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Grußworte zur Eröffnung der Zentralen österreichischen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz Dr. Nikolaus Michalek, ehem. Bundesminister für Justiz 14. Dezember 1998, Österreichisches Staatsarchiv, Wien Zwischen der zeitgeschichtlichen Forschung in Österreich und dem Bundesministerium für Justiz bestehen seit vielen Jahren gute Beziehungen. Dabei ist die österreichische Rechtspflege in der historischen Perspektive Forschungsgegenstand und zeitgeschichtlicher Anknüpfungspunkt, die Justiz und ihre Repräsentanten sind aber auch selbst Beteiligte eines periodischen Gedankenaustauschs zwischen Geschichte und Rechtspolitik, zwischen Historikern und Juristen. Dieses spezielle Verhältnis der Zusammenarbeit findet am heutigen Tag mit der Einrichtung der "Forschungsstelle Nachkriegsjustiz" im Österreichischen Staatsarchiv eine logische Fortsetzung und besondere Ausprägung. Mehr als fünf Jahrzehnte nach dem Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft und an der Schwelle eines neuen Jahrtausends ist es an der Zeit, nicht nur an die archivarische Sicherung der Aktenbestände der Nachkriegsjustiz mit Bezug zu den NS-Verbrechen zu denken, sondern dieses Material auch für die zeitgeschichtliche Forschung an zentraler Stelle zugänglich zu halten. Das ist umso wichtiger, als Österreich bekanntlich nicht, wie die Bundesrepublik Deutschland, über eine Zentralstelle der Justiz für die Ausforschung und Ahndung von NS-Verbrechen verfügt. Der Großteil der Gerichtsakten wird, soweit er sich nicht noch bei den Gerichten selbst befindet, weiterhin in den Landesarchiven aufbewahrt werden, aber auch hier in der Forschungsstelle auf Mikrofilm dokumentiert sein. Mit der "Forschungsstelle Nachkriegsjustiz" entsteht eine neue Einrichtung, die die schon bisher vom Bundesministerium für Justiz begrüßten und unterstützten Arbeiten zur Erschließung der Nachkriegsprozesse in Österreich fortsetzen wird, wie sie bisher am Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes durchgeführt wurden. Von diesen Prozessen, die in der Regel vor den Volksgerichten abgeführt worden sind, waren auch Vorgänge betroffen, wie sie gerade in den letzten Monaten intensiv diskutiert worden sind, etwa Ereignisse im Zuge der sogenannten Arisierungen oder Gewaltverbrechen gegen ausländische Zwangsarbeiter im Dritten Reich. Die Einrichtung der Forschungsstelle wird daher wohl auch für die Arbeiten der kürzlich von der Bundesregierung eingesetzten Historikerkommission von Interesse sein. Die Bedeutung der strafjustiziellen Auseinandersetzung mit den Verbrechen der dunkelsten Jahre unseres Jahrhunderts liegt nicht nur in dem – in der Vergangenheit nicht selten unbefriedigenden – Ausgang der Strafprozesse. Die Tatsache der Ermittlungen und die Maßnahmen der Strafverfolgung als solche waren für das Selbstverständnis der Justiz der Zweiten Republik, aber auch für die Zeitgeschichtsschreibung und das politische Bewußtsein unseres Volkes von großem Wert. Bestimmte Verbrechenskomplexe wie die Morde im Rahmen der NS-Euthanasie wären ohne die Gerichtsakten nur unvollständig zu erforschen. Das alles ist nicht nur Geschichte, die unsere Gegenwart bis heute mitprägt, sondern in Einzelfällen auch in der Strafjustiz immer noch aktuell. Zu Recht ist die justizielle Auseinandersetzung postdiktatorischer Gesellschaften mit Kriegs- und Humanitätsverbrechen immer mehr Gegenstand des öffentlichen Interesses ebenso wie der historischen Forschung geworden. Das Bundesministerium für Justiz wird die Bemühungen der HistorikerInnen um Dokumentation und Auswertung der Nachkriegsprozesse in Österreich weiter nach Kräften unterstützen. Geht es dabei doch sowohl um eine Aufgabe von allgemeiner gesellschaftspolitischer Bedeutung als auch um eine differenzierte und ausgewogene zeitgeschichtliche Bewertung der Tätigkeit der österreichischen Justiz mit ihren Stärken und Schwächen, mit ihren Leistungen und Versäumnissen. Die Arbeiten des im Rahmen des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes tätigen Forscherteams, das auch die neue Forschungsstelle leiten wird, haben schon bisher über Österreich hinaus Beachtung gefunden und scheinen mir die Gewähr für die erforderliche Objektivität der historischen Darstellung und Aufarbeitung zu bieten. In diesem Sinne freue ich mich über die eingeleitete erfolgreiche Zusammenarbeit von Österreichischem Staatsarchiv, Landesarchiven, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, zeitgeschichtlicher Forschung und Justiz bei der Dokumentation und Erschließung der österreichischen Nachkriegsprozesse. Ich wünsche allen an der "Forschungsstelle Nachkriegsjustiz" Beteiligten und den hier tätigen HistorikerInnen für ihre Arbeit das Allerbeste im gemeinsamen Interesse und im Interesse des demokratischen Selbstverständnisses der Republik Österreich. (gekürzt) |
Diese Ansprache ist gekürzt erschienen in "Justiz und Erinnerung" Nr.1 |
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