Der "Verein zur Erforschung
nationalsozialistischer Verbrechen und ihrer Aufarbeitung" führte
am 23. März 2002 zum zweiten Mal eine Gedenkfahrt nach Engerau (Bratislava-Petrzalka)
und Bad Deutsch-Altenburg durch. Hier wurden in den letzten Monaten der
NS-Herrschaft mehr als 500 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter Opfer
von Misshandlung, Quälerei, Mord und Totschlag, verübt von österreichischen
SA-Männern und NSDAP-Funktionären ("Politischen Leitern").
Ausgangspunkt
der Gedenkfahrt war der Friedhof von Engerau, wo von der slowakischen
Regierung bereits 1945 ein Gedenkstein für die "Opfer der faschistischen
Gräueltaten" errichtet worden war.
Die wissenschaftliche Ko-Leiterin der Zentralen österreichischen
Forschungsstelle Nachkriegsjustiz, Mag. Claudia Kuretsidis-Haider, und
die Präsidentin des "Vereins zur Erforschung nationalsozialistischer
Gewaltverbrechen und ihrer Aufarbeitung" Dr. Eleonore Lappin vom
Institut für
die Geschichte der Juden in St. Pölten sprachen Worte des Gedenkens.
Die TeilnehmerInnen der Gedenkfahrt zündeten Kerzen an und legten
Blumen nieder.
Petrzalka (deutsch Engerau, ungarisch Pozsonyligetfalu)
ist heute der 5. Bezirk von Bratislava (Pressburg/Pozsony), der während
der NS-Zeit zum Großdeutschen Reich (Gau "Niederdonau")
gehört hatte, und für die Deutschen aufgrund der Donaubrücke
strategisch wichtig war.
In den letzten Kriegsmonaten befand sich hier der nördlichste Punkt
der sogenannte Reichsschutzstellung, deren Bau von den nationalsozialistischen
Machthabern angeordnet worden war. Diese auch "Südostwall"
genannte Wehranlage sollte der Verteidigung gegenüber der heranrückenden
Roten Armee dienen. Angehörige des Volkssturms, der Zivilbevölkerung,
der HJ und vor allem ungarischen Juden mussten unter unmenschlichsten
Bedingungen Erdarbeiten leisten.
Der ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiter, die während dieses Arbeitsansatzes
bzw. bei Massakern im Zuge ihrer Evakuierung zu Kriegsende umkamen bzw.
getötet wurden, zu gedenken, war das Ziel der Gedenkfahrt nach Engerau.
Der Arbeitseinsatz der ungarischen Juden kann als
Teil der Vernichtungsstrategie des NS-Terrorregimes gezeichnet werden.
Präsidentin Lappin erläuterte den Grund, weshalb in Engerau
ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter zu Schanzarbeiten eingesetzt worden
waren.
Am 19. März 1944 marschierten deutsche Truppen in Ungarn ein, da
sich die deutsch-freundliche ungarische Regierung unter Miklos Horthy
für das nationalsozialistische Regime nicht mehr als vertrauenswürdig
darstellte. Damit begann unter der Leitung von Adolf Eichmann und seinem
Sondereinsatzkommando auch in Ungarn die organisierte Vernichtung der
jüdischen Bevölkerung, mit dem Ziel, sämtliche ungarische
Juden in Auschwitz der "Endlösung zuzuführen". Am
15. Mai 1944 wurde mit dem systematischen Abtransport nach Auschwitz begonnen.
Aufgrund der drohenden Niederlage bzw. auf internationalen Druck verbot
Horthy in der Folge jedoch weitere Deportationen. Zu diesem Zeitpunkt
waren nur mehr ca. 80.000 so genannte "Arbeitsdienstler" der
ungarischen Armee sowie die Budapester Juden und Jüdinnen in Ungarn
verblieben. Nachdem Horthy am 15. Oktober den Waffenstillstand zwischen
Ungarn und der Sowjetunion ausgerufen hatte, rissen die faschistischen
"Pfeilkreuzler" unter der Führung von Ferenc Szálasi
mit Hilfe der in Ungarn stationierten deutschen Truppen die Macht an sich.
In der Folge wurde der Terror gegen die noch in Ungarn verbliebenen Juden
und Jüdinnen fortgesetzt. Ab 17. Oktober setzte Adolf Eichmann die
Maßnahmen zur "Endlösung der Judenfrage", die seit
Horthys Deportationsverbot am 9. Juli praktisch zum Stillstand gekommen
war, fort. Die "Pfeilkreuzler" erklärten sich bereit, den
Deutschen jüdische Arbeitskräfte bis Kriegsende zu "leihen",
wobei vor allem an einen Einsatz in der Rüstungsindustrie gedacht
war. Ende Oktober setzten die ungarischen Behörden ungarische Juden
und Jüdinnen in Richtung Hegyeshalom, an der Grenze zum Deutschen
Reich, in Marsch. Außerdem wurden Gruppen jüdischer "Arbeitsdienstler"
der ungarischen Armee, die sich auf dem Rückzug von der Ostfront
befanden, als "Arbeitssklaven" in das Deutsche Reich verschickt.
Nach einem Protest des Organisators des Arbeitseinsatzes der ungarischen
Juden in Niederdonau und Westungarn Rudolf Höß - es handelte
sich bei den Deportierten keineswegs nur um kräftige und arbeitsfähige
Menschen - ging man dazu über, die Transporte per Bahn durchzuführen.
Doch nicht der Arbeitseinsatz, sondern die Deportation sämtlicher
Juden und Jüdinnen ins Deutsche Reich und damit deren Vernichtung
war das eigentliche Ziel der deutschen Machthaber. Zwischen dem 6. November
und dem 1. Dezember 1944 übergaben die "Pfeilkreuzler"
76.209 ungarische Juden und Jüdinnen den Deutschen als "Leihgabe"
bis Kriegsende. (Danach wurden zwar nicht die Deportationen, aber die
Zählung der übergebenen "Leihjuden und -jüdinnen"
eingestellt.) Nach der Übergabe an die SS in Hegyeshalom erfolgte
der Transport nach Zurndorf (Burgenland), von wo ein Teil weiter in Konzentrations-
und Arbeitslager im Deutschen Reich verschickt wurde. Die übrigen
Männer und Frauen teilten die SS-Mannschaften unter der Leitung von
Rudolf Höß auf österreichische Industriebetriebe, vor
allem jedoch auf Lager entlang der Grenze auf, wo sie am so genannten
"Südostwall" mitschanzen mussten.
Anfang Dezember kamen ca. 2.000 ungarische Juden in geschlossenen Waggons
in Engerau an. Die deutsche Bauleitung "Unterabschnitt Engerau"
ließ Gruppen zu je 120-150 Mann zusammenstellen. Die "Unterbringung"
der Juden erfolgte in alten Baracken, aber auch in Bauernhöfen, Scheunen,
Ställen und Kellern. Sie lebten somit auf "Tuchfühlung"
mit der Bevölkerung, die zur Aufnahme der Gefangenen verpflichtet
wurde.
Das so genannte Lager Engerau bestand aus mehreren Teillagern, war also
kein Lager im herkömmlichen Sinn mit Stacheldraht und Wachtürmen.
Die Arbeitseinsatzorte befanden sich zwischen der damaligen deutsch-ungarisch-slowakischen
Grenze und Berg-Hainburg-Kittsee. Die Bedingungen in den Teillagern und
bei den Schanzarbeiten waren äußerst schlecht. Hunger, Kälte,
Misshandlungen, unmenschliche Arbeitsbedingungen und jeden Tag mehrere
tote Kameraden prägte den Alltag der ungarischen Häftlinge.
Als die Rote Armee näher rückte befahl die
Kreisleitung die Evakuierung des Lagers. Dabei wurden die "nicht
marschfähigen" Gefangenen getötet. Während eines so
genannten Todesmarsches von Engerau nach Bad Deutsch-Altenburg kamen mehr
als 100 ungarische Juden um. Diese starben entweder an Erschöpfung
bzw. wurden von der Wachmannschaft erschossen, erschlagen oder erstochen.
Der Großteil der Toten wurde in mehreren
Massengräbern beim Friedhof in Engerau verscharrt. Eine unmittelbar
nach Kriegsende von der slowakischen Regierung eingesetzte Regierungskommission
hob insgesamt fünf Massengräber aus und exhumierte 460
Männer.
Stellvertretend für diese Toten, die nicht
alle identifiziert werden konnten, wurden vom Ko-Leiter der Zentralen
Forschungsstelle, Dr. Winfried Garscha 20 Namen von am Engerauer
Friedhof bestatteten Opfern verlesen:
Von den 497 im Massengrab Beerdigten wurden einigen namentlich bekannten
Ermordeten eigene Grabsteine gesetzt
*) Tibor Ágoston, geb. 1. 2. 1900 in Budapest
*) Oskár Vidor, geb. 11. 12. 1899 in Budapest
*) Jozef Baumgarten, geb. 13. 7. 1903 in Dunaföldvar
*) Leopold Weiss, geb. 31. 5. 1897 in Budapest
*) Frantisek Boros, geb. 28. 8. 1898 in Budapest
*) Bernárd Wachsberger, geb. 3. 6. 1895 in Nyirják
*) Juraj Breier, geb. 15. 5. 1924 in Mezököves
*) Otto Geza Szunyog, geb. 28. 2. 1900 in Felsöireg
*) Rudolf Böhm, geb. 19. 3. 1924 in Györ
*) Juraj Polgár, geb. 17. 3. 1901 in Budapest
*) Imrich Halász, geb. 13. 5. 1902 in Celldömölk
*) Dr. Ludovít Neumann, geb. 6. 11. 1900 in Ujpest
*) Andrej Holczer, geb. 17. 9. 1922 in Szegedin
*) Stefan Major, geb. 6. 5. 1927 in Budapest
*) Stefan Horváth, geb. 13. 10. 1906 in Tatabanya
*) Viliam Kohn, geb. 5. 11. 1897 in Simö
*) Ervín Klein, geb. 29. 5. 1929 in Budapest
*) Pavel Eichner, geb. 17. 1. 1900 in Budapest
*) Alexander Székely, geb. 20. 11. 1897 in Budapest
*) Gejza Falk, geb. 16. 1. 1899 in Budapest
Die zweite Station der Gedenkfahrt war die Fabrik Matador (während
der NS-Zeit Semperit-Werk),
der Ausgangspunkt des so genannten Todesmarsches.
Hier gab Claudia Kuretsidis-Haider zunächst einen Überblick
über den Aufbau des Lagers Engerau:
Die Teillager hießen Auliesl (Meierei: 300 Juden; untergebracht
in Kellern, am Dachboden und im Magazin), Fürst (Besitzer des Anwesens),
Schinawek (Fabrik), Wiesengasse (Scheune), Leberfinger (Gasthaus und große
Scheune), Bahnhofstraße (15 kleine Häuser, wo 200 Juden auf
den Dachböden untergebracht waren) und Krankenrevier (in der Nähe
des Lagers Leberfinger).
Wie in den anderen Lagern entlang des Südostwalls wurden die Juden
von der SA sowie von den politischen Leitern bewacht. Gegen einige dieser
SA-Männer, politischen Leiter sowie gegen die Lagerkommandanten und
die zuständigen Unterabschnittsleiter wurden zwischen 1945 und 1955
mehrere Prozesse durchgeführt (einige davon wurden als so genannte
Engerau-Prozesse bezeichnet - siehe weiter unten). Angezeigt wurden sie
von einem SA-Mann, der selbst mehrere Häftlinge ermordet hatte, und
der hoffte, dadurch ungeschoren davon zu kommen. (Anzeige von Rudolf K.
am 15. 5. 1945, Vg 2b Vr 564/45 [1. Engerau-Prozess])
Die SA-Wache unterstand Edmund Kratky, der später von Wachkommandanten
Erwin Falkner abgelöst wurde (Das Volksgericht Wien verurteilte beide
1946 im so genannten 3. Engerau-Prozess zum Tode. Das Urteil wurde auch
vollstreckt.) Kommandant der SA-Wache für den Unterabschnitt war
Gustav T. Die SA-Lagerleiter unterstanden dienstrechtlich T., ansonsten
dem Ortsgruppenleiter von Engerau Karl St. Die Juden wurden bei der Arbeit
von den politischen Leitern bewacht und nachts von der SA. Jedes Teillager
hatte auch einen jüdischen Lagerkommandanten. Zusätzlich war
in jeder "Unterkunft" ein Po-li-ti-scher Leiter als Lagerführer
eingesetzt, dem ein Gefangener beigegeben wurde, der deutsch und ungarisch
sprechen konnte.
Administrative Zentrale des Lagerkomplexes und Unterkunft für die
politischen Leiter und SA-Männer sowie der Lagerleitung und des Ortsgruppenleiters
war die Holzweberschule.
In der Hauptverhandlung des 3. Engerau-Prozesses wurden
die Teillager von den SA-Männern folgendermaßen beschrieben:
Im Magazin der Meierei
Auliesl befanden sich 100 Gefangene, die
auf Stroh und Papiermatten liegen mussten. Hier bestand eine Heizmöglichkeit,
am Dachboden und im Keller hingegen nicht. Das Lager befand sich etwa
eine Viertelstunde außerhalb des Ortsgebietes auf einer Insel oder
Halbinsel.
(Aussage von Franz Sch.: Hauptverhandlungsprotokoll des 3. Engerau-Prozesses,
1. Band, 3. Tag [18. 10. 1946], S. 2f., sowie 1. Band, 5. Tag [21. 10.
1946], S. 28; LG Wien Vg 1c Vr 3015/45) Das Lager Wiesengasse war nach Aussage
eines SA-Mannes "grauenhaft". Dort gab es "nur Leute [...],
die schon zum Sterben waren". Die Baracke war schmutzig. Die Häftlinge
hatten kein Stroh, sondern mussten auf ihren Kleidern liegen und waren
"krank, abgemagert und erschöpft."
(Aussage des später hingerichteten SA-Mannes Josef Kacovsky: Hauptverhandlungsprotokoll
des 3. Engerau-Prozesses, 1. Band, 3. Tag [18. 10. 1946], S. 25; LG Wien
Vg 1c Vr 3015/45)
Ein anderer gab an, dass das Lager Wiesengasse
eine Scheune war, "bei der die Fugen 2 Zoll weit auseinander klafften
und das Licht heraus schimmerte". Die Bedingungen stellten sich derart
dar, dass anzunehmen war, dass die Lagerinsassen erfrieren würden,
selbst wenn die beiden Scheunentore geschlossen waren.
(Aussage von Ferdinand S.: Hauptverhandlungsprotokoll des 3. Engerau-Prozesses,
1. Band, 5. Tag [21. 10. 1946], S. 34; LG Wien Vg 1c Vr 3015/45)
Dr. Erich August P. (Arzt in Kittsee und eigentlich auch für Engerau
zuständig) stellte anlässlich einer Visite im Lager Wiesengasse
fest, dass viele Juden aufgrund von Hungerödemen
starke Schwellungen am Körper und im Gesicht aufwiesen und kleine
eiternde Wunden hatten, die nicht verheilten. (Hauptverhandlungsprotokoll des 3. Engerau-Prozesses,
2. Band, 8. Tag [24. 10. 1946], S. 40; LG Wien Vg 1c Vr 3015/45).
Der Leiter des Teillagers
Bahnhofstraße gab folgende Beschreibung: "Die Lagerinsassen waren auf den
Dachböden, die nicht sehr groß waren, untergebracht. Sie mußten
ziemlich dicht beieinander auf Stroh liegen. Insgesamt werden es zirka
200 Lagerinsassen gewesen sein, die in der Bahnhofstraße untergebracht
waren. Es haben aber alle einen Ofen gehabt. [...] Sie waren aus kleineren
Ölfässern angefertigt worden. Das Brennmaterial haben sie sich
mitbringen können. [...]
Es hat [...] auch mit den Besitzern der Häuser einen Kampf wegen
der Einleitung des Lichtes gegeben, weil sie es nicht bezahlen wollten
und sie haben sich erst dazu herbeigelassen, wie ich ihnen gesagt habe,
ob es ihnen lieber wäre, wenn durch Kerzenlicht oder Lampen ein Feuer
entstünde. Mit dem heißen Wasser für die Leute war es
das Gleiche. Sie wollten ihnen keines hitzen [sic!] und erst wieder, als
ich ihnen sagte, ob sie total verlaust werden möchten, was zwangsläufig
der Fall wäre, haben die Hausbesitzer heißes Wasser zur Körperreinigung
und zum Wäschewaschen hergegeben. Das Brennmaterial mußten
sich die Juden ohnehin selbst bringen."
Das Lager Schiwanek
hatte seinen Namen nach einer sich in unmittelbarer Nähe befindlichen
Autoreparaturwerkstätte) und war eine kinotechnischen Fabrik in der
Holzgasse 14. In dieser Fabrik wurden 450 jüdische Häftlinge
auf den Dachböden "untergebracht". Die Tochter des Fabriksbesitzers
Berta G. war eine wichtige Zeugin bei den Engerau-Prozessen. Sie beschrieb
die Unterkunft folgendermaßen: "Der eine Teil des Dachbodens war
18 m lang und 4 bis 4½ Meter breit und der andere Teil 15 m lang
und auch so breit. Diese beiden Dachbodenteile waren links und rechts
von der Stiege. Davon war in der Mitte noch 1 m breit ein Laufgang. Ich
war einige Male bei den Juden oben. Die waren wie die Heringe zusammengepfercht
und sind über und untereinander gelegen. [...]
Durch die Bombenangriffe waren [...] alle Fenster zerschlagen und es hat
furchtbar gezogen. Die Leute mußten auf bloßem Beton liegen.
Eine Fuhr Stroh war wohl einige Tage, bevor die Juden gekommen sind gebracht
worden, doch ist sie im Freien geblieben und naß geworden. Außerdem
war diese Menge Stroh für soviel Menschen viel zuwenig. Das Stroh
ist auch nie ausgewechselt worden. Da sie mir leid getan haben habe ich
den Juden von mir aus Wellpappe zum Drauflegen gegeben."
(Hauptverhandlungsprotokoll des 3. Engerau-Prozesses, 1. Band, 5. Tag
[21. 10. 1946], S. 17f.; LG Wien Vg 1c Vr 3015/45)
Für die Schanzarbeiter beim Südostwallbau
gab es am 28. März von Kreisleiter Alfred Waidmann aus Bruck an der
Leitha die Weisung, die ungarischen Juden per Bahn abzutransportieren,
da die Rote Armee immer näher rückte. Nachdem Weidmann allerdings
erfahren hatte, dass die Reichsbahn nur drei Waggons zur Verfügung
stellen konnte, wurde lediglich der Abtransport der nicht marschfähigen
in Aussicht genommen. Die übrigen Gefangenen sollten zu Fuß
nach Bad Deutsch-Altenburg marschieren.
Der im 1. Engerau-Prozess zu acht Jahren verurteilte Konrad Polinovsky,
der zur Grenzbewachung eingeteilt war, schilderte die letzten Stunden
vor dem Aufbruch folgendermaßen: "Am Gründonnerstag gingen wir
vor 12 Uhr an die ungarische Grenze und lösten dort die Grenzposten
ab. Um ca. 3 Uhr nachmittags kam ein Melder, der uns den Befehl über-brach-te,
sofort einzurücken. Unser Posten wurde vom Militär besetzt.
Als wir in das Lager kamen, wur-de dort bereits gepackt. Es wurde Wein
ausgegeben und zwar vier Liter pro Kopf. Die mei-sten tranken ihren Wein
gleich. Einer der politischen Leiter war derart angesoffen, daß
er über die Stiegen hinunterfiel und ins Spital transportiert werden
mußte. Auch die SA-Männer waren zum Teil ziemlich angetrunken.
[...] Zuerst hieß es, daß wir zum Abtransport einen Lastenzug
bekommen. Daraus wurde dann nichts. Es kam ein Lastauto und lud unser
Gepäck auf. Auf einmal hieß es dann, daß wir marschieren
müssen. Wir marschierten zum Bahnhof, wo auch Essen gefaßt
wurde. Bei der Fabrik erfolgte die Aufstellung der Kolonnen. Es gab Fliegeralarm.
Es hieß dann, daß die jüdischen Ärzte an der Spitze
gehen und begab ich mich mit ihnen an die Spitze der Kolonne. Dann kam
Falkner und sagte: "Wir marschieren nach Deutsch-Altenburg. Wer nicht
mitkommt, wird umgelegt! [...] Ca. um 10 Uhr abends sind wir von Engerau
wegmarschiert."
(Hauptverhandlungsprotokoll des 3. Engerau-Prozesses, 2. Band, 9. Tag
[25. 10. 1946], S. 14 - 16; LG Wien Vg 1c Vr 3015/45)
Vor dem Abmarsch wurde aber bereits der Befehl des
Lagerkommandanten von einem wahrscheinlich von ihm extra dafür bestimmten
so genannten Sonderkommando
ausgeführt, und zwar wurden sowohl im Lager Wiesengasse als auch
im Lager Leberfinger wie angeordnet die nicht mehr marschfähigen"
umgebracht. Der für diesen Abschnitt des Südostwallbaues zuständige
Unterabschnittsleiter Dipl. Ing. Dr. Erwin Hopp, im Zivilberuf war er
Professor an der Universität für Bodenkultur in Wien, sagte
dazu gegenüber dem Untersuchungsrichter: "Bei der Wiesengasse hielt uns ein
Offizier der Luftwaffe auf und sagte, wir sollten uns die Toten in der
Scheune dort ansehen. Das Bild in der Scheune war grauenhaft. Ich hielt
es nicht lange darin aus. Die Leichen lagen in Dreierreihen und hatten
alle Kopfschüsse. Am Abend als ich mit [Kreisleiter] Waidmann über
die Toten in der Scheune sprach schätzen wir sie auf etwa 60 - 65.
Eine Zählung haben wir nicht vorgenommen, da der Anblick grauenhaft
war. Waidmann erklärte genau so wie ich, das sind Bestien, die das
gemacht haben."
(Beschuldigtenvernehmung mit Erwin Hopp am 9. 4. 1946; LG Wien Vg 1c Vr
3015/45 [3. Engerau-Prozess])
Die letzte Station der Gedenkfahrt
in Engerau war das ehemalige Lager Leberfinger.
Dieses befand sich in einem an der Donau liegenden - auch heute noch
existierenden - Ausflugsgasthaus.
Die Juden waren hier in einem großen, langen Schuppen - einem
ehemaliger Pferdestall - mit zwei Eingängen "untergebracht".
Dieser stand parallel zum Privatgebäude, aus dessen Küche
man auf die Eingänge des Schuppens sehen konnte. Im oberen Teil
des Schuppens war ein Raum, der wahrscheinlich zur Aufbewahrung von
Heu und Stroh gedient hatte.
Eines der Teillager befand sich auf dem Dachboden
der Scheune des Gasthofs Leberfinger
Ein im 2. Engerau-Prozess zu zwei Jahren Haft verurteilter
Politischer Leiter beschrieb das Lager als gemauerten
"Schupfen" mit einem Dachboden, in dem die Juden "hübsch
aufeinandergelegen" seien.
(Hauptverhandlungsprotokoll, 2. Band, 6. Tag [22. 10. 1946], S. 41; LG
Wien Vg 1c Vr 3015/45)
Der 43-jährige Kaufmann Ernö Honig aus Kisvajke
schilderte als Zeuge das Lager im Gasthaus Leberfinger folgendermaßen: "Wir schliefen dort [...] in einem
Stall mit betoniertem Boden ohne jede Unterlage und ohne Heizung, so daß
von uns, als wir Engerau verließen nur mehr [wenige] am Leben waren.
Die übrigen wurden teils bei der Arbeit erschlagen, teils starben
sie an Erschöpfung oder den Folgen von schweren Erfrierungen. Es
war uns verboten, sich zu waschen und waren wir deshalb voller Läuse
und voll von Furunkel und anderen eiternden Wunden."
Die tägliche "Verpflegung" beschrieb er so:
Sie "bestand aus schwarzem Kaffee, 300 gr Brot und 20 gr Margarine
morgens, mittags ½ Liter Rüben- oder Grützesuppe und
abends ebenfalls ½ Liter Suppe. Die Arbeit dauerte von 6 Uhr früh
bis 5 Uhr abends. [...] Wir hatten dauernd großen Hunger und schauten
daher irgend etwas zum Essen zu bekommen. Die, die das Essen in der Küche
holen gingen, suchten unter den Küchenabfällen Genießbares,
halbverfaulte Kartoffeln, Rübenstücke, und wer dabei [...] ertappt
wurde, wurde nicht nur blutig, sondern oftmals buchstäblich tot geschlagen.
(Protokoll mit Ignatz Blau am 15. 8. 1945; LG Wien Vg 1a Vr 4001/48 [2.
Engerau-Prozess])
Zum zweiten Massaker kurz vor Abmarsch im Lager Leberfinger
machte ein Gendarm des Gendarmeriepostens Hainburg, der am nächsten
Tag zusammen mit einem Polizeireservisten zufällig in das Gasthaus
Leberfinger kam folgende Angaben: "Wir gingen in das Gasthaus Leberfinger
in Engerau um dort einen warmen Kaffee zu trinken. Die Wirtin, Frau Leberfinger
sagte zu uns, heute bekommt ihr noch etwas, aber morgen nicht mehr. Denn
erstens sind die meisten Angestellten evakuiert worden und zweitens bleibe
sie nicht länger in dieser Leichenkammer. Frau Leberfinger sagte
uns nun, daß in ihrem Haus 13 erschossene Juden liegen. Wir ersuchten
sie nun uns die Leichen zu zeigen, was Frau Leberfinger mit der Bemerkung
ablehnte, sie könne so etwas Grauenvolles kein zweites Mal ansehen.
Sie sagte uns, wir sollen uns die Leichen alleine besichtigen. Wir gingen
nun in das ehemalige Stallgebäude, wo sich das Lager für die
Juden befand. Dort lagen Habseligkeiten der Juden verstreut umher. Im
Hintergrund sahen wir schon einige Leichen liegen. Die Leichen hatten
Kopfschüsse und lagen in einer Blutlache. Sämtliche Leichen
trugen den Judenstern. Im Hofraum lag auf einer Pritsche eine Leiche,
die mehrere Schüsse, teils im Kopf, teils in der Brust aufwies. Diese
Leiche war nur mit einem Hemd und einer langen Stoffhose bekleidet. Auch
in der Nähe der Latrine, die im Hofe war und eigens für die
Juden bestimmt war, lagen zwei der drei Leichen, ebenfalls durch Kopfschüsse
getötet. Der Anblick der Leichen war grauenhaft. Wir gingen noch
im Hofe umher und sprachen dann mit der Gastwirtin wie sich die Ermordung
zugetragen hat. Frau Leberfinger erzählte uns nun, daß am 29.
März 1945 (Gründonnerstag) um ca. 22 Uhr die politischen Leiter
die Juden zum Abmarsch antreten ließen. Es meldeten sich eben diese
13 Juden, daß sie krank seien und nicht marschieren können.
Darauf sagten die politischen Leiter diese 13 Juden werden später
abgeholt werden. Als nun die marschfähigen Juden aus dem Hause marschierten,
kamen schon einige politisch Leiter oder SA. Männer, die Uniformen
kenne ich nicht so genau, zum Tor herein, gingen in das Stallgebäude
wo sich die nicht marschfähigen Juden befanden und in wenigen Minuten
hörten wir schon eine wilde Schießerei sowie verzweifelte Hilferufe.
Ich konnte dies nicht anhören und lief in das Haus zurück. Weiter
Angaben konnte Frau Leberfinger nicht machen."
(Polizeiprotokoll mit dem Gendarmen Karl B. des Gendarmeriepostens Hainburg
am 13. 7. 1945; LG Wien Vg 2b Vr 564/45 [1. Engerau-Prozess])
Bereits unmittelbar nach dem Abmarsch bei den Semperitwerken
in Engerau begann eine heftige Schießerei. Die Gefangenen marschierten
auf der Deutschen Reichsstraße über Wolfsthal und Hainburg
nach Bad Deutsch-Altenburg. Um 5 Uhr morgens am Karfreitag 1945 war der
Zug in Bad Deutsch-Altenburg angekommen und lagerte am Donauufer. Bis
dahin waren mehr als 100 ungarische Juden zu Tode gekommen.
Die nächste Station der Gedenkfahrt war zwischen Wolfsthal und Hainburg.
Der "Verein zur Erforschung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen
und ihrer Aufarbeitung" plant an einer noch zu lokalisierenden Stelle
die Errichtung eines Gedenksteines für
die während des Todesmarsches umgekommenen ungarischen Juden.
Im Gedenken an die vielen Opfer wurden von mehreren TeilnehmerInnen der
Gedenkfahrt Augezeugenberichte verlesen, die in den Prozessakten des 1.
Engerau-Prozesses einliegen.
*) Protokoll aufgenommen vom Revierinspektor Johann
L. mit dem Mechanikergehilfen Florian Z. Wolfsthal
Reichsstraße Nr. 11 wohnhaft: "Jeden Tag fuhr ich mit meinem Fahrrad
von Wolfsthal die Bezirksstraße entlang zur Arbeitsstätte.
So auch am 30. März 1945 um 7 Uhr 30 Min. Zirka 200 Schritte von
Wolfsthal entfernt sah ich einen toten Juden quer über der Straße
liegen. Sm Straßengeländer hing ein grüner Mantel. Bis
zur Bahnstation Berg habe ich teils auf der Straße teils im Straßengraben
15 tote Juden liegen gesehen. Manche Leichen lagen am Rücken und
andere wieder am Bauch. Die am Rücken liegenden Leichen trugen den
Judenstern. Gegen 7 Uhr traf ich an meiner Arbeitsstätte ein und
von meinen Arbeitskameraden wurde mir mitgeteilt, daß in der vergangenen
Nacht die Juden aus den Lagern in Engerau hinausgetrieben und sehr viele
gleich erschossen wurden. Nun teilte auch ich meinen Kameraden meine Wahrnehmungen
mit, worauf mir der in Engerau wohnhafte Hilfsmagazineur Ludwig M.[...]
erwiderte dies sei noch gar nichts, das mußt dir erst in Engerau
anschauen, wie es dort aussieht. Gegen 10 Uhr 30 Min. vormittags war Fliegeralarm
und ich fuhr mit M.[...] nach Engerau und mußte tatsächlich
feststellen, daß es viel ärger war, wie auf der Straße.
An der Planke der Semperitwerke und auf der vorbeiführenden Straße
sowie am Feldweg der Reichsstraße lagen sehr viele jüdische
Leichen. Die meisten waren blutig und fürchterlich zugerichtet. Viele
bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Wieviele Leichen es waren, kann ich
nicht sagen. Mehr kann ich nicht angeben. (Wolfsthal,
am 13. 7. 1945)"
*) Protokoll des Gendarmen B.[...] mit dem Schneidermeister
Johann St.[...] Hainburg, Landstraße
2a wohnhaft: "Ich war als Hilfszollassistent des
Bezirkszollkommissariates Berg der Aufsichtsstelle Engerau, Elysium 3
zugeteilt. Die Nacht vom Gründonnerstag zum Karfreitag hatte ich
dienstfrei und schlief zu Hause in Hainburg bei meiner Familie. In der
Nacht vom 29. zum 30. März 1945 (Gründonnerstag zum Karfreitag)
hörte ich gegen 3 Uhr früh mehrere Schüsse. Ich sah sofort
zum Fenster hinaus, welches im 1. Stockwerk an der Reichsstraße
liegt. Dort sah ich wie ein Mann, vermutlich durch Erschöpfung auf
der Straße saß und von 2 SA. Männern zum Aufstehen gezwungen
wurde. Ich hörte noch wie der eine SA. Mann sagte 'Na willst', worauf
der Mann mit ziemlich erschöpfter Stimme antwortete 'ja, ja'. Im
selben Augenblicke gab der eine SA. Mann zwei Schüsse gegen den auf
der Straße sitzenden Mann ab, worauf dieser sofort auf die Erde
fiel. Der zweite SA. Mann sagte dann 'Er ist es schon, geh ma'. Die SA.
Männer gingen mit schnellen Schritten in Richtung Deutsch Altenburg
weiter. Nach ca. 10 bis 15 Minuten hörte ich aus der Richtung Deutsch
Altenburg noch mehrere Schüsse.
Ich mußte am 30. März 1945 (Karfreitag) meinen Dienst in Engerau
antreten. Als ich um ca. 6,30 Uhr zum Bahnhof kam, wurde bekanntgegeben,
daß der Zug aus Wien in Richtung Engerau unbestimmte Zeit Verspätung
habe. Ich begab mich nun zum Hauptplatz um mit dem Milchauto, welches
täglich um 7 Uhr von Hainburg nach Engerau fährt, mitzufahren.
Dort traf ich den Hauptwachtmeister der Wasserschutzpolizei Karl B.[...]
welcher ebenfalls in Engerau Dienst versah und auf dieselbe Fahrgelegenheit
wartete. Als wir uns begrüßten, kam der Spediteur Cz.[...]
mit seinem Pferdefuhrwerk aus der Richtung Deutsch Altenburg daher, die
Ladung war sehr niedrig und mit einer Plache zugedeckt, weiters wurde
das Fuhrwerk von dem Meister der Schutzpolizei Franz R.[...] der Schutzpolizeiabteilung
Hainburg begleitet. Ich selbst fragte, ob das die Leichen der erschossenen
Juden sind von heute Nacht. Herr R.[...] bejahte die Frage und sagte,
es sind drei erschossene Juden.
B.[...] und ich fuhren nun mit dem Milchauto des Z. von Hainburg nach
Engerau. Als wir za. 1/2 km fuhren, sahen wir auf der linken Straßenseite,
meist durch Genickschuß erschossene Juden liegen.
Von Hainburg bis Wolfsthal sahen wir nur auf der linken Straßenseite
erschossene Juden liegen. Von Wolfsthal bis Engerau lagen auf beiden Straßenseiten
erschossene Juden. An manchen Stellen betrug der Abstand der Leichen nur
zehn bis fünfzehn Schritte. Die meisten wurden durch Kopfschüsse
getötet, weil man bei den meisten Leichen Blut im Gesichte sah. Es
handelte sich durchwegs um Juden, da man auf der Kleidung deutlich den
Judenstern erkennen konnte. Brandstetter zählte auf der Strecke von
Hainburg bis Engerau auf der linken Straßenseite 23 und ich auf
der rechten Straßenseite der gleichen Strecke 15 erschossene Juden.
Weitere Angaben kann ich nicht machen. (Hainburg,
den 13. Juli 1945)"
*) Protokoll des Gendarmen Karl B. mit dem Steinbruchaufseher
Anton St., Hainburg, Preßburger Reichsstraße
24 wohnhaft: "Gegen ca. 3, 00 Uhr früh wurde
ich durch heftiges Geschrei, welches wieder auf der Straße war,
munter. Ich stand auf, sah zum Fenster hinaus und sah, wie [Menschen]Kolonnen
vorbeigetrieben wurden. Ich legte mich wieder zu Bett. Um 4, 45 Uhr stand
ich auf und fuhr um 5, 30 Uhr mit dem Fahrrad nach Deutsch Altenburg in
die Arbeit. Die Straßen von Hainburg waren noch leer. Als ich auf
die Landstraße zum Hause des J.[...] kam, sah ich im Rinnsaal eine
Leiche liegen. Diese Leiche wurde von dem Meister der Schutzpolizei R.[...]
und zwei Wehrmachtsangehörigen weggeschafft. Ich glaubte es handelte
sich um einen Unglücksfall. Ich setzte meine Fahrt weiter. Als ich
jedoch zum Hause 59, auf der Landstraße kam, lag dort die zweite
Leiche. Ich stieg ab und besah mir nun die Leiche genauer. Die Leiche
hatte eine Bauchlage, der Kopf ruhte auf dem abgewinkelten Oberarm. Sie
hatte einen Einschuß im Hinterhaupt, der Nacken sowie das Gesicht
war voller Blut. Ich fuhr nun weiter. Beim Hause des H.[...], Landstraße
60 sah ich die dritte Leiche in einer Blutlache liegen. Sie wies ebenfalls
einen Hinterhauptschuß auf. Ich stieg nicht ab sondern setzte meine
Fahrt weiter [sic!] und dachte mir, das ist Deutsche Kultur. Bei der sechsten
Leiche stieg ich ab. Die Leiche wies einen Genickschuß auf, die
Kopfplatte oberhalb der Stirn war eingeschlagen. Es war ein Wrack eines
Menschen, die Unterschenkel waren mit Wickelgamaschen versehen, die Stärke
der Waden war bestimmt nicht mehr als 6 cm Durchmesser. Das Schuhwerk
war zerfetzt und die Zehen sahen aus den Schuhen heraus und bewegten sich
hie und da. Zu helfen war ihm aber nicht mehr. Ich stieg wieder auf das
Fahrrad und setzte meine Fahrt in den Betrieb fort. Ich zählte insgesamt
11 Leichen auf der Strecke von Hainburg Landstraße 5 bis zur Straßenbrücke
Deutsch Altenburg. (Wolfsthal, am 13. 7. 1945)"
Schlusspunkt der Gedenkfahrt war der Friedhof
von Bad Deutsch-Altenburg, wo sich hinter dem
Karner ein "Kriegsgrab" für "11 unbekannte
Israeliten" befindet. Dieser Gedenkstein wurde bereits 1945 errichtet
und erinnert an nicht identifizierte Opfer des Todesmarsches von Engerau
nach Bad Deutsch-Altenburg sowie an Opfer des Marsches vom Lager für
ungarische Juden in Bruck/Leitha nach Bad Deutsch-Altenburg.
Auch hier wurden Kerzen angezündet und Blumen nieder gelegt.
Der Pfarrer von Bad Deutsch-Altenburg beerdigte
einige der Ermordeten auf dem Friedhof hinter dem Karner.
Das Grab wird auch heute noch gepflegt.
Die Präsidentin des "Verein zur Erforschung nationalsozialistischer
Gewaltverbrechen und ihrer Aufarbeitung" Dr. Eleonore Lappin schilderte
den letzten Abschnitt des Weges der ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiter
der Lager Engerau und Bruck/Leitha, die in Bad Deutsch-Altenburg auf zwei
Schleppschiffe verladen und nach Mauthausen transportiert wurden. Vom KZ
Mauthausen aus mussten jene, die die unvorstellbaren Strapazen, Quälereien
und Misshandlungen bis dahin überlebt hatten, unmittelbar vor Kriegsende
noch den Todesmarsch nach Gunskirchen auf sich nehmen, wo sie Anfang Mai
1945 von amerikanischen Soldaten befreit wurden.
Bericht: Claudia Kuretsidis-Haider
Fotos: W. R. Garscha
Vor dem Gedenkkomplex auf dem Friedhof Engerau: Claudia Kuretsidis-Haider
spricht zu den Kundgebungs-teilnehmerInnen