdacht
zwar nicht entkräftet, aber doch so sehr erschüttert worden,
daß die Unschuld des Verurteilten überhaupt oder doch in Ansehung
der den strengeren Strafsatz bedingenden Umstände wahrscheinlich
geworden ist, so kann ihm nach freiem, durch die Würdigung aller
Umstände geleitetem Ermessen des Gerichtes ein Anspruch auf Entschädigung
für den ganzen durch die ungerechtfertigte Verurteilung erlittenen
Schaden oder einen verhältnismäßigen Teil dieses Schadens
zugesprochen werden.
§ 2 StPO
(1) Die gerichtliche Verfolgung der strafbaren Handlungen tritt nur auf Antrag eines Anklägers ein.
(2) Wegen handlungen, die nach den Strafgesetzen nur auf Begehren eines Beteiligten verfolgt werden können, kommt diesem die Anstellung der Privatanklage zu.
(3) Alle anderen strafbaren Handlungen sind Gegenstand der öffentlichen Anklage, deren Erhebung zunächst der Staatsanwaltschaft zukommt, statt derselben aber nach Maßgabe dieser Strafprozeßordnung vond em Privatbeteiligten übernommen werden kann (§ 48).
(4) Die öffentliche Anklage erlischt, sobald der Bundespräsident [Ausgabe 1945: Der politische Kabinettsrat] anordnet, daß wegen einer strafbaren handlung ein strafgerichtliches Verfahren nicht eingeleitet oder das eingeleitete wieder eingestellt werden soll.
§ 3 StPO
(1) Über die Verpflichtung des Bundes zur Entschädigung entscheidet
das Gericht, das den Verurteilten freispricht oder nach einem milderen
Gesetz zu einer geringeren Strafe verurteilt oder das Verfahren einstellt,
sofort durch einen nicht kundzumachenden, sondern dem Beteiligten nach
Rechtskraft der Entscheidung zuzustellenden Beschluss. Wird das Verfahren
durch Beschluss des Untersuchungsrichters eingestellt, so beschließt
über die Verpflichtung des Bundes zur Entschädigung die Ratskammer.
Vor der Beschlussfassung sind, auch wenn für die Entscheidung nach
§ 1, Absatz 1, andere Gründe vorliegen, die vom Verurteilten
vorgebrachten Beweise aufzunehmen, die geeignet erscheinen, den auf ihm
ruhenden Verdacht zu entkräften oder seine Unschuld wahrscheinlich
zu machen.
§ 10 StPO
Die Gerichtshöfe erster Instanz üben ihre Gerichtsbarkeit aus:
1. als Untersuchungsgerichte
2. als Ratskammern über Vorerhebungen und Voruntersuchungen (§
12 StPO)
3. als Schwurgerichte oder als Schöffengerichte und im vereinfachten
Verfahren als Einzelgerichte
4. als Berufungsgerichte in Übertretungsfällen
§ 12 StPO
(1) Eine Abteilung des Gerichtshofes erster Instanz führt als Ratskammer
die Aufsicht über alle [...] in seinen Sprengel fallenden Voruntersuchungen
und Vorerhebungen und nimmt auf denselben den in dieser Strafprozeßordnung
ihr zugewiesenen Einfluss.
(2) Die Ratskammer kann in einzelnen Fällen nach Anhörung des
Anklägers die dem Untersuchungsrichter zukommende Vornahme von Vorerhebungen
oder die Voruntersuchung wegen Verbrechen und Vergehen, und zwar ganz
oder teilweise, an ein im Sprengel des Gerichtshofes gelegenes Bezirksgericht
übertragen. Sie kann jedoch diese Geschäfte jederzeit wieder
an sich ziehen und ist dazu verpflichtet, sobald es der Ankläger
oder der Beschuldigte beantragt.
(3) Die Ratskammer fasst ihre Beschlüsse in Versammlungen von drei
Richtern.
§ 27 StPO
(1) Bemerkt ein Strafgericht eine Nachlässigkeit oder Verzögerung
in Erfüllung eines von ihm an eine andere Behörde gerichteten
Ersuchens, so hat es diesen Umstand entweder zur Kenntnis der der letzteren
zunächst vorgesetzten Behörde zu bringen oder dem Gerichtshof
zweiter Instanz, zu dessen Sprengel es gehört, die Anzeige zu erstatten,
damit im geeigneten Wege Abhilfe verschafft werde. Sollte das Strafgericht
diese Pflicht außer acht lassen, so kann ihm die Saumseligkeit einer
anderen Behörde zu keiner Entschuldigung dienen.
(2) Vorstehende Vorschrift findet insbesondere auch dann Anwendung, wenn
die Staatsanwaltschaft in jenen Fällen, wo sie nach dem Gesetze verpflichtet
ist, innerhalb einer bestimmten Frist eine Erklärung oder einen Antrag
einzubringen, dieser Pflicht nicht pünktlich nachkommt.
§ 33 StPO
(1) Die Verhandlungen vor dem Obersten Gerichtshof gehören in den
Geschäftskreis des bei demselben angestellten Generalprokurators
oder seiner Stellvertreter.1
(2) Der Generalprokurator am Obersten Gerichtshof kann von Amts wegen oder
im Auftrage des Staatsamtes für Justiz gegen Urteil der Strafgerichte,
welche auf einer Verletzung oder unrichtigen Anwendung des Gesetzes beruhen,
sowie gegen jeden gesetzwidrigen Beschluss oder Vorgang eines Strafgerichtes,
welcher zu seiner Kenntnis gelangt, eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung
des Gesetzes, und zwar auch dann noch erheben, wenn der Angeklagte oder der
Ankläger in der gesetzlichen frist von dem Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde
keinen Gebrauch gemacht hat. Den Staatsanwälten liegt ob, diejenigen
Fälle, welche sie zu einer solchen Nichtigkeitsbeschwerde für geeignet
halten, den Oberstaatsanwälten vorzulegen, welche zu beurteilen haben,
ob dieselben dem Generalprokurator am Obersten Gerichtshof anzuzeigen seien.
1) Die Stellvertreter des Generalprokurators führen den Amtstitel
"Generalanwälte".
2) Bundesministerium für Justiz
§ 34 StPO (St.P.N. 1918)
(1) Die Staatsanwälte haben alle strafbaren Handlungen, welche zu ihrer
Kenntnis kommen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten zu untersuchen
und zu bestrafen sind, von Amts wegen zu verfolgen und daher wegen deren Untersuchung
und Bestrafung durch das zuständige Gericht das Erforderliche zu veranlassen.
(2) Sie können jedoch, falls dem Beschuldigten mehrere strafbare Handlungen
zur Last liegen, von der Verfolgung einzelner absehen oder unter Vorbehalt
späterer Verfolgung zurücktreten (§ 363, Z. 3):
1. Wenn das voraussichtlich weder auf die Strafen oder sichernden Maßnahmen
noch auf die mit der Verurteilung verbundenen Rechtsfolgen wesentlichen Einfluss
hat;
2. wenn der Beschuldigte wegen der übrigen strafbaren Handlungen an eine
ausländische Behörde ausgeliefert wird und die im Inland zu erwartenden
Strafen oder sichernden Maßnahmen gegenüber denen, auf die voraussichtlich
im Ausland erkannt werden wird, nicht ins Gewicht fallen.
Nimmt der Staatsanwalt später die vorbehaltene Verfolgung wieder auf,
so ist ein abermaliger Vorbehalt in Ansehung einzelner strafbarer Handlungen
unzulässig. Der Staatsanwalt kann ferner von der Verfolgung eines im
Ausland begangenen Verbrechen absehen oder zurücktreten, wenn der Täter
schon im Ausland dafür gestraft worden und nicht anzunehmen ist, daß
das inländische Gericht eine strengere Strafe verhängen werde. Die
dem Privatbeteiligten auch den §§ 48, 49 und 449 zustehenden Rechte
werden durch diese Bestimmungen nicht berührt.
(3) Die Staatsanwälte haben darauf zu sehen, daß alle zur Erforschung
der Wahrheit dienlichen Mittel gehörig benützt werden. Sie sind
befugt, jederzeit von dem Stande der anhängigen Untersuchungen durch
Einsicht der Akten Kenntnis zu nehmen oder deren Mitteilung zu verlangen und
die geeigneten Anträge zu stellen, ohne daß jedoch das Strafverfahren
dadurch aufgehalten werden darf. Nehmen sie Unregelmäßigkeiten
oder Verzögerungen wahr, so haben sie auf gesetzliche Weise deren Abstellung
zu veranlassen.
(4) Auf den Strafvollzug nehmen die Staatsanwälte den in dieser Strafprozeßordnung
ihnen zugewiesenen Einfluss.
§ 45 StPO
(1) Auch während der Vorerhebungen und der Voruntersuchung kann der
Beschuldigte sich eines Rechtsbeistandes aus der Zahl der Verteidiger
zur Wahrnehmung seiner Rechte bei keinen gerichtlichen Akten, welche unmittelbar
die Feststellung des Tatbestandes betreffen und eine spätere Wiederholung
nicht zulassen, sowie zur Ausführung bestimmter, von ihm angemeldeter
Rechtsmittel bedienen, und sich, wenn er verhaftet ist, mit demselben
im Beisein einer Gerichtsperson besprechen. Der Untersuchungsrichter hat
dem Rechtsbeistand Einsicht in die Akten zu gewähren, kann jedoch
Aktenstücke ausnehmen, deren Mitteilung mit dem Zwecke des Verfahrens
unvereinbar wäre; jedenfalls aber ist dem Rechtsbeistand auf Verlangen
vom Verhaftungsbefehl und von dessen Gründen sowie von der gerichtlichen
Verfügung Abschrift zu erteilen, gegen die der Beschuldigte ein Rechtsmittel
angemeldet hat.
(2) Nach der Mitteilung der Anklageschrift dagegen kann sich der Beschuldigte
mit dem Verteidiger ohne Beisein einer Gerichtsperson besprechen, und
haben beide das Recht, die Akten, mit Ausnahme der Beratungsprotokolle
des Gerichtshofes, unter Aufsicht einzusehen und von denselben Abschrift
zu nehmen. Von den Augenscheinsprotokollen, den Gutachten der Sachverständigen
und von Originalurkunden, welche den Gegenstand der strafbaren Handlung
bilden, sind ihnen auf Verlangen unentgeltliche Abschriften zu erteilen.
[Von dem Privatankläger und dem Privatbeteiligten] § 46 StPO
(1) Handelt es sich um ein Vergehen, das nach den Strafgesetzen nur auf Begehren eines in seinem Rechte Verletzten strafrechtlich verfolgt werden darf, so steht diesem das [!] Befugnis zu, bei dem Strafgerichte als Privatankläger schriftlich oder mündlich das Begehren um strafgerichtliche Verfolgung zu stellen.
(2) Der Privatankläger ist berechtigt, während der Vorerhebungen und der Voruntersuchung dem Gerichte alles an die Hand zu geben, was seine Anklage unterstützen kann, von den Akten Einsicht zu nehmen und zur Geltendmachung seiner Anklage alle Schritte bei Gericht einzuleiten, zu welchen sonst der Staatsanwalt berechtigt ist.
[...]
§ 47 StPO
(1) Jeder durch ein Verbrechen oder durch ein vom Amts wegen zu verfolgendes Vergehen in seinen rechten Verletzte kann sich bis zum Beginne der Hauptverhandlung seiner privatrechtlichen Ansprüche wegen dem Strafverfahren anschließen und wird dadurch Privatbeteiligter.
(2)
Dem Privatbeteiligten stehen folgende Rechte zu:
1. Er kann dem Staatsanwalte und dem Untersuchungsrichter alles an die Hand geben, was zur Überweisung des Beschuldigten oder zur Begründung des Entschädigungsanspruches dienlich ist.
2. Er kann von den Akten, und zwar, falls nicht besondere Gründe entgegenstehen, schon während der Vorerhebungen und der Voruntersuchung Einsicht nehmen.
3. Zur Hauptverhandlung wird der Privatbeteiligte mit dem Beisatze eingeladen, daß im Falle seines Nichterscheinens die Verhandlung dennoch vor sich gehen werde, und daß seine Anträge aus den Akten vorgelesen werden würden. Er kann an den Angeklagten, an Zeugen und Sachverständige Fragen stellen oder, um andere Bemerkungen zu machen, schon während der Verhandlung das Wort erhalten. Am Schlusse der Verhandlung erhält er unmittelbar, nachdem der Staatsanwalt seinen Schlußantrag gestellt und begründet hat, das Wort, um seine Ansprüche auszuführen und zu begründen und diejenigen Anträge zu stellen, über die er im Haupterkenntnisse mitentschieden haben will.
§ 48 StPO
Außerdem ist der Privatbeteiligte berechtigt,
nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen statt des Staatsanwaltes die öffentliche Anklage zu erheben und durchzuführen:
1. Wenn der Staatsanwalt die Anzeige des Verletzten zurückweist und die gerichtliche Verfolgung, sei es sofort, sei es nach Vornahme von Vorerhebungen (§ 90) ablehnt, so hat er jenen davon zu verständigen.
Der Verletzte ist in diesem Falle, insofern er sich dem Strafverfahren anzuschließen erklärt, berechtigt, den Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung bei der Ratskammer einzubringen, welche über diesen Antrag nach allenfalls gepflogenen Erhebungen Beschluß zu fassen hat.
2. Wenn der Staatsanwalt von der Verfolgung einer strafbaren Handlung zurücktritt, ehe
ehe der Beschuldigte wegen derselben rechtskräftig in den Anklagestand versetzt ist , so ist der Privatbeteiligte hievon in Kenntnis zu setzen, un d ist berechtigt, binnen drei Tagen nach erfolgter Verständigung mündlich oder schriftlich beim Untersuchungsrichter die Erklärung abzugeben, daß er die Verfolgung aufrecht erhalte. Wenn der durch die strafbare Handlung Verletzte von dem Rücktritte des Staatsanwaltes nicht amtlich verständigt wurde, so kann er diese Erklärung binnen drei Monaten nach der Einstellung des Verfahrens abgeben.
In beiden Fällen ist die Erklärung, in welcher sowohl der Beschuldigte, als auch die ihm zur Last gelegte Tat genau bezeichnet sein muß,
samt allen Akten dem Gerichtshofe zweiter Instanz vorzulegen, welcher, sofern er nicht erachtet, daß kein Grund zur weiteren Verfolgung des Beschuldigten vorliege, die Einleitung oder Wiederaufnahme der Voruntersuchung verfügt. Ist der Beschuldigte über die gegen ihn erhobene Anschuldigung bereits vernommen worden, so kann der Gerichtshof zweiter Instanz auch auf grund der Erklärung des Privatbeteiligten sofort die Versetzung in den Anklagestand aussprechen.
3. Tritt der Staatsanwalt von der Anklage zu einer zeit zurück, wo die versetzung ind en Anklagestand bereits rechtskräftig ist, so ist dies dem Privatbeteiligten mit der Eröffnung mitzuteilen, daß er berechtigt sei, die Anklage aufrecht zu erhalten, dies jedoch binnen drei Tagen dem Gerichtshofe erster Instanz zu erklären habe. Auf eine später abgegebene Erklärung kann keine Rücksicht genommen werden.
§ 51 StPO
(1) Das Strafverfahren steht in der Regel demjenigen Gericht zu, in dessen
Sprengel die strafbare Handlung begangen wurde, und zwar auch dann, wenn
der zum Tatbestände gehörige Erfolg an einem anderen Orte eingetreten
ist.
(2) Wurde die strafbare Handlung in mehreren Bezirken oder auf der Grenze
zweier Gerichtsbezirke begangen, oder ist es ungewiss, in welchem von
mehreren bestimmten Gerichtsbezirken sie begangen worden sei, so entscheidet
unter den dadurch in Frage kommenden Gerichten das Zuvorkommen.
(3) Dasjenige Gericht ist zuvorgekommen, welches zuerst eine Untersuchungshandlung
vorgenommen hat.
(4) Wird die Ungewissheit über den Ort der begangenen Tat noch vor
der Versetzung in den Anklagestand behoben, so steht die Fortsetzung des
Strafverfahrens dem Gerichte des Tatortes zu.
§ 56 StPO (StrafrechtsänderungsG.
1934)
(1) Liegen demselben Beschuldigten mehrere strafbare Handlungen zur Last,
oder haben sich an derselben strafbaren Handlung mehrere Personen beteiligt
oder hat eine dieser letzteren auch noch in Verbindung mit anderen strafbare
Handlungen begangen: so ist in der Regel das Strafverfahren gegen alle
diese Personen und wegen aller dieser strafbaren Handlungen bei demselben
Gerichte gleichzeitig zu führen und über alle zusammentreffenden
Strafsachen ein Endurteil zu fällen.
(2) Zu diesem Verfahren ist dasjenige unter den dabei in Frage kommenden
Gerichten, welches den anderen zuvorgekommen ist, zuständig. Gehört
jedoch eine der zusammentreffenden Strafsachen vor einen Gerichtshof,
so gibt sie für die Zuständigkeit den Ausschlag, wenngleich
ein Bezirksgericht zuvorgekommen wäre. Die Hauptverhandlung und Entscheidung
liegt dem Schwurgerichte ob, wenn auch nur eine der zusammentreffenden
Strafsachen ein Verbrechen zum Gegenstand hat, dessen Aburteilung dem
Schwurgericht zukommt.
(3) Gehören die zusammentreffenden Strafsachen vor verschiedene Gerichte
gleicher Ordnung, kann aber über eine davon ihrer Art nach nur eines
der Gerichte entscheiden, so gibt diese Strafsache für die Zuständigkeit
ohne Rücksicht auf das Zuvorkommen eines anderen Gerichtes den Ausschlag.
§ 57 StPO (St.P.N. 1918)
(1) Das nach § 56 für mehrere zusammentreffende Strafsachen
zuständige Gericht kann auf Antrag oder von Amts wegen verfügen,
daß hinsichtlich einzelner strafbarer Handlungen oder einzelner Beschuldigten
das Strafverfahren abgesondert zu führen und zum Abschlusse zu bringen
sei, soferne dies zur Vermeidung von Verzögerungen oder Erschwerungen
des Strafverfahrens oder zur Kürzung der Haft eines Beschuldigten
dienlich scheint.
(2) In jeden solchen Falle ist der Ankläger verpflichtet, sogleich
zu erklären, ob er wegen der übrigen gegen denselben Beschuldigten
vorliegenden Anschuldigungspunkte ohne unnötigen Aufschub zum Abschlusse
zu bringen; im entgegengesetzten Falle kann der Beschuldigte ihretwegen
nur unter den Bedingungen verfolgt werden, unter denen die Wiederaufnahme
eines vor der Hauptverhandlung eingestellten Strafverfahrens zulässig
ist.
(3) Lässt diese Erklärung eine strafbare Handlung, welche Gegenstand
gerichtlicher Vorerhebungen oder einer Voruntersuchung war, unberührt,
so kann der Beschuldigte verlangen, daß der Ankläger sich auch darüber
erkläre, widrigenfalls anzunehmen wäre, daß er auch die Verfolgung
verzichtet habe.
(4) Handelt es sich um Vergehen oder Übertretungen, die nicht bloß
auf Vergehen eines Beteiligten verfolgt werden, so ist jedenfalls auch
dem Staatsanwalte eine Erklärung abzufordern.
§ 62 StPO
Die Gerichtshöfe zweiter Instanz sind berechtigt, nach Anhörung
des Oberstaatsanwaltes aus Rücksichten der öffentlichen Sicherheit,
oder aus anderen wichtigen Gründen ausnahmsweise dem zuständigen
Gerichte Strafsachen abzunehmen und sie einem anderen Gerichte derselben
Art in ihrem Sprengel zuzuweisen.
§ 63 StPO
(1) daßelbe Recht hat auch der Oberste Gerichtshof für den ganzen Umfang
der Republik Österreich.
(2) Gegen die in Gemäßheit des § 62 vom Gerichtshofe zweiter
Instanz verfügte Delegierung eines anderen Gerichtes kann sowohl der
Ankläger, als der Beschuldigte beim Obersten Gerichtshofe Beschwerde
führen. [...]
§ 82 StPO Der Beurteilung der Gerichte ist es überlassen, ob
es zulässig erscheine, einer Partei oder ihrem ausgewiesenen Vertreter
auch außer den in dieser Strafprozeßordnung insbesondere bezeichneten
Fällen die Einsicht in strafgerichtliche Akten oder die Ausfolgung von
Abschriften aus solchen zu bewilligen, sofern diese Personen glaubwürdig
dartun, daß sie ihnen zur Ausführung eines Entschädigungsanspruches
oder zum Zwecke des Begehrens um Wiederaufnahme oder aus anderen Gründen
notwendig sei.
§ 82a StPO Zum Zweck der nicht personenbezogenen Auswertung für wissenschaftliche Arbeiten oder vergleichbare,
im öffentlichen Interesse liegende Untersuchungen können das Bundesministerium für Justiz und die
Vorsteher der Gerichte auf Ersuchen der Leiter anerkannter wissenschaftlicher Einrichtungen die Einsicht in
strafgerichtliche Akten, die Herstellung von Abschriften (Ablichtungen) und die Übermittlung von Daten
aus solchen bewilligen.
§ 90 StPO
Findet der Staatsanwalt nach Prüfung der Anzeige oder der Akten der,
nötigenfalls auf seine Veranlassung zu ergänzenden, Vorerhebungen
genügende Gründe, um wider eine bestimmte Person das Strafverfahren
zu veranlassen, so bringt er entweder den Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung
[...] oder die Anklageschrift ein. Im entgegengesetzten Falle legt er
die an ihn gelangte Anzeige mit kurzer Aufzeichnung der ihn dazu bestimmenden
Erwägungen zurück und übersendet dem Untersuchungsrichter
die Akten der Vorerhebungen mit der Bemerkung, daß er keinen Grund zur
weiteren Verfolgung finde. Der Untersuchungsrichter hat in diesem Falle
die Vorerhebungen einzustellen und den etwa verhafteten Beschuldigten
sofort auf freien Fuß zu setzen.
§ 91 StPO (StrafrechtsänderungsG.
1934.)
(1) Der Versetzung in den Anklagestand (XVI. Hauptstück) muss eine
Voruntersuchung vorangehen, wenn es sich um ein Verbrechen handelt, dessen
Aburteilung dem Schwurgerichte zukommt, oder wenn gegen einen Abwesenden
das Strafverfahren eingeleitet werden soll. In allen anderen Fällen
bleibt es dem Ermessen des Staatsanwaltes, beziehungsweise des Privatanklägers
anheimgestellt, ob eine Voruntersuchung zu beantragen sei.
(2) Die Voruntersuchung hat den Zweck, die gegen eine bestimmte Person
erhobene Anschuldigung einer strafbaren Handlung einer vorläufigen
Prüfung zu unterwerfen und den Sachverhalt soweit ins klare zu setzen,
als es nötig ist, um jene Momente festzustellen, welche geeignet
sind, entweder die Einstellung des Strafverfahrens herbeizuführen
oder die Versetzung in Anklagestand und die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung
vorzubereiten.
§ 96 StPO
Ist die Voruntersuchung eingeleitet, so schreitet der Untersuchungsrichter
von Amts wegen, und ohne weitere Anträge des Anklägers abzuwarten,
ein, um den Tatbestand zu erheben, den Täter zu ermitteln, und die zur
Überführung oder Verteidigung des Beschuldigten dienenden Beweismittel
soweit festzustellen, als es der Zweck der Voruntersuchung erfordert.
§ 109 StPO
(1) Die Voruntersuchung ist durch Verfügung des Untersuchungsrichters
einzustellen, sobald der Ankläger das Begehren nach strafgerichtlicher
Verfolgung zurückzieht oder auf Einstellung der Voruntersuchung anträgt,
oder erklärt, daß er keinen Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung
finde.
(2) Außerdem kann die Einstellung der Voruntersuchung nur durch Beschluss
der Ratskammer oder des Gerichtshofes zweiter Instanz erfolgen.
§ 112 StPO
(1) Nach geschlossener Voruntersuchung teilt der Untersuchungsrichter
die Akten dem Staatsanwalte mit. Dieser ist verpflichtet [...], binnen
acht Tagen nach Empfang der Akten entweder die Anklageschrift bei dem
Untersuchungsrichter einzubringen oder die Akten demselben mit der Erklärung
zurückzustellen, daß er keinen Grund zur weiteren gerichtlichen
Verfolgung finde.
(2) Der Privatankläger ist von dem Abschlusse der Voruntersuchung
mit der Aufforderung zur Einbringung der Anklageschrift binnen vierzehn
Tagen und mit der Belehrung in Kenntnis zu setzen, daß die Nichteinhaltung
dieser Frist beim Rücktritte von der Anklage gleichkomme [...].
(3) Innerhalb der zur Einbringung der Anklageschrift bestimmten Frist
kann auch der Antrag auf Ergänzung der Voruntersuchung gestellt werden.
Wird dieser Antrag abgelehnt, so läuft die neue Frist zur Einbringung
der Anklageschrift von der Bekanntmachung des bezüglichen Beschlusses
der Ratskammer.
§ 113 StPO
(1) Alle, die sich während der Vorerhebungen, der Voruntersuchung
oder in dem der Einbringung der Anklageschrift nachfolgenden Verfahren
durch eine Verfügung oder Verzögerung des Untersuchungsrichters
beschwert erachten, haben das Recht, darüber, sowie das Gesetz nichts
anderes bestimmt, eine Entscheidung der Ratskammer zu verlangen und ihr
Begehren entweder schriftlich oder mündlich beim Untersuchungsrichter
oder unmittelbar bei der Ratskammer anzubringen. [...]
(2) Ist die Beschwerde zwar berechtigt, aber inzwischen gegenstandslos
geworden, so erkennt die Ratskammer, daß durch den angefochtenen Beschluss
oder Vorgang das Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet worden sei.
(3) Die Ratskammer entscheidet in nichtöffentlicher Sitzung nach
Anhörung des Untersuchungsrichters und des Staatsanwaltes.
§ 146 StPO
(1) Befindet sich der Beschuldigte bereits wegen eines Verbrechens oder
Vergehens in Haft, oder ist wegen eines solchen ein Vorführungs-
oder Verhaftungsbefehl gegen ihn erlassen, so kann der Untersuchungsrichter
Telegramme, Briefe oder andere Sendungen, welche der Beschuldigte abschickt,
oder welche an ihn gerichtet werden, in Beschlag nehmen und von den Post
und Telegraphenämtern und sonstigen Beförderungsanstalten deren
Auslieferung verlangen.
§ 151 StPO
Als Zeugen dürfen, bei sonstiger Nichtigkeit ihrer Aussage, nicht vernommen
werden:
[...]
3. Personen, die zur Zeit, in welcher sie das Zeugnis ablegen sollen, wegen
ihrer Leibes- und Gemütsbeschaffenheit außerstande sind, die Wahrheit
anzugeben.
§ 152 StPO
Von der Verbindlichkeit der Ablegung eines Zeugnisses sind befreit:
1. Die Verwandten und Verschwägerten des Beschuldigten in auf- und
absteigender Linie, sein Ehegatte und dessen Geschwister, seine Geschwister
und deren Ehegatten, die Geschwister seiner Eltern und Großeltern,
seine Neffen, Nichten, Geschwisterkinder, Adoptiv- und Pflegeeltern, Adoptiv-
und Pflegekinder, sein Vormund und Mündel
(3) Der Untersuchungsrichter hat die unter 1 bezeichneten Personen, wenn
sie als Zeugen vorgerufen werden, vor ihrer Vernehmung oder doch, sobald
ihm ihr Verhältnis zu den Beschuldigten bekannt wird, über ihr
Recht, sich des Zeugnisses zu entschlagen, zu belehren und ihre darüber
erfolgte Erklärung in das Protokoll aufzunehmen. Ha der Zeuge auf
sein Recht, sich des Zeugnisses zu entschlagen, nicht ausdrücklich
verzichtet, so ist seine Aussage nichtig.
§ 153 StPO
Wenn die Ablegung des Zeugnisses oder die Verantwortung einer Frage für
den Zeugen einen unmittelbaren und bedeutenden Vermögensnachteil
nach sich ziehen oder ihm selbst oder einem seiner Angehörigen (§
152 , Z.1) Schande bringen würde, und er deshalb das Zeugnis verweigert,
so soll er nur in besonders wichtigen Fällen dazu verhalten werden
§ 170 StPO:
Folgende Personen dürfen bei sonstiger Nichtigkeit des Eides nicht
beeidet werden:
1. Welche selbst überwiesen sind oder in Verdachts stehen, daß
sie die strafbare Handlung wegen welcher sie abgehört werden, begangen
oder daran teilgenommen haben; [...]
§ 175 StPO
1. Der Untersuchungsrichter kann auch ohne vorgängige Vorladung die
Vorführung oder vorläufige Verwahrung des eines Verbrechens
oder Vergehens Verdächtigen anordnen:
2. Wenn er Anstalten zur Flucht gemacht hat oder wenn er wegen der Größe
der ihm mutmaßlich bevorstehenden Strafe, wegen seines herumziehenden
Lebenswandels, oder als in der Gegend unbekannt als ausweis- und heimatlos,
oder aus anderen triftigen Gründen der Flucht verdächtig ist.
3. Wenn er auf eine die Ermittlung der Wahrheit hindernde Art auf Zeugen,
Sachverständige oder Mitbeschuldigte einzuwirken oder sonst durch
Vernichtung der Spuren des Verbrechens oder Vergehens die Untersuchung
zu erschweren gesucht hat, oder wenn gegründete Besorgnis vorhanden
ist, daß dies geschehen könne.
§ 180 StPO
(2) Die Untersuchungshaft muss verhängt werden, wenn es sich um ein
Verbrechen handelt, bei welchem nach dem Gesetze auf die Todesstrafe oder
auf mindestens zehnjährige Kerkerstrafe zu erkennen ist.
§ 191 StPO
Wird ein Beschuldigter entlassen und auf freien Fuß gesetzt, so
kann ihm der Untersuchungsrichter das Gelöbnis abfordern, daß er
sich bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens ohne
Genehmigung des Untersuchungsrichters von seinem Aufenthaltsorte nicht
entfernen, noch sich verborgen halten, noch auch die Untersuchung zu vereiteln
suchen werde. Der Bruch dieses Gelöbnisses zieht die Verhängung
der Untersuchungshaft wider den Beschuldigten nach sich.
§ 192 StPO (St.P.N. 1918.)
Sofern es sich nicht um ein Verbrechen handelt, bei welchem nach dem Gesetze
auf die Todesstrafe oder auf eine mindestens zehnjährige Kerkerstrafe
zu erkennen ist, kann die wegen Verdachts der Flucht verhängte Haft
gegen Kaution oder Bürgschaft für eine von der Ratskammer mit
Rücksicht auf die Folgen der strafbaren Handlung, die Verhältnisse
der Person des Verhafteten und das Vermögen des Sicherheit Leistenden
zu bestimmende Summe und gegen Ablegung des im § 191 erwähnten
Gelöbnisses auf Verlangen unterbleiben oder aufgehoben werden; sie
muß gegen die angegebenen Sicherheiten auf Verlangen unterbleiben
oder aufgehoben werden, wenn das Verbrechen nicht strenger als mit fünfjähriger
Kerkerstrafe bedroht ist.
§ 194 StPO (St.P.N. 1918.)
(1) Der Gerichtshof zweiter Instanz kann die Belassung des Beschuldigten
auf freiem Fuß oder die Versetzung auf freien Fuß gegen oder
ohne die im § 192 bezeichneten Sicherheiten auch bei einem Verbrechen
bewilligen, bei welchem nach zu erkennen (vgl. Anm. 1 zu § 192 StPO)
ist.
(2) Anträge, die auf einen solchen Beschluss des Gerichtshofes zweiter
Instanz abzielen, sind vom Untersuchungsrichter als offenbar unbegründet
zu verwerfen, wenn der Untersuchungsrichter und der Staatsanwalt übereinstimmend
der Überzeugung sind, daß die Untersuchungshaft aus einem der im
§ 175 Z. 2, 3 und 4, angeführten Gründe geboten ist und,
falls nur der Haftgrund nach § 175, Z. 2 vorliegt, dieser durch Sicherheitsleistung
nicht beseitigt werden kann. Gegen eine solche Entscheidung des Untersuchungsrichters
ist kein Rechtsmittel zulässig.
§ 227 StPO (St.P.N. 1931.)
(1) Tritt der Ankläger vor Beginn der Hauptverhandlung von der Anklage
zurück, so stellt der Vorsitzende das Verfahren ein und widerruft
die Anordnung der Hauptverhandlung.
(2) Haben nach der Versetzung in den Anklagestand noch gerichtliche Erhebungen
stattgefunden, so hat der Ankläger das Recht, vor Beginn der Hauptverhandlung
die von ihm eingebrachte Anklageschrift unter gleichzeitiger Einbringung
einer neuen zurückzuziehen. Mit der letzteren ist sodann nach Vorschrift
des XVI. Hauptstückes vorzugehen; hinsichtlich der Haft des Angeklagten
ist aber von der Ratskammer sogleich die nötige Verfügung zu
treffen.
§ 251 StPO
Sowohl der Angeklagte als der Ankläger können verlangen, daß sich Zeugen nach ihrer Abhörung aus dem Gerichtssaale entfernen und später wieder hereingerufen und entweder allein oder in Gegenwart anderer Zeugen nochmals vernommen werden. Der Vorsitzende kann dies auch von Amts wegen anordnen.
§ 252 StPO
(1) Protokolle über die Vernehmung von Mitbeschuldigten und Zeugen, dann
die Gutachten der Sachverständigen dürfen nur in folgenden Fällen
vorgelesen werden:
1. wenn die Vernommenen in der Zwischenzeit gestorben sind; wenn ihr Aufenthalt
unbekannt oder ihr persönliches Erscheinen wegen ihres Alters, wegen
Krankheit oder Gebrechlichkeit oder wegen entfernten Aufenthaltes oder aus
anderen erheblichen Gründen füglich nicht bewerkstelligt werden
konnte;
2. wenn die in der Hauptverhandlung Vernommenen in wesentlichen Punkten von
ihren früher abgelegten Aussagen abweichen;
3. wenn Zeugen, ohne dazu berechtigt zu sein, oder wenn Mitschuldige die Aussage
verweigern, endlich
4. wenn über die Vorlesung Ankläger und Angeklagter einverstanden
sind.
(2) Augenscheins- und Befundaufnahmen, gegen den Angeklagten früher ergangene
Straferkenntnisse, sowie Urkunden und Schriftstücke anderer Art, welche
für die Sache von Bedeutung sind, müssen vorgelesen werden, wenn
nicht beide Teile darauf verzichten.
(3) Nach jeder Vorlesung ist der Angeklagte zu befragen, ob er darüber
etwas zu bemerken habe.
§ 259 StPO
Der Angeklagte wird durch Urteil des Gerichtshofes von der Anklage freigesprochen:
1. Wenn sich zeigt, daß das Strafverfahren ohne den Antrag eines gesetzlich
berechtigten Anklägers eingeleitet oder gegen dessen Willen fortgesetzt
worden sei;
2. Wenn der Ankläger nach Eröffnung der Hauptverhandlung und ehe
der Gerichtshof sich zur Schöpfung des Urteils zurückzieht, von
der Anklage zurücktritt;
3. Wenn der Gerichtshof erkennt, daß die der Anklage zugrunde liegende Tat
vom Gesetze nicht mit Strafe bedroht, oder der Tatbestand nicht hergestellt,
oder nicht erwiesen sei, daß der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat
begangen habe, oder daß Umstände vorliegen, vermöge welcher die
Strafbarkeit aufgehoben oder die Verfolgung aus anderen als den unter Z. 1
und 2 angegebenen Gründen ausgeschlossen ist.
§ 265 StPO
Wird ein Angeklagter, gegen welchen bereits ein Strafurteil ergangen ist,
einer anderen vor der Fällung jenes Strafurteils begangenen strafbaren
Handlung schuldig befunden, so ist bei Bemessung der Strafe für die
neu hervorgekommene strafbare Handlung auf die dem Schuldigen durch das
frühere Erkenntnis zuerkannte Strafe angemessene Rücksicht zu
nehmen, so daß die im Gesetze für die schwerer strafbare Handlung
bestimmte höchste Strafe nie überschritten werden darf.
§ 265a StPO (1. St.P.N. 1920, StrafrechtsänderungsG.
1934.)
(1) Der Gerichtshof ist befugt, in Fällen, für welche die Strafe
im Gesetz zwischen fünf und zehn Jahren bestimmt ist, wegen des Zusammentreffens
sehr wichtiger und überwiegender Milderungsumstände sowohl auf
eine gelindere Art der Kerkerstrafe zu erkennen, als auch die Dauer der
Strafe herabzusetzen, jedoch nie unter sechs Monate.
(2) Wäre die Strafe nach dem Gesetze zwischen zehn und zwanzig Jahren
zu bemessen oder auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen, so darf
der Gerichtshof wegen solcher mildernder Umstände die Strafe zwar
nicht in der Art, aber in der Dauer herabsetzen, jedoch nie unter ein
Jahr.
§ 352 StPO (St.P.N. 1912)
(1) Ist das Strafverfahren wider eine bestimmte Person durch Einstellung,
Zurückweisung der Anklage oder Rücktritt von derselben vor der
Hauptverhandlung beendigt worden, so kann dem Antrage des Staatsanwaltes
oder Privatanklägers auf Wiederaufnahme desselben nur dann stattgegeben
werden, wenn die Strafbarkeit der Tat noch nicht durch Verjährung
erloschen ist, und wenn neue Beweismittel beigebracht werden, welche geeignet
erscheinen, die Überführung des Beschuldigten zu begründen.
(2) Über die Zulassung dieses Antrages entscheidet, nachdem die nötig
befundenen Vorerhebungen gepflogen worden sind, die Ratskammer; gegen
die Entscheidung kann beim Gerichtshofe zweiter Instanz Beschwerde geführt
werden. Die Beschwerde ist binnen acht Tagen nach Eröffnung des Beschlusses
bei dem Gerichtshofe erster Instanz anzubringen.
§ 353 StPO
Der rechtskräftig Verurteilte kann die Wiederaufnahme des Strafverfahrens
selbst nach vollzogener Strafe verlangen:
2. Wenn er neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, welche allein oder
in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen,
seine Freisprechung oder die Verurteilung wegen einer unter ein milderes
Strafgesetz fallenden Handlung zu begründen.
§ 354 StPO
Den Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugunsten des Angeklagten
können, und zwar auch nach dessen Tode, alle jene Personen stellen,
welche berechtigt wären, zu seinen Gunsten die Nichtigkeitsbeschwerde
oder Berufung zu ergreifen. [...]
§ 363 StPO (St.P.N. 1918,
1. und 2. St.P.N. 1920.)
(1) Das Strafverfahren kann unabhängig von den Bedingungen und Förmlichkeiten
der Wiederaufnahme nach den allgemeinen Vorschriften, und zwar durch das
nach denselben zuständige Gericht eingeleitet oder fortgesetzt werden:
1. wenn die Vorerhebungen eingestellt worden sind, ehe eine bestimmte
Person als Beschuldigter behandelt wurde;
2. wenn der zur Klage noch berechtigte Privatkläger dieselbe anbringt,
während in dem früheren Verfahren die Einstellung oder ein freisprechendes
Urteil lediglich wegen Mangels des nach dem Gesetze erforderlichen Antrages
eines Beteiligten erfolgt ist.
3. wenn sich der Staatsanwalt bei dem Rücktritt von der Verfolgung
nach § 34, Abs. (2), oder bei der Erklärung nach § 57,
Abs. (3), die spätere Verfolgung vorbehalten hat und seit der rechtskräftigen
Beendigung des inländischen Strafverfahrens noch nicht mehr als drei
Monate oder seit der rechtskräftigen Beendigung des ausländischen
Strafverfahrens noch nicht mehr als ein Jahr verstrichen ist; wenn dem
Ankläger bei der Beendigung des Strafverfahrens wegen eines Verbrechens
oder Vergehens die Verfolgung wegen anderer strafbarer Handlungen vorbehalten
worden ist; oder wenn sich erst nachher Verdachtsgründe für
eine andere früher begangene strafbare Handlung ergeben haben;
4. wenn eine Tat, die ein Verbrechen begründet, von einem Bezirksgerichte
durch unrichtige Anwendung des Gesetzes als ihm zur Aburteilung zukommend
behandelt worden ist, vorausgesetzt, daß seit der Entscheidung des Bezirksgerichtes
noch nicht mehr als sechs Monate, und wenn es sich um ein Verbrechen handelt,
bei dem nach dem Gesetze mindestens auf fünfjährige Kerkerstrafe
oder eine noch strengere Strafe zu erkennen ist, noch nicht mehr als zwölf
Monate verflossen sind.
(2) Im Fall der Z. 4 hat der dem Bezirksgericht übergeordnete Gerichtshof
auf Antrag des Staatsanwaltes das Urteil aufzuheben und die Einleitung
des gesetzlichen Verfahrens zu veranlassen.
(3) Kommt nach rechtskräftiger Beendigung eines Strafverfahrens hervor,
daß der Beschuldigte zur Zeit der Entscheidung der Feldgerichtsbarkeit
unterstand, und ist die Verfolgung vor dem Feldgerichte noch zulässig,
so hat das Gericht, das in letzter Instanz entschieden hat, wenn aber
dieses Gericht ein Bezirksgericht ist, der übergeordnete Gerichtshof
erster Instanz von Amts wegen die Entscheidung aufzuheben und die Sache
an das Feldgericht abzutreten.
§ 411 StPO
Eine in dem Gesetze nicht vorbedachte Nachsicht oder Milderung einer Strafe
steht nur dem politischen Kabinettsrat zu.
(2) Gnadengesuche haben keine aufschiebende Wirkung. Sie sind, sofern
nicht in einzelnen Fällen besondere höhere Aufträge ergehen,
nach den folgenden Bestimmungen zu behandeln:
(3) Bringt ein Verurteilter nach Antritt der Strafe bei dem Vorsteher
der Strafanstalt oder bei dem zur Visitation derselben abgesandten Beamten
ein Gnadengesuch an, so ist daßelbe mit der Äußerung des Vorstehers
über das Betragen und den Gesundheitszustand des Sträflings
dem Gerichte, welches in erster Instanz erkannt hat, zu übermitteln.
(4) Dieses Gericht, an welches auch alle anderen Gnadengesuche zu leisten
sind, hat das Gesuch zu prüfen und daßelbe zurückzuweisen,
wenn es nicht findet, daß wichtige Gründe für die Milderung
oder Nachsicht der Strafe sprechen. Im entgegengesetzten Falle legt es
daßelbe mit seinem Antrage dem Gerichtshofe zweiter Instanz vor, welcher
darüber nach Anhörung des Oberstaatsanwaltes Beschluss fasst
und das Gesuch entweder zurückweist oder daßelbe mit seinem Antrage
dem Staatsamt für Justiz vorlegt. Hat über das Urteil der Oberste
Gerichtshof [...] entschieden, so ist der das Gnadengesuch befürwortende
Antrag des Gerichtshofes zweiter Instanz an den Obersten Gerichtshof zu
richten, welcher nach Anhörung des Generalprokurators entscheidet,
ob das Gesuch zurückzuweisen oder dem Staatsamt für Justiz zu
befürworten sei.
(5) Gegen die Zurückweisung eines Gnadengesuches durch eines der
genannten Gerichte findet keine Beschwerde statt.
§ 412 StPO
Wenn der Täter eines Verbrechens oder Vergehens nicht bekannt ist oder
nicht vor Gericht gestellt werden kann, so muss doch die Erhebung der Beschaffenheit
der Tat auf Antrag des Staatsanwaltes mit der vorschriftsmäßigen
Sorgfalt und Genauigkeit gepflogen werden. Das Verfahren ist in solchen Fällen
erst, wenn keine Anhaltspunkte zu weiteren Nachforschungen mehr vorhanden
sind, bis zur künftigen Entdeckung oder Auffindung des Täters einzustellen.
Zitiert nach:
Die österreichische Strafprozeß- ordnung in der Fassung der Kundmachung
des Staatsamtes für Justiz vom
24. Juli 1945 über die Wieder- verlautbarung der österreichischen
Strafprozeß- ordnung samt Novellen und Nebengesetzen, hrsg. von Dr. Ludwig
Franz TLAPEK, 2. Aufl., Wien 1948