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Gedenken und Mahnen in Niederösterreich und der Steiermark.
Erinnerungszeichen zu Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung
I) Projektziele und Forschungsdesign
II) Bericht über die Erstellung der Dokumentation
III) Zusammenfassung der Forschungsergebnisse
Fallbeispiel Widerstandsgedenken
Fallbeispiel Holocaustgedenken
Fallbeispiel KZ-Gedenkstätten
Fallbeispiel Kriegsgräber der Roten Armee
Fallbeispiel Dollfuß-Gedenken in Niederösterreich
Periphere Erinnerungszeichen
Fallbeispiel Schülerinitiativen
IV) Quantitative Auswertung der Erinnerungszeichen für
Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung
Schwerpunkte der Erinnerungszeichen in
Niederösterereich
Schwerpunkte der Erinnerungszeichen in der Steiermark
V) Ausblick: Weiterführung und Abschluss der
Forschungsarbeiten, Publikation
"Gedenken und Mahnen in Niederösterreich"
- geplante Gliederung
"Gedenken und Mahnen in der Steiermark" - geplante Gliederung
Seit Anfang der 90er Jahre ist der Umgang der
österreichischen Gesellschaft mit Widerstand und Verfolgung in Form ihrer
materiellen Kristallisation als Erinnerungszeichen ein Forschungsfeld des
Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW). 1998
wurde als Endergebnis des Pilotprojekts "Gedenken und Mahnen in Wien"
eine 488-seitige Publikation über "Gedenkstätten zu Widerstand
und Verfolgung, Exil und Befreiung in Wien" vorgelegt. Dies war die erste
Erfassung von Gedenkstätten seit der von Erich Fein 1975 erstellten und
von der Arbeitsgemeinschaft der KZ-Verbände herausgegebenen Dokumentation
"Die Steine reden. Gedenkstätten des österreichischen Freiheitskampfs
- Mahnmale für die Opfer des Faschismus".
1998 begannen Mitarbeiter des DÖW mit ersten Recherchearbeiten für
"Gedenken und Mahnen in Niederösterreich und der Steiermark".
Der "Verein zur Erforschung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen
und ihrer Aufarbeitung" übernahm, in Absprache mit dem Wissenschaftlichen
Leiter des DÖW, Hon.-Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer, die Koordinierung,
Organisation und Administration der Arbeiten. Als weitere Kooperationspartner
konnten die Abteilung Zeitgeschichte der Karl-Franzens-Universität Graz
sowie das Forschungsprogramm "Orte des Gedächtnisses" an der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Kommission für Kulturwissenschaften
und Theatergeschichte) gewonnen werden. Dr. Heidemarie Uhl, Mitarbeiterin
beider Forschungseinrichtungen, fungiert als Projektleiterin.
I) Projektziele und Forschungsdesign
Projektziel ist die Darstellung sowohl der Perspektive der Erinnerungszeichen
auf die Vergangenheit als auch des zeitgeschichtlichen Kontextes der kollektiven
Erinnerung für den Zeitraum 1934 bis 1945. Kernstück der historischen
Dokumentation sollte, wie bei der "Wien-Dokumentation", die Erfassung
jener Personen und Orte sein, auf die sich das gesellschaftliche Erinnern
an Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung bezog.
Die Besonderheit von "Gedenken und Mahnen" gegenüber ähnlichen
Dokumentationen liegt vor allem in zwei Bereichen:
1. In der Recherche von biographischen Daten zu den namentlich
genannten Opfern. Durch die Angaben über Alter, Beruf, politische Aktivitäten
und erlittene Verfolgungsmaßnahmen können die Namen (oft Namenslisten)
auf den Erinnerungszeichen mit konkreten Einzelschicksalen verknüpft
werden. Die Dokumentation versteht sich somit selbst als ein "Denkmal",
wobei neben den zentralen Gedenkstätten sowie namhaften Personen das
Schicksal und der Leidensweg unzähliger, nunmehr in Vergessenheit geratener
Menschen rekonstruiert werden. Erst mit der Dokumentation von Einzelschicksalen
werden die Dimensionen der Gewaltherrschaft konkret und nachvollziehbar. Darüber
hinaus erfolgt mit der Kenntlichmachung der Stätten nationalsozialistischer
Gewaltausübung eine "Topografie des Terrors".
2. In der Dokumentation der Entstehungsgeschichte von Erinnerungszeichen
- den Daten der Errichtung, dem Verweis auf Anlass, Initiatoren und StifterInnen,
die Gestaltung der Enthüllungsfeier -, in der Wiedergabe der Textierung
von Denkmälern, Gedenktafeln und anderen Erinnerungszeichen ist es möglich,
ein differenziertes Bild der Gedächtniskultur und ihrer Entwicklungsphasen
in der Zweiten Republik nachzuzeichnen. Zudem lassen sich die Denkmäler
durch die Dokumentation des Entstehungsprozesses zeitlich einordnen und politisch
verorten; die StifterInnen, die Situierung im öffentlichen Raum etc.
ermöglichen Rückschlüsse auf den Stellenwert eines Erinnerungszeichens
und machen kenntlich, ob es sich um eine Gedenkstätte von lokalem Bezug
oder um ein für die überregionale Gemeinschaft konzipiertes Denkmal
handelt. Damit können die Dimensionen des jeweiligen Gedächtnisortes
als Schnittstelle von kommunalen, regionalen und auf den Gesamtstaat bezogenen
Gedenktraditionen transparent gemacht werden. Nicht zuletzt sind es auch die
Textierungen, aus denen sich "Sprachen der Erinnerung" und ihr Bedeutungswandel
ablesen lassen.
Analog zu den bisherigen Arbeiten des DÖW wurde als Kriterium
zur Erfassung der personenbezogenen Erinnerungszeichen die Definition des
§ 1 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes herangezogen, die lautet: "Als
Opfer der politischen Verfolgung im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Personen
anzusehen, die in der Zeit vom 6. März 1933 bis zum 9. Mai 1945 aus politischen
Gründen oder aus Gründen der Abstammung, Religion oder Nationalität
durch Maßnahmen eines Gerichtes, einer Verwaltungs- (im besonderen einer
Staatspolizei-) Behörde oder durch Eingriffe der NSDAP einschließlich
ihrer Gliederungen in erheblichem Ausmaße zu Schaden gekommen sind."
Darüber hinaus wurden aber auch, gemäß den neueren wissenschaftlichen
Erkenntnissen zu Widerstand und Verfolgung, ZwangsarbeiterInnen, Kriegsgefangene,
EmigrantInnen, Homosexuelle, "Asoziale" sowie unpolitischen Widerstandes"
bzw. von Resistenzverhalten wie Heimtücke, Wehrkraftzersetzung, Rundfunkvergehen,
erfasst. Weiters wurden Erinnerungszeichen für namhafte Politiker der
2. Republik (z. B. Alfons Gorbach, Josef Krainer sen., Leopold Figl, Adolf
Schärf, Theodor Körner, Karl Renner), die von den Nationalsozialisten
politisch verfolgt worden waren (obwohl ein Bezug dazu auf den Erinnerungszeichen
in den meisten Fällen fehlt), sowie für Personen, die - ebenfalls
Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung - auf Grund ihrer künstlerischen
Leistungen (wie z. B. Robert Stolz) durch Straßenbenennungen, Gedenktafeln
o. ä. geehrt wurden, aufgenommen.
Teaminterne Diskussionen brachten das Ergebnis, dass die zu erarbeitenden
Publikationen über eine reine Dokumentation hinausgehen und mit einer
Einbettung der empirischen Daten in eine wissenschaftliche Analyse bereichert
werden sollten. Die empirischen Daten des Grundlagenprojekts der dokumentarischen
Erfassung von Gedenkstätten zu Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung
sollten auch als Basis für eine wissenschaftliche Analyse der regionalen
Ausdifferenzierung der österreichischen Erinnerungskultur herangezogen
werden. Es wurde daher beschlossen, die Arbeit in zwei große Teilbereiche
zu gliedern:
• Recherchearbeiten und Erstellung eines Manuskripts der
Dokumentation über "Erinnerungszeichen zu Widerstand, Verfolgung,
Exil und Befreiung in Niederösterreich" bzw. "Erinnerungszeichen
zu Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung in der Steiermark"
• Auswertung, wissenschaftliche Analyse der Dokumentation
im Hinblick auf regionalspezifische Erscheinungsformen von Gedächtnisorten
und die Einbettung in den wissenschaftlichen Diskurs zur österreichischen
Gedenkkultur sowie die Fertigstellung der Publikationen (vgl. dazu Punkt V).
Die Recherchearbeiten sind nunmehr mit Jahresende 2002 zum überwiegenden
Teil abgeschlossen.
II) Bericht über die Erstellung der Dokumentation "Gedenken und
Mahnen in Niederösterreich und der Steiermark. Erinnerungszeichen zu
Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung"
"Gedenken und Mahnen in Niederösterreich und der Steiermark"
gliedert sich in folgende Arbeitsphasen:
a) regionale Erhebungsarbeit vor Ort = Recherchearbeiten
Diese beinhaltete die Erfassung und das Fotografieren der Erinnerungszeichen,
die Durchsicht regionaler periodischer Druckschriften sowie den Kontakt mir
regionalen Behörden und Kultureinrichtungen.
Die Erfassung der Erinnerungszeichen erfolgte in mehreren Arbeitsschritten:
*) "Zeilen-identes" Abschreiben des Textes und Fotografieren des
Erinnerungszeichens
*) Darstellung der einzelnen Erinnerungszeichen, gegliedert in zwei Unterabschnitte:
1. Abschnitt:
› Form des Gedenkens (Gedenktafel, Mahnmal, Stele,
Büste, Verkehrsfläche, Wohnhausanlage, Grabstätte)
› Inschriften
› StifterIn
› GestalterIn der Gedenkstätte
› Datum und Ablauf der Enthüllungs- bzw. Benennungsfeier.
2. Abschnitt:
biografische Angaben über Widerstand bzw. Verfolgung
der genannten Personen: Geburtsdatum, Art des Widerstandes und der Verfolgung,
Todesdatum und Todesart; bei Überlebenden deren weiteres Schicksal
Zur Erhebung dieser Angaben waren folgende Arbeitsschritte erforderlich:
*) Kontaktaufnahme mit örtlichen Behörden zur Eruierung von Erinnerungszeichen
(Gemeindeämter, Pfarrämter, Museen und andere Institutionen)
*) wenn nötig Recherche vor Ort über die auf den Erinnerungszeichen
angeführten Personen
*) Durchsicht von lokalen Zeitungen im Hinblick auf Stifter, Enthüllungsfeierlichkeiten
etc.
b) wissenschaftliche Beratung der Kollegen, die die regionalen
Basisarbeiten durchführten,
Koordinierung der Recherchearbeiten, EDV-mäßige Texterfassung,
wissenschaftliche Begleit-Recherchen, Fotodokumentation
Die Zusammenarbeit mit den Gemeinden, Pfarren und politischen
Parteien im Zuge der Recherchearbeiten war von unterschiedlichem Erfolg gekennzeichnet.
In manchen Fällen wurde großes Entgegenkommen gezeigt, in anderen
Fällen riefen Anfragen zu Erinnerungszeichen keinerlei Reaktionen hervor.
Kulturbeauftragte, MuseumsleiterInnen, HeimatforscherInnen und Archivangestellte
waren zusätzliche wichtige Ansprechpartner. Insbesondere in den Stadtarchiven
fand sich wertvolles Hintergrundmaterial, das die bereits vorhandenen Unterlagen
oft vervollständigte und manchmal auch neue, zusätzliche Informationen
brachte.
Als ergänzende Quellen, insbesondere für die biografische Darstellung,
wurden vor allem die Bestände des DÖW herangezogen: die Akten der
Opferfürsorgestellen, die "KZ-Verbandsakten", die Datenbank
"Namentliche Erfassung der österreichischen Holocaustopfer"
und die Spezialsammlung "Erzählte Geschichte", in der lebensgeschichtliche
Interviews mit Personen, die während des NS-Regimes Widerstand leisteten
bzw. Verfolgungen ausgesetzt waren sowohl in Abschrift als auch als Tonbandkassette
dokumentiert sind. Weitere Informationen fanden sich in der DÖW-Dokumentation
"Widerstand und Verfolgung in Niederösterreich". Für die
Steiermark bereitet das DÖW eine ebensolche Publikation vor, wobei auf
das bereits dafür gesammelte Material zurückgegriffen werden konnte.
Für Hinweise auf die Errichtung von Erinnerungszeichen, auf Enthüllungsfeierlichkeiten
etc. wurden - neben diversen lokalen Tageszeitungen und Zeitschriften - Beiträge
in Zeitungen und Zeitschriften der Widerstands- und Opferorganisationen herangezogen:
"Der Freiheitskämpfer. Organ der Kämpfer für Österreichs
Freiheit" (Hrsg. ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten), "Der
neue Mahnruf. Zeitschrift für Freiheit, Recht und Demokratie" (Hrsg.
Bundesverband österreichischer Widerstandskämpfer und Opfer des
Faschismus - KZ-Verband), "Der sozialistische (sozialdemokratische) Kämpfer"
(Hrsg. Bund sozialistischer [sozialdemokratischer] Freiheitskämpfer und
Opfer des Faschismus). Die alliierten Kriegsgräberanlagen sind in einer
Dokumentation des Schwarzen Kreuzes aus dem Jahr 2000 zu finden.
III) Zusammenfassung der Forschungsergebnisse
Folgende Merkmale der niederösterreichischen und der steirischen
Gedächtnislandschaft lassen sich als erste Ergebnisse der Recherchearbeiten
feststellen:
Obwohl die Eruierung des Enthüllungsdatums eines Erinnerungszeichens
oder der Gemeinderatsbeschluss zur Benennung einer Verkehrsfläche oft
sehr schwierig war und sich in vielen Fällen auch nicht herausfinden
lässt (zahlreiche Gemeinden können - oder wollen - keine Auskünfte
darüber geben), kann man dennoch bezüglich des zeitlichen Verlaufs
der Zeichensetzung eine Entwicklung feststellen, die das von Heidemarie Uhl
in der Publikation "Todeszeichen. Zeitgeschichtliche Denkmalkultur"
(hg. gemeinsam mit Stefan Riesenfellner) über "Denkmäler zur
Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und an
die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs in Graz und in der Steiermark"
erstellte Phasenmodell bestätigt. Mehr als die Hälfte aller Erinnerungszeichen
wurde im Zeitraum von 1945 bis 1955 errichtet. Danach sinkt die Anzahl stark
ab, und beginnt erst mit dem "Ge- und Bedenkjahr 1988" wieder anzusteigen,
wobei nunmehr die Initiative zur Zeichensetzung immer wieder auch durch schulische
Projekte ergriffen wird.
Im folgenden sollen einige exemplarische Fallbeispiele regionale bzw. lokalen
Ausdifferenzierungen der Gedächtniskultur veranschaulichen.
=> Fallbeispiel Widerstandsgedenken
In größeren Städten bzw. Industrieregionen sowie
in urban geprägten Kommunen dominierte der sozialdemokratisch bzw. kommunistisch
organisierte und der individuelle Widerstand. Dies spiegelt sich in der Zeichensetzung
wider. Denkmäler, die zum Gedenken an sozialdemokratische oder kommunistische
WiderstandskämpferInnen errichtet wurden, finden sich daher hauptsächlich
in zahlreichen Orten des Industrieviertels entlang der Südbahnstrecke
und in der Mur - Mürz - Furche sowie in Amstetten, Korneuburg, St. Pölten,
Wilhelmsburg und Graz.
Besonders hervorzuheben im Zusammenhang mit einer sozialdemokratischen (bzw.
in der ersten Nachkriegszeit auch kommunistischen) Gedächtniskultur ist
die Industriestadt Kapfenberg, wo von 1945 bis heute eine Kontinuität
der Benennung von Verkehrsflächen nach WiderstandskämpferInnen sowie
nach steirischen Februarkämpfern besteht.
So erhielt eine Verkehrsfläche im Gedenken an die Ereignisse des Bürgerkrieges
am 12. Februar 1934 am 24. Jänner 1947 die Bezeichnung "12. Februarstraße".
Bereits am 7. Juni 1945 beschloss der Kapfenberger Gemeinderat, Straßen
nach dem Elektrotechniker Anton Buchalka, dem Schmied Anton Mühlbacher,
dem Bauarbeiter und Politiker Koloman Wallisch und dem Arbeiter Otto Hauberger
zu nennen.
Anton Buchalka, bereits im "Ständestaat" aufgrund seiner Beteiligung
an den Februarkämpfen 1934 zu einem Jahr Kerker verurteilt, ist nach
einem Todesurteil des nationalsozialistischen Volksgerichtshofes im Juli 1941
in Berlin-Plötzensee hingerichtet worden, weil er im Raum Mürzzuschlag
- Leoben - Eisenerz eine kommunistische Widerstandsgruppe aufgebaut hatte.
Anton Mühlbacher wurde im April 1943 wegen "organisatorischen und
agitatorischen kommunistischen Hochverrat" zum Tode verurteilt und drei
Monate später in Wien hingerichtet.
Koloman Wallisch war 1918/19 Mitglied des Arbeiterrates in Szeged (Ungarn)
und Abgeordneter des Rätekongresses. Nach der Niederschlagung der Räterepublik
floh er über Maribor/Marburg in die Steiermark. Hier wirkte er u. a.
als Gemeinderat in Bruck/Mur, als Mitglied des steirischen Landtages (1924
- 1934), als Landesparteisekretär der Sozialdemokratischen Partei Steiermarks
und als Abgeordneter zum Nationalrat (1930 - 1934). Wallisch war am Aufbau
des Republikanischen Schutzbundes führend beteiligt und zwischen 1928
und 1933 Brucker Bezirkskommandant des Schutzbundes. Im Zuge des Bürgerkrieges
im Februar 1934 verhaftet, wurde er von einem Standgericht des Dollfuß-Regimes
zum Tode verurteilt und am 19. Februar 1934 in Leoben hingerichtet. Am 26.
9. 1945 ist in Kapfenberg noch eine weitere Verkehrsfläche nach ihm benannt
worden.
Otto Hauberger war führendes Mitglied einer kommunistischen Widerstandsgruppe
bei Böhler, die der Sabotage verdächtigt wurde. Bei seiner Verhaftung
im April 1944 unternahm er einen Fluchtversuch. Angeblich soll er sich im
Mai 1944 in seiner Zelle erhängt haben.
Am 30. November 1955 beschloss der Kapfenberger Gemeinderat, weitere Verkehrsflächen
nach Widerstandskämpfern zu benennen:
Der Malergehilfe Anton Paar, Mitglied des Republikanischen Schutzbundes, starb
bei den Februarkämpfen am so genannten "Jägereck" nahe
dem Kapfenberger Schlossberg.
Der Schweißer Hans Roch war bis 1934 Sozialdemokrat, Mitglied des Republikanischen
Schutzbundes und an den Kämpfen im Februar 1934 beteiligt. 1939 arbeitete
er am Neuaufbau der KPÖ in Kapfenberg mit, verteilte Flugschriften und
sammelte Unterstützungsgelder. Im Februar 1941 wurde er zu 6 Jahren Kerker
verurteilt. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wollte er im Juni 1945
als Hilfsgendarm einen Diebstahl verhindern und ist irrtümlich von einem
sowjetischen Soldaten niedergeschossen worden.
Die Bezugnamen in der Gedächtniskultur von Kapfenberg beziehen sich nicht
nur auf die regionale Ereignisgeschichte. In einigen Straßenbenennungen
werden namhafte Persönlichkeiten aus dem Bereich der österreichischen
Gewerkschaftsbewegung gewürdigt (wobei die Dimension des Widerstands
gegen "Ständestaat" und NS-Regime wohl nur einen Aspekt für
die Auswahl dieser "denkwürdigen" Personen darstellte), in
den letzten Jahren auch bekannte österreichische Widerstandskämpferinnen:
Am 12. Februar 1960 wurde eine Straße nach dem ein Jahr zuvor verstorbenen
Gewerkschafter Johann Böhm benannt. Dieser war 1927 Wiener Gemeinderat
und zwischen 1930 und 1934 Abgeordneter zum Nationalrat. Nach dem Bürgerkrieg
1934 sowie 1944 ist er aus "politischen Gründen" festgenommen
worden. 1945 begründete er den überparteilichen Österreichischen
Gewerkschaftsbund mit und fungierte als dessen erster Präsident..
Am 26. März 1982 wurde eine Wohnhausanlage nach dem kurz zuvor verstorbenen
Karl Maisel benannt. Der Maschinenschlosser Maisel war nach dem Bürgerkrieg
1934 bei den Revolutionären Sozialisten und den Freien Gewerkschaften
tätig gewesen und wurde deshalb auch 1934 und 1937/38 inhaftiert. 1939
bis 1940 im KZ Buchenwald angehalten, ist er 1944 nach dem Attentat auf Hitler
erneut aus "politischen Gründen" festgenommen worden. Im April
1945 begründete er die Gewerkschaft Metall, Bergbau und Energie mit und
wurde ihr Obmann. Von 1948 bis 1959 war Maisel Vizepräsident des ÖGB,
von 1956 bis 1964 Präsident der Arbeiterkammer Wien und von Dezember
1945 bis 1956 Minister für soziale Verwaltung.
Im April 1994 beschloss der Kapfenberger Gemeinderat die Benennung eines Platzes
nach der zwei Monate zuvor verstorbenen Rosa Jochmann. Sie war in der Gewerkschaftsbewegung
und der Sozialdemokratie aktiv und wurde 1933 in den Parteivorstand gewählt.
Nach dem Bürgerkrieg im Februar 1934 gehörte Jochmann der Führung
der Revolutionären Sozialisten an und setzte ihre politische und antifaschistische
Arbeit unter dem Decknamen "Josefine Drechsler" fort. Am 22 August
1939 von der Gestapo verhaftet, wurde sie im März 1940 in das KZ Ravensbrück
überstellt. Nach der Befreiung 1945 bekleidete sie mehrere Funktionen
in der SPÖ und war jahrzehntelang Vorsitzende des Bundes sozialistischer
Freiheitskämpfer und Opfer des Faschismus.
Im Jahr 2000 beschloss der Gemeinderat die Benennung weiterer öffentlicher
Plätze nach antifaschistischen WiderstandskämpferInnen: eine Gasse
trägt seit dem 10. Februar den Namen der Witwe von Koloman Wallisch und
sozialdemokratischen Politikerin Paula Wallisch, eine weitere seit dem 29.
Juni jenen der nach Großbritannien emigrierten sozialistischen Sozialpsychologin
Maria Jahoda. Am 11. Dezember wurde eine Wohnhausanlage nach der kommunistischen
Architektin Margarthe Schütte-Lihotzky-Siedlung benannt.
=> Fallbeispiel Holocaustgedenken
Wie schon Heidemarie Uhl nachweist, hatte die Vertreibung und
Ermordung der Juden und Jüdinnen jahrzehntelang nur eine marginale öffentliche
Präsenz - vorwiegend auf Friedhöfen - gestiftet in den meisten Fällen
von der Israelitischen Kultusgemeinde. Erst seit den späten 80er Jahren
- verbunden mit dem Paradigmenwechsel in der österreichischen Geschichtsschreibung
weg von der "Opferrolle" hin zu einem "Opfer-Täter-Diskurs"
- ist eine verstärkte Zeichensetzung in Richtung "Holocaust -Gedenken"
feststellbar.
Dies zeigt sich beispielsweise auf dem jüdischen Friedhof in Krems, wo
auf Initiative des Historikers Robert Streibel von der Stadt Krems, dem Land
Niederösterreich und privaten Spendern ein 50 Meter langes Stahlband
mit 129 Namen Kremser jüdischer Opfer des Holocaust mit Datum und Ziel
ihrer Deportation errichtet und im November 1995 enthüllt wurde.
Zur Zeit des Nationalsozialismus sind in Krems alle Juden und Jüdinnen
vertrieben und ermordet worden. Heute existiert in dieser Stadt keine jüdische
Gemeinde mehr. Der niederösterreichische Künstler Hans Kupelwieser
legte anlässlich der Feier "1000 Jahre Krems" als Zeichen des
Gedenkens eine "Erinnerungsspur" mit den 129 Namen und Lebensdaten
aller umgekommenen und verstorbenen jüdischen BürgerInnen. Diese
repräsentieren den Forschungsstand zum Zeitpunkt der Errichtung des Erinnerungszeichens.
Mit Hilfe der im Zuge des DÖW-Projekts "Namentliche Erfassung der
Holocaustopfer" erstellten Datenbank konnten im Rahmen des Projekts "Gedenken
und Mahnen" die Daten nunmehr teilweise ergänzt bzw. verifiziert
werden.
Im Juli 1999 wurde im Rahmen der Eröffnung der 9. internationalen Sommerakademie
eine vom Institut für die Geschichte der Juden in Österreich initiierte
und von Martha Keil und Renate Stockreiter gestaltete Gedenkinstallation für
die ermordeten St. Pöltner Juden und Jüdinnen vom St. Pöltner
Kulturstadtrat enthüllt. Diese enthält die Namen und teilweise Fotos
der ermordeten St. PöltnerInnen, ein beschädigtes Gebetbuch, das
ein damals 18-jähriger Mann im Zuge des Novemberpogrom 1938 an sich genommen
hatte und nach 60 Jahren dem rechtmäßigen Besitzer wieder zurückgegeben
hat sowie ein Fragment eines im Zuge des Novemberpogroms zerstörten Synagogenfensters.
=> Fallbeispiel KZ-Gedenkstätten
Auch der Bezug zum Gedächtnisort Mauthausen ist in Niederösterreich
und der Steiermark präsent mit seinem verzweigten System an Lagern für
ZwangsarbeiterInnen, Nebenlagern des KZ Mauthausen und Orten, an denen Massaker
an Menschen, die sich auf Evakuierungsmärschen in das Konzentrationslager
Mauthausen befanden ("Todesmärsche"), verübt worden waren
(z. B. an ungarischen Juden und Jüdinnen in Bad Deutsch-Altenburg, Göstling,
Hofamt/Priel, Randegg in Niederösterreich sowie Eisenerz oder Trautmannsdorf
in der Obersteiermark). Exemplarisch seien hier jeweils ein Beispiel für
die Steiermark und ein Beispiel für Niederösterreich angeführt:
Im steirischen Bretstein wurde am 27. Juni 1998 in der Bretsteingrabenstraße
(gegenüber dem Gehöft Stockerhube) beim einem bestehenden Gedenkstein
(einem Felsen, in dem ursprünglich ein deutscher Stahlhelm mit Hakenkreuz
und SS-Zeichen eingemeißelt, die NS-Zeichen 1996 aber entfernt worden
waren) eine Gedenktafel angebracht. Rund 100 Meter vor dem Gedenkstein befand
sich eines der ersten Nebenlager des KZ Mauthausen. Im Sommer 1939 hatte die
"Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung GmbH"
- ein SS-eigener Wirtschaftsbetrieb - im Bretsteintal drei Bergbauernhöfe
erworben, um dort Schafzuchtversuche durchzuführen. Zur Verbesserung
der Erreichbarkeit sollte die Bretsteinstraße weiter gebaut werden.
Bereits seit 1939 waren dafür Kriegsgefangene eingesetzt worden, ab 1.
September 1940 auch KZ-Häftlinge. Die "Unterbringung" erfolgte
bis zum 26. Juni 1943 in vier Häftlingsbaracken. Im Rahmen eines Schulprojekts
wurde im Sommer 2002 die ehemalige Verbindungsstiege zwischen SS-Baracken
und den Lagerbaracken freigelegt. Diese wird derzeit saniert und in die Gedenkanlage
"KZ Bretstein" einbezogen. Am 27. Juni 1998 ist anstelle der alten
Tafel eine neue Gedenktafel für die Opfer des KZ Außenlagers mit
der Inschrift "Zum Gedenken an die im Weltkrieg 1939-1945 // ums Leben
gekommenen fünf spanischen // und zwei bayrischen Schutzhäftlinge"
angebracht worden.
Am Schießstattweg in Melk befindet sich die KZ-Gedenkstätte für
das ehemalige Außenlager des KZ Mauthausen: Vom 21. April 1944 bis zum
15. April 1945 existierte auf dem Gebiet der Freiherr-von-Birago-Kaserne das
Konzentrationslager Melk (Deckname "Quarz"). Mit 14.000 Häftlingen
aus zahlreichen europäischen Ländern, die im nahe gelegenen Stollen
in Roggendorf für die unterirdische Produktion des Steyr-Konzerns (Kugellagerfertigung)
eingesetzt wurden, war es das drittgrößte Außenlager des
KZ Mauthausen. Innerhalb eines Jahres starben im KZ Melk 4.801 Menschen -
mehr Menschen als die Stadt Melk Einwohner hatte. Weitere 1.400 KZ-Häftlinge
wurden als krank und arbeitsunfähig ins KZ Mauthausen zurückgeschickt,
die dort größtenteils umgekommen sind oder ermordet wurden.
Am Eingang der Gedenkstätte befindet sich ein Gedenkstein mit Informationen
über das ehemalige Lager, der im März 1963 durch Landeshauptmann
Leopold Figl enthüllt worden ist. Am Weg zum ehemaligen Krematorium steht
jeweils ein Gedenkstein für die tschechischen und slowakischen Opfer,
die im Mai 1968 bzw. 1969 im Rahmen der Befreiungsfeier enthüllt worden
waren. Mitte der 70er Jahre erfolgte die Anbringung einer Gedenktafel für
die polnischen Opfer. 1987 wurde am selben Weg ein Gedenkstein für die
jugoslawischen Opfer enthüllt. Ein weiterer Gedenkstein erinnert an die
französischen Opfer.
Im ehemaligen Krematorium ist ein Gedenkraum eingerichtet. Im Hauptraum befinden
sich zahlreiche Gedenktafel und der erhalten gebliebene Verbrennungsofen.
Bereits 1951 wurde hier eine Gedenktafel mit der Inschrift "In Memoriam
// Tausende Männer aus ganz Europa // Gegner des Faschismus wurden an
// dieser Stätte vom Hitler Regime in // den Jahren 1944 und 1945 bestialisch
// ermordet // ihre Asche wurde in pietätloser // Weise in alle Winde
verstreut" enthüllt, 1963 erfolgte die Anbringung einer Gedenktafel
für die jüdischen Opfer. 1998 stifteten die Niederlande eine Gedenktafel
ihre Opfer. In vier weiteren Räumen wird auf Schautafeln die Geschichte
des KZ Melk und seiner Häftlinge dargestellt.
Die niederösterreichische Landesregierung wollte nach 1945 das Krematorium
abreißen, ehemalige KZ-Häftlinge konnten dies verhindern. Am 8.
Mai 1992 - im Rahmen der jährlichen Befreiungsfeiern der Lagergemeinschaft
Mauthausen - wurde die 1962 errichtete und nunmehr von Sigrid Augeneder und
Klaus Tatto nach einem Konzept von Bertrand Perz neu gestaltete und adaptierte
Gedenkstätte eröffnet, die sowohl die wirtschaftlichen Hintergründe,
welche zur Errichtung dieses Lagers geführt haben, als auch das Leben,
Leiden und Sterben der Häftlinge zeigt. Den Gedenkraum stifteten das
Bundesministerium für Inneres, das Bundesministerium für Unterricht
und Kunst, das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, die
Umdasch AG (Amstetten) und die VOEST Alpine Stahl AG (Linz).
=> Fallbeispiel Kriegsgräber der Roten Armee
Insbesondere in Niederösterreich finden sich häufig
"Kriegsgräberanlagen der Roten Armee" zum Gedenken an gefallene
sowjetische Soldaten im Zuge der Befreiung Österreichs 1945.
Die größten sowjetischen Kriegsgräberanlagen gibt es in Baden
(neben dem Ortsfriedhof) mit 579 Bestatteten, in Melk (nahe dem Friedhof an
der B 1 Richtung St. Pölten) mit 399 Bestatteten, in Neulengbach (neben
dem Ortsfriedhof) mit 506 Bestatteten, in St. Pölten (neben dem Hauptfriedhof)
mit 390 Bestatteten und in Wiener Neustadt (im Friedhof an der Wienerstraße
108) mit 952 Gräbern.
=> Fallbeispiel Dollfuß-Gedenken in Niederösterreich
Eine spezielle Form des Gedenkens - vor allem in Niederösterreich
- stellen die Zeichensetzungen für den Bundeskanzler der "Ständestaates"
Engelbert Dollfuß (insbesondere im Wald- und im Mostviertel) dar. In
manchen Gemeinden wurden zeitgenössische Gedenktafeln, die 1938 im Zuge
der nationalsozialistischen Machtübernahme entfernt worden waren, nach
1945 wieder angebracht (z. B. Weinpolz / Bezirk Waidhofen an der Thaya), in
einem anderen Fall eine neue Gedenktafel angefertigt und eine (wenn auch inoffizielle)
Platzbenennung vorgenommen (Kattau / Bezirk Horn). In der Friedhofskirche
in Niklasberg / Bezirk Waidhofen an der Thaya befindet sich das so genannte
"Dollfußfenster", ein zeitgenössisches farbiges Mosaikfenster
mit Erinnerungsmotiven an Dollfuß. Auf zahlreichen Kriegerdenkmälern
wird ebenfalls auf Dollfuß Bezug genommen. Entweder wurde der Name Dollfuß
als letzter Gefallener des Ersten Weltkrieges eingemeißelt (z. B. Maiersch
/ Bezirk Horn) oder eine (Zusatz-)Gedenktafel am Kriegerdenkmal angebracht
(z. B. Neukirchen / Bezirk Horn).
=> Periphere Erinnerungszeichen
Opfergruppen wie die Sinti und Roma oder die Euthanasieopfer
sind so gut wie gar nicht in der niederösterreichischen und steirischen
Gedächtnislandschaft vorhanden.
Eines dieser seltenen Beispiele, zugleich ein Indikator für das Fehlen
einer öffentlichen Würdigung, ist das private Grabdenkmal für
die Sintifamilien Weinrich und Fojn am St. Ruprecht-Friedhof in Bruck an der
Mur (Abteilung 4 / Reihe 2 /Grab 2). Die beiden Familien haben das Grab 1937
erworben. Wilhelm, Rupert und Eckart Fojn starben 1941 im KZ Mauthausen durch
Genickschuss. Wilhelm, Auguste, Rudolf und Josef Weinrich sind im August 1942
im Ghetto Litzmannstadt (Lodz) umgekommen
In der Prosektur der Niederösterreichischen Landesnervenklinik in Mauer
ist "Zum Gedenken // an alle verstorbenen Patienten // des Krankhauses
// besonders an die Opfer // der Jahre 1940-1945" vom Land Niederösterreich
eine Gedenktafel gestiftet und im November 1980 enthüllt worden. Im Zeitraum
1940 bis 1945 sind einige hundert PatientInnen (die genaue Zahl ist bis heute
unbekannt) in der psychiatrischen "Heil- und Pflegeanstalt Mauer-Öhling"
im Zuge der NS-Euthanasie, weitere Personen in den letzten Kriegstagen von
der SS ermordet worden.
Bemerkenswert ist, dass sich eine große Anzahl von Erinnerungszeichen
- oft in Form von Gräbern - auf Friedhöfen befindet. In manchen
Fällen sind die entsprechenden Gräber größer und gut
gepflegt, vielfach liegen sie aber auch unscheinbar am Rand, und manchmal
entpuppt sich ein fast gänzlich verwitterter und von Büschen zugewachsener
Stein als "Kriegsgrab", in dem auch KZ-Häftlinge begraben liegen.
Allerdings ist der Friedhof kein Ort, an dem Öffentlichkeit inszeniert
wird. Denkmäler für die Opfer des Faschismus auf Friedhöfen
verschwinden daher im allgemeinen Totengedenken, und oftmals wissen nicht
einmal langjährige FriedhofsbesucherInnen, wo sich ein "KZ-Grab"
befindet.
Auch andere Erinnerungszeichen liegen peripher, was u. a. damit zusammenhängt,
dass sie die Stelle der NS-Verbrechen markieren, die meist außerhalb
der Ortschaften verübt worden waren. Diese sind geographisch bisweilen
schwer zu verorten, da sie in der Regel keine "Adresse" besitzen,
und stehen damit im krassen Gegensatz zu den klassischen Kriegerdenkmälern,
die sich in der Regel im Zentrum eines Ortes befinden und daher leicht auffindbar
sind.
=> Fallbeispiel Schülerinitiativen
Seit dem "Bedenkjahr" 1988 werden in verstärktem
Maße Initiativen von SchülerInnen zur Errichtung oder Erhaltung
von Erinnerungszeichen gesetzt. Stellvertretend sei hier das Bundesgymnasium
und Bundesrealgymnasium Klosterneuburg (Buchberggasse 31) genannt. Am 10.
Mai 1990 enthüllte hier Bundespräsident Kurt Waldheim in der Aula
eine auf Initiative von Dr. Herbert Crammer und der Schulgemeinschaft des
BG/BRG Klosterneuburg gestiftete Gedenktafel für den an dieser Schule
wirkenden Augustiner Chorherrn Roman Karl Scholz. Scholz war Gründer
der Widerstandsgruppe "Österreichische Freiheitsbewegung",
wurde am 22. Juli 1940 von der Gestapo verhaftet und am 23. Februar 1944 vom
Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Seine Hinrichtung erfolgte am 10. Mai
1944 im Landesgericht Wien.
IV) Quantitative Auswertung der Erinnerungszeichen für
Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung
1. Niederösterreich
Für Niederösterreich lassen sich folgende Schwerpunkte
der Zeichensetzung feststellen:
(1) Kommunistischer [10 %] und (2) Sozialdemokratischer Widerstand
[7 %] (dazu zählen auch die Schlagworte Februar 1934, Arbeiterbewegung,
Gewerkschaft)
(3) Konservativer Widerstand [1,5 %]
(4) Militärischer Widerstand [0,5 %]
(5) Widerstand allgemein [4 %]
(6) Juden und Jüdinnen, Holocaust [11 %]
(7) ZwangsarbeiterInnen [5 %]
(8) Opfer in Nebenlagern des KZ Mauthausen [6 %]
(9) Opfer von Endphaseverbrechen (ZivilistInnen, Todesmärsche, Standgerichte,
Massaker: z. B. die Ermordung von bereits entlassenen Gefangenen des Zuchthauses
Stein im April 1945) [7 %]
(10) Euthanasieopfer [0,5 %]
(11) "Restituta-Gedenken" (Erinnerungszeichen für die 1998
selig gesprochene Ordensschwester Helene "Restituta" Kafka, die
1943 wegen "landesverräterischer Feindbegünstigung und Vorbereitung
zum Hochverrat" zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde) [2,5 %]
(12) Kirchlicher Widerstand (Klerus, Geistliche, Ordensleute) [3 %]
(13) Kriegsende allgemein [1 %]
(14) Kriegsgräber der Roten Armee [19 %]
(15) KünstlerInnen, PolitikerInnen [10 %] (Insbesondere Verkehrsflächen
in größeren Orten wurden und werden nach bekannten Persönlichkeiten
des öffentlichen Lebens benannt. In den meisten Fällen geht die
Art des Widerstandes oder der Verfolgung nicht aus dem Erinnerungszeichen
hervor. Für Niederösterreich ist die Erfassung noch nicht zur Gänze
abgeschlossen, es ist hier mit einer ähnlichen Gewichtung wie in der
Steiermark zu rechnen.)
(16) "Dollfuß-Gedenken" [4 %]
(17) Deserteure, Wehrmachtsangehörige, SS [1 %]
(18) Allentsteig (Gedenken an die BewohnerInnen der Ortschaft Döllersheim,
die im Zuge der Errichtung des Truppenübungsplatzes Allentsteig ausgesiedelt
wurden) [1 %]
(19) Allgemeines Gedenken an die Opfer des Faschismus [4 %]
(20) Nicht zuordenbare Erinnerungszeichen [2 %]
Im "Industrieviertel" ist eine Konzentration von Erinnerungszeichen
zum Gedenken an kommunistische und sozialdemokratische WiderstandskämpferInnen,
des "Restituta-Gedenkens" und von "Kriegsgräberanlagen
der Roten Armee" festzustellen. Im "Mostviertel" finden sich
Zeichensetzungen für Juden und Jüdinnen bzw. im Gedenken an die
Opfer des Holocaust (auch ungarische Juden und Jüdinnen), ist der Bezug
zum Ort Mauthausen präsent; weiters existieren zahlreiche Erinnerungszeichen
zum "Dollfuß-Gedenken". Dies gilt auch für das "Waldviertel".
Zudem fand hier das "Stein-Massaker" seinen Niederschlag in der
Gedächtnislandschaft. Im "Weinviertel" sind bis auf die Existenz
zahlreicher "Kriegsgräberanlagen der Roten Armee" keine spezifischen
Schwerpunkte feststellbar.
Insgesamt konnten bis jetzt 365 Gedächtnisorte eruiert werden, an denen
449 Zeichen der Erinnerung gesetzt wurden. Obwohl die Eruierung der Verkehrsflächen
noch nicht ganz abgeschlossen ist, zeigt die prozentuelle Zuordnung der einzelnen
Kategorien von Erinnerungszeichen die Schwerpunktsetzung in der Gedächtnislandschaft
Niederösterreich, nämlich eine Dominanz der zum überwiegenden
Teil von der sowjetischen Besatzungsmacht errichteten Kriegsgräberanlagen
für die im Zuge der Befreiung Österreichs gefallenen Soldaten der
Roten Armee, eine große Anzahl von Erinnerungszeichen für WiderstandskämpferInnen
der Arbeiterbewegung, die überwiegend in den ersten Nachkriegsjahren
errichtet worden waren, eine in den letzten Jahren ansteigende Anzahl von
Gedächtnisorten für die Opfer des Holocaust sowie eine große
Zahl von Erinnerungszeichen für Politiker und Künstler (zumeist
in Form von Benennungen von Verkehrsflächen), die zwar zwischen 1934
und 1945 Opfer politischer und / oder rassischer Verfolgung gewesen sind,
deren Würdigung aber nicht explizit darauf bezug nimmt.
2. Steiermark
Für die Steiermark lassen sich folgende Schwerpunkte der
Zeichensetzung feststellen:
(1) Kommunistischer [6 %] und (2) Sozialdemokratischer Widerstand
[9 %] (dazu zählen auch die Schlagworte Februar 1934, Arbeiterbewegung,
Gewerkschaft)
(3) Konservativer Widerstand [0,5 %]
(4) Militärischer Widerstand [0,6 %]
(5) Partisanen [3 %]
(6) Widerstand allgemein [5 %]
(7) Juden und Jüdinnen, Holocaust [11%]
(8) ZwangsarbeiterInnen [1,5 %]
(9) Opfer in Nebenlagern des KZ Mauthausen [2 %]
(10) Opfer von Endphaseverbrechen (ZivilistInnen, Todesmärsche) [2 %]
(11) Euthanasieopfer [0,4 %]
(12) "Restituta-Gedenken" [0,2 %]
(13) Kirchlicher Widerstand (Klerus, Geistliche, Ordensleute) [6 %]
(14) Kriegsende allgemein [0,6 %]
(15) Alliierte Kriegsgräber [5 %]
(16) KünstlerInnen, PolitikerInnen, WissenschafterInnen [38 %]
(17) "Dollfuß-Gedenken" [0,6 %]
(18) Deserteure, Wehrmachtsangehörige [0,4 %]
(19) Allgemeines Gedenken an die Opfer des Faschismus [4%]
(20) Erinnerungszeichen, die vor 1938 errichtet wurden [2 %]
(21) Sinti und Roma [0,2 %]
(22) Nicht zuordenbare Erinnerungszeichen [2%]
Der überproportionale Anteil der Kategorie "KünstlerInnen,
PolitikerInnen" rührt daher, dass in zahlreichen Orten - insbesondere
in der Süd- und Oststeiermark sowie im politischen Bezirk Graz-Umgebung
- Verkehrsflächen, aber auch öffentliche Gebäude (Schulen)
und Anlagen nach dem ehemaligen Landeshauptmann Dr. Josef Krainer benannt
sind. Für ihn sowie andere Politiker der Nachkriegszeit (etwa Dr. Alfons
Gorbach oder verschiedene Bürgermeister) wurden Erinnerungszeichen in
den meisten Fällen im Hinblick auf ihre Verdienste aufgrund der politischen
Tätigkeit nach 1945 gesetzt, nicht wegen ihrer politischen Verfolgung
oder ihres geleisteten Widerstandes.
Dr. Josef Krainer beispielsweise wuchs in Kobenz bei Knittelfeld auf, wo er
1921 den Ortsverband der christlich-sozialen Land- und Forstarbeiter gründete,
dessen Landesverband er in Graz ab 1927 vorstand. Nach dem Verbot der Sozialdemokratischen
Partei und deren Ausschaltung aus den öffentlichen Ämtern wurde
er 1934 steirischer Arbeiterkammerpräsident. Nach dem "Anschluss"
1938 war Krainer drei Wochen inhaftiert und aller Funktionen enthoben, weshalb
er in der Folge als Landwirt in Gasseldorf bei Gleinstätten arbeitete.
Gegen Ende der nationalsozialistischen Herrschaft fungierte Krainer als politischer
Vertreter der Wiener Widerstandsgruppe O 5 in Kornriegel, die auch Kontakte
zu den im steirisch-slowenischen Grenzgebiet operierenden Partisanen hatte.
Nach der Befreiung vom NS-Regime war Krainer Landesrat (1945-1948) und ab
1948 Landeshauptmann der Steiermark. Er starb am 28. November 1971.
Dr. Alfons Gorbach war ab 1928 Grazer Gemeinderat, ab November 1933 Landesführer
der Vaterländischen Front in der Steiermark und als solcher auch ab 1937
Mitglied der steiermärkischen Landesregierung. Als Gegner der Nationalsozialisten
wurde er am 1. April 1938 mit dem ersten Transport ins KZ Dachau transportiert
und am 12. November 1942 entlassen. Nachdem er in Graz für kurze Zeit
als Hilfsarbeiter Beschäftigung fand, erfolgte im Zuge des Attentates
auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 seiner neuerliche Verhaftung. Gorbach kam
zuerst in das KZ Flossenbürg und danach wieder nach Dachau, wo ihn die
amerikanischen Truppen befreiten. In der Folge wurde er einer der führenden
Vertreter der ÖVP und war von 1961 bis 1964 österreichischer Bundeskanzler.
Gorbach starb am 31. Juli 1972.
Während in Niederösterreich mehr Erinnerungszeichen für kommunistische
WiderstandskämpferInnen gesetzt wurden, überwiegen in der Steiermark
jene für SozialdemokratInnen, wobei hier insbesondere das Gedenken an
die Opfer des Bürgerkrieges im Februar 1934 im Vordergrund steht. Dazu
kommt in der Südsteiermark die Zeichensetzung für Partisaninnen
und Partisanen.
Zentrum der Gedenkkultur im Hinblick auf Widerstand, Verfolgung, Exil und
Befreiung ist neben der Landeshauptstadt Graz der obersteirische Bezirk Bruck/Mur,
wobei, wie bereits erwähnt - v. a. die Stadt Kapfenberg mit einer großen
Anzahl von Erinnerungszeichen für WiderstandskämpferInnen hervorsticht.
In der Stadt Bruck/Mur selbst findet sich das einzige bislang eruierte, wenngleich
private, Grabdenkmal für ermordete Sinti. Auch in den drei anderen, relativ
kleinen, Industriebezirken (Leoben, Knittelfeld und Judenburg) gibt es im
Vergleich zu den flächenmäßig größeren Bezirken
der West-, Süd- und Oststeiermark viele Erinnerungszeichen.
Während in der Obersteiermark der Arbeiterwiderstand (Februar 1934 bzw.
1938 - 1945) dominiert, stößt man in den süd- und oststeirischen
Bezirken vor allem auf Josef Krainer-Erinnerungszeichen. Hier findet sich
auch ein Dollfuß-Denkmal. Außerdem gibt es in Graz ein für
Dollfuß gesetztes und von den Nationalsozialisten teilweise zerstörtes
Denkmal des "Hl. Engelbert" an der Außenwand einer Kirche.
Im Bezirk Liezen wurde ein demoliertes Dollfuß-Denkmal im Atelier eines
Künstlers aufgestellt. Im Bezirk Graz / Umgebung sind neben Erinnerungszeichen
für Josef Krainer v. a. Straßen nach dem Operettenkomponisten Robert
Stolz benannt worden, der als Betroffener der Nürnberger ("Rassen"-)Gesetze
ins Exil gehen musste.
Insgesamt konnten bis jetzt 405 Gedächtnisorte eruiert werden, an denen
479 Zeichen der Erinnerung gesetzt wurden.
V) Ausblick: Weiterführung und Abschluss der Forschungsarbeiten,
Publikation
2003 soll die Dokumentation im Hinblick auf regionalspezifische
Erscheinungsformen von Gedächtnisorten untersucht und die Einbettung
in den wissenschaftlichen Diskurs zur österreichischen Gedenkkultur durchgeführt
werden. In der ersten Jahreshälfte 2004 ist schließlich die Fertigstellung
der Publikation geplant, in der sowohl Erinnerungszeichen (Denkmäler,
Gedenktafeln, Grabstätten etc.) dokumentiert als auch Aspekte des Umgangs
mit Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung in Österreich nach 1945
am Beispiel dieser "Gedächtnisorte" dargestellt und analysiert
werden.
In einem am 25. November 2002 durchgeführten workshop des Projektteams
ist ein erstes Konzept für die inhaltliche Gestaltung der Publikation
diskutiert und erstellt worden.
Für Niederösterreich ist folgende Gliederung geplant:
"Gedenken und Mahnen in Niederösterreich. Erinnerungszeichen
zu Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung 1934 - 1945"
» Vorwort
» Einleitung: verwendete Quellen, editorische Bemerkungen
» Gedenken und Mahnen in Niederösterreich (Heinz Arnberger / DÖW)
» Die "Sprache" der Erinnerungszeichen (Sabine Loitfellner
/ Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz)
» Holocaust und Gedenkkultur in Niederösterreich (Eleonore Lappin
- Christoph Lind / Institut für Geschichte der Juden St. Pölten)
» Die Entstehung eines Gedächtnisortes - Der Todesmarsch ungarischer
Juden von Engerau nach Bad Deutsch-Altenburg und die Initiative zur Setzung
eines Erinnerungszeichens in Wolfsthal (Claudia Kuretsidis-Haider / Zentrale
österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz - DÖW)
» Die Sanierung jüdischer Friedhöfe im Weinviertel (Olga Höfler
/ "Helikon", Verein für Geschichte, Kunst und Kultur Gänserndorf
- Eleonore Lappin)
» Die vergessene Geschichte der Erschießung von 44 politischen
Häftlingen in der Strafvollzugsanstalt Stein am 15. April 1945 (Herbert
Exenberger / DÖW)
» Widerstandsgedenken (N. N.)
» Dollfuß-Gedenken
» Restituta-Gedenken (angefragt: Sr. Edith Beinhauer / "Franziskanerin
von der christlichen Liebe", Hartmannspital Wien)
» Kriegsgräberanlagen der Roten Armee (Joachim Weninger)
» Statistische Auswertung und Einbettung in den Diskurs zur österreichischen
Gedenkkultur (Claudia Kuretsidis-Haider)
» Die Dokumentation
» Personenregister
Für die Steiermark ist folgende Gliederung geplant:
"Gedenken und Mahnen in der Steiermark. Erinnerungszeichen
zu Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung 1934 - 1945"
» Vorwort
» Einleitung: verwendete Quellen, editorische Bemerkungen
» Erinnerungslandschaft(en) in der Steiermark (Heimo Halbrainer / Abteilung
Zeitgeschichte der Universität Graz)
» Widerstand als "Gegengedächtnis": Die regional dominante
Erinnerungskultur der Kriegerdenkmäler (Heidemarie Uhl / Abteilung Zeitgeschichte
der Universität Graz - Österreichischen Akademie der Wissenschaften)
» Die Todesmärsche ungarischer Juden und Jüdinnen (Eleonore
Lappin)
» Verschwundene jüdische Synagogen (Heimo Halbrainer)
» Die Dokumentation
» Personenregister
Ausgewählte Ergebnisse des Projekts werden bereits vor
der Drucklegung in elektronischer Form der "Task Force for International
Cooperation on Holocaust Education, Remembrance and Research (ITF)" zur
Verfügung gestellt, in deren Rahmen eine internationale Datenbank über
"Memorials" erarbeitet wird (Österreich ist seit einem Jahr
Mitglied der ITF). Für den österreichischen Beitrag zur Pilot-Phase
des Datenbank-Projekts der ITF (Auswahl von 15 Denkmälern/Gedenkstätten),
mit dessen Durchführung das United States Holocaust Memorial Museum (USHMM)
in Washington betraut ist, kann bereits auf die Forschungsergebnisse des Projekts
"Gedenken und Mahnen" zurückgegriffen werden.
Weiters werden auf der WebSite des "Vereins zur Erforschung nationalsozialistischer
Gewaltverbrechen und ihrer Aufarbeitung" (http://nachkriegsjustiz/vgew/index.php)
eine Auswahl von Wiener Erinnerungszeichen präsentiert.
Beide Publikationen sollen 2004 erscheinen.
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Endbericht an den Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank
(Auszug)
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