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Werkstattgespräch mit Prof. Michael Thad Allen im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes:

Im Reich des Vergessens
Der Wiener Prozess gegen die Krematorienerbauer von Auschwitz

Professor M. Th. Allen stellte den selbst in Österreich wenig bekannten Auschwitz-Prozess in Wien vor, der am 10. März 1972 mit der Freilassung der beiden Angeklagten Fritz Ertl und Walter Dejaco endete. Zwar fand in Wien einige Monate später noch ein weiterer Auschwitz-Prozess statt, in dem die Angeklagten ebenfalls freigesprochen wurden, das Interessante an dem von ihm behandelten Verfahren war jedoch, dass die Staatsanwaltschaft Wien zwei Ingenieuren des Holocaust nachzuweisen versuchte, dass sie das gerade nicht waren, was sie dem Gericht weiszumachen versuchten: "kleine Rädchen im Getriebe".
Die beiden Angeklagten Ertl und Dejaco hatten in der Zentralbauleitung Auschwitz gedient und waren dort Angehörige jenes Teams, das f ür die Planung und Errichtung der Gaskammern von Birkenau verantwortlich war.
Die Wiener Staatsanwälte hatten das Verfahren fast zehn Jahre lang mit großen Ambitionen vorbereitet – offenbar hatten sie ursprünglich eine Art österreichisches Gegenstück zum großen Frankfurter Auschwitz-Prozess beabsichtigt, wo mehr als zwanzig Angeklagte vor Gericht standen. Doch solche Pläne mussten schnell eingeschränkt werden: Widerwillig hatte das Gericht zugestimmt, wenigstens drei Anklagen zuzulassen, im letzten Moment wurde dann sogar eine Anklage fallengelassen – gegen den Baupolier Hermann Töfferl.
Als die Hauptverhandlung im großen Schwurgerichtssaal des Landesgerichts für Strafsachen in Wien eröffnet wurde, hielt sich das Interesse der Öffentlichkeit an dem, was eigentlich als größter österreichischer Auschwitz-Prozess gedacht war, in Grenzen. Innerhalb Österreichs gab es auch kaum eine öffentliche Debatte, als knapp zwei Monate später der Freispruch erfolgte.
Siehe zum Presseecho den Recherche-Bericht von Sabine Loitfellner (S. 163-168).


Eine erweiterte Version von Professor Allens Vortragstext erschien im September 2007 in ehglischer Sprache unter dem Titel Realms of Oblivion: The Vienna Auschwitz Trial in Heft 3 (S. 397-428) des 40. Jahrgangs der Zeitschrift Central European History.

Eine Auflistung von Publikationen von Michael Thad Allen über dieRolle von Wirtschafts- und Verwaltungs-Fachleuten sowie Technikern bei der Organisation und Durchführung des Massenmords an den europäischen Juden/Jüdinnen finden Sie in der Ankündigung der Veranstaltung am 3. April 2007.


Eine gemeinsame Verantaltung von DÖW und FStN am 4. April 2007




Prof. Michael Thad Allen im Benutzerraum des DÖW

Michael Thad Allen war Professor an der School of History, Technology and Society am Georgia Institute of Technology, Atlanta/GA, und ist gegenwärtig als Visiting Ass.Prof. & Research Fellow in International Studies and History an der Yale University, New Haven/CT tätig.