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Klaus-Michael Mallmann/Volker Rieß/Wolfram Pyta (Hrsg.), Deutscher Osten 1939–1945. Der Welt-anschauungskrieg in Photos und Texten, Darmstadt 2003, 205 Seiten.
Wissenschaftliche Buchgemeinschaft, Preis: 39,90 € (Deutschland), 41,10 € (Österreich)

"Täterforschung": Spätestens die Auseinandersetzung um Daniel J. Goldhagens "Hitlers willige Vollstrecker" (1996) hat die Frage nach den Motiven der Täter der NS-Verbrechen in den Mittelpunkt der Forschung gerückt. Die 2001 am Sitz der Zentralen Stelle der deutschen Landesjustizverwaltungen eingerichtete Forschungsstelle Ludwigsburg der Universität Stuttgart legt mit diesem Buch eine Auswahl von Dokumenten zu den in der gegenwärtigen Täterforschung zentralen Fragestellungen vor:
* Mentalitäten/Motive der Angehörigen von Wehrmacht, SS und Polizei,
* Tatorte abseits der großen Vernichtungslager,
* Dienststellen/Einheiten, die an großen Mordaktionen beteiligt waren.
Die erdrückende Dichte von Aussagen und Fotografien von Tätern und Zuschauern illustriert, auf welch tief verankerte Vorurteile in der Truppe (Hass und Abscheu gegenüber "den Juden" und "den Russen") sich der Massenmord stützen konnte – und in welchem Ausmaß die Verbrechen weit über den Kreis der Täter hinaus bekannt waren.
Ein umfangreicher Anmerkungsapparat ermöglicht die historische Einordnung der abgedruckten Auszüge aus persönlichen Briefen, NS-Dokumenten und Zeugenaussagen und enthält Verweise auf neue wissenschaftliche Unter-suchungen zu den jeweiligen Verbrechen. Besonders akribisch gingen die Herausgeber bei der Zuordnung der Fotos vor, wobei sie auch die rund um die "Wehrmachts- ausstellung" geführte Diskussion um Bedeutung und Zuverlässigkeit dieser historischen Quelle berücksichtigen. Sowohl die Fotos als auch die Dokumente stellen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, Erstveröffentlichungen dar.
Die drei Herausgeber sind Direktor (Prof. Pyta), wissen-schaftlicher Leiter (Dr. Mallmann) und Mitarbeiter (Dr. Rieß) der Forschungsstelle Ludwigsburg. Diese ist – neben der weiter ermittelnden staatsanwaltschaftlichen Behörde unter der Leitung von Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm und Staatsanwalt Dr. Joachim Riedel, sowie der die Akten der früheren Ermittlungen verwaltenden Außenstelle des Bundesarchivs, geleitet von Archivoberrat Dr. Heinz-Ludger Borgert, die dritte Einrichtung, die im Gebäude der "Zentralen Stelle" in Ludwigsburg ihren Sitz hat. Über die Universität Stuttgart (Direktor Pyta ist gleichzeitig Inhaber des dortigen Lehrstuhls für Neuere Geschichte) ist die Forschungsstelle auch in die akademische Lehre und Forschung eingebunden.
Mit diesem ersten Band ihrer "Veröffentlichungen" hat die Forschungsstelle Ludwigsburg eine überzeugende Darstellung sowohl ihrer wissenschaftlichen Kompetenz als auch ihrer Fähigkeit zur publikumswirksamen Präsentation ihrer Forschungsergebnisse liefert. Da sich der Band zu einem großen Teil auf die von deutschen Staatsanwalt-schaften zusammengetragenen Originaldokumente und Vernehmungsprotokolle von Beschuldigten und ZeugInnen stützt, stellt er außerdem einen eindrucksvollen Beleg für die Unverzichtbarkeit der Justizdokumente zur Dokumentation und Erforschung des Holocaust und anderer NS-Massen-verbrechen dar.
Bei der Präsentation des Bandes hob die Justizministerin Baden-Württembergs, Corinna Werwigk-Hertneck, hervor, dass die Veröffentlichung das "Ergebnis einer einzigartigen Kooperation zwischen Justiz, Archiven und Geschichtswissenschaft" sei, Wolfram Pyta bezeichnete die Täterforschung als den "Kern der Ludwigsburger Forschungsarbeit"

Link:

Rezension von Wigbert Benz im Forum des Nachrichtendiensts für Historiker www.nfhdata.de (28. September 2003)





Winfried R. Garscha