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"Persönliche Schuld ist faktisch keine vorhanden"
Innenminister Oskar Helmer und die Begnadigung von verurteilten NS-Tätern

Von Claudia Kuretsidis-Haider

Die österreichische Volksgerichtsbarkeit - und damit die justizförmige Entnazifizierung - unterlag bereits in den ersten Jahren ihres Bestandes einer grundlegenden Wandlung. Mit der Verabschiedung des Nationalsozialistengesetzes am 6. Februar 1947[1] war man zuversichtlich, das "Naziproblem" nunmehr rasch lösen zu können. Bis Anfang 1948 wurden fast 80 Prozent der Untersuchungen, nämlich 108.283, eingeleitet[2], 75% der durch österreichische Volksgerichte ausgesprochenen Urteile ergingen innerhalb dieses Zeitraumes. Sämtliche der 43 Todesurteile wurden zwischen August 1945 und September 1948 ausgesprochen und 22 der insgesamt 29 lebenslangen Haftstrafen.
1949 warfen die Nationalratswahlen ihre Schatten, die mit dem Schlagwort "Reintegration der ehemaligen NationalsozialistInnen in die österreichische Gesellschaft" umschrieben werden können. In diesem Zusammenhang verstärkte sich auch die bereits 1948 begonnene Diskussion um die Abschaffung der Volksgerichtsbarkeit, die erst mit der Weigerung der Alliierten dieser zuzustimmen, ihr vorläufiges Ende fand.[3]
Nicht nur die Überlegungen zur Abschaffung der Volksgerichtsbarkeit waren für deren zügige Abwicklung abträglich, Ende 1949 machte sich zudem aufgrund der Pensionierung von über 60 Richtern, die teilweise bereits aufgrund von Sonderregelungen länger im Dienst verblieben waren, ein erheblicher Personalmangel bemerkbar, der seine Auswirkungen auch auf die Durchführung von Vg-Prozessen zeitigte. Deshalb wurde im Jänner 1950 im Nationalrat eine Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG) debattiert, welches ein rascheres Nachrücken jüngerer Richter gewährleisten sollte, um die entstandene Lücke im Personalbereich wieder zu schließen.[4] Der VdU forderte in diesem Zusammenhang die Reaktivierung sämtlicher ehemaliger nationalsozialistischer Richter.[5] Zwar wurde dieses Ansinnen in einer hitzigen Auseinandersetzung im Nationalrat von den anderen drei Parlamentsparteien zurückgewiesen, Justizminister Tschadek von der SPÖ räumte aber in der Beratung des Justizausschusses über die Änderung des GOG ein, dass die Justizverwaltung ohnehin in den vergangenen Jahren bei der Wiedereinstellung "keineswegs kleinlich" gewesen sei, soweit es sich um "minderbelastete" Personen gehandelt hatte, die "ihre charakterliche und persönliche Eignung für dieses Amt erwiesen" hätten. Man habe dabei ohnehin "die Grenze des Möglichen erreicht".[6]
Das Bestreben, ehemalige NationalsozialistInnen in die Gesellschaft zu reintegrieren zeigte sich auch in den Bemühungen des sozialdemokratischen Innenministers Oskar Helmer, von Volksgerichten rechtskräftig - sogar teilweise wegen Mordes - Verurteilte vorzeitig zu begnadigen, wie einem Schreiben an den "lieben Freund" Josef Gerö, also an den sich zu dieser Zeit wieder im Amt befindlichen Justizminister[7] , zu entnehmen ist.[8] "In Anbetracht der bevorstehenden Weihnachtszeit" sah Helmer einen günstigen Zeitpunkt gekommen, zu lebenslangen Haftstrafen Verurteilte, wie Rudolf Belada, Ernst Burian und Franz Puschnigg "infolge ihrer persönlichen sowie familiären Umstände für die Einbeziehung in eine Weihnachtsamnestie [als] geeignet" anzusehen. Die vom Volksgericht im Juni 1948 festgestellte Schuld Burians beurteilte der Innenminister beispielsweise so, dass diese "nur darin [bestünde], dass er der Liquidation von Juden beigewohnt hat. Persönliche Schuld ist faktisch keine vorhanden." Betreffend den Stellvertreter von Alois Brunner in der "Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien, Ernst Adolf Girzick, stellte Helmer fest: "Persönliche Schuld ist fast keine vorhanden. Das ihm zur Last gelegte Delikt besteht nur darin, dass er in der Judenaussiedlungsstelle beschäftigt war."
Bei der Lektüre dieses Schreibens entsteht aber nicht nur der Eindruck, dass es dem SPÖ-Politiker in manchen Fällen daran gelegen war, beim Justizminister de facto eine Revision der Vg-Urteile zu erreichen. Das am 23. 3. 1948 vom Volksgericht Wien gegen Franz Pei. wegen der Ermordung eines ungarischen Juden zu Kriegsende im burgenländischen Kukmirn gefällte rechtskräftige Urteil von 20 Jahren ignorierte Helmer sogar, und versetzte Pei. quasi wieder zurück in das Stadium der Voruntersuchung. Der Innenminister konstatierte nämlich - als ob er der Verteidiger Pei's gewesen wäre: "Wird beschuldigt, als Gendarmeriebeamter Juden erschossen zu haben. Er hat lediglich in Erfüllung seiner Pflicht gehandelt."
Das nachfolgend abgedruckte - im Archiv der Republik im Österreichischen Staatsarchiv aufbewahrte - Schreiben von Innenminister Helmer an den Justizminister Gerö spiegelt anschaulich und erschreckend die Befindlichkeit der österreichischen Politik wieder, der zu dieser Zeit die Ahndung von NS-Verbrechen kein Anliegen mehr war, und von der die Bemühungen der Justiz, diese Verbrechen ihrer Schwere gemäß zu ahnden missachtet und rechtskräftige Urteile ganz einfach ignoriert wurden.

"Lieber Freund!
In Anbetracht der bevorstehenden Weihnachtszeit gestatte ich mir, in der Anlage eine Liste von wegen politischer Delikte in der Strafanstalt Stein inhaftierten ehemaligen Nationalsozialisten zu übermitteln.
Die genannten Personen scheinen infolge ihrer persönlichen sowie ihrer familiären Umstände für die Einbeziehung in eine Weihnachtsamnestie geeignet. [...]
Mit besten Grüßen
Oskar Helmer"

Beilage 1:[9]

Belada Rudolf[10] [...]
Strafende: Tod
Rein soldatisches Befehlsdelikt. Ist schwer krank, leidet an einer Schilddrüsenerkrankung.

Burian Ernst[11] [...]
Strafende: Tod
Seine Schuld besteht faktisch nur darin, dass er der Liquidation von Juden beigewohnt hat. Persönliche Schuld ist faktisch keine vorhanden. Frau und zwei Kinder. Frau kämpft sich sehr schwer durch. Burian war seit 12 Weihnachten nicht mehr bei seiner Familie.

Cer. Ernst[12] [...]
Strafende: 2. 2. 1966
Sein Delikt stammt aus den letzten Kriegstagen. Er selbst ist schwer krank, musste sich während seiner Haft einer sehr schweren Magenoperation im Krankenhaus Krems unterziehen.

Girzcik Ernst Adolf[13] [...]
Strafende: 16. 11. 1961
Persönliche Schuld ist fast keine vorhanden. Das ihm zur Last gelegte Delikt besteht nur darin, dass er in der Judenaussiedlungsstelle beschäftigt war. Frau und 2 Kinder. Leben in ärmlichsten Verhältnissen und ist daher eine Begnadigung dringend nötig.

Graf-Krcill Karl[14] [...]
Strafende: Tod
Wurde verurteilt wegen des Attentates auf Juwelier Futterweit. Dabei ist zu bemerken, dass der zweite Attentäter im Jahre 34 zu nur vier Jahren schweren Kerker verurteilt wurde. Im Vergleich zu seiner Tat ist Graf längst gnadenwürdig.

[...]

Jäger Franz[15] [...]
Strafende: 17. 6. 1958
Hat bereits vor 1 ½ Jahren die Hälfte seiner Strafe verbüßt. Sein Delikt ist ein rein militärisches Befehlsdelikt, das er sich als Volkssturmmann zuschulden kommen ließ.

Kra. Josef[16] [...]
Strafende: 20. 11. 1965
Sein Delikt stammt ebenfalls aus den letzten Kriegstagen. Hat Frau und Kinder. Mit Rücksicht auf die Kinder wäre die Entlassung erwünscht.

[...]

Mei. Hugo[17] [...]
Strafende: 24. 10. 1965
Ist wegen des Attentats auf Futterweit verurteilt, gilt dass gleiche wie bei Gra., ist außerdem ein schwer kranker Mann, der sich während seiner Haft einer Struma-Operation im Krankenhaus Krems unterziehen musste.

Pai. Franz[18] [...]
Strafende: 24. 1. 1966
War Polizeibeamter von 1923 - 1930, hat sich beim Justizpalastbrand in Erfüllung seiner Pflicht eine schwere Schädelverletzung zugezogen und wurde auf Grund seiner Verletzung unter Zuzählung von 10 Dienstjahren in den dauernden Ruhestand versetzt, [...]. Hat während seiner Haft einen Schlaganfall erlitten und nach Ansicht des Anstaltsarztes ist sein Zustand als ernst zu bezeichnen. Der Arzt erklärte seiner Gattin damals, dass sie täglich mit seinem Ableben rechnen kann. Nach der Machtergreifung wurde er von der Gestapo aufgefordert, bei der Überwachung mitzuwirken. Durch ihn flog die Widerstandsgruppe Hebra auf und der jetzige ÖVP-Obmann Fritz Polcar erhielt eine langjährige Zuchthausstrafe. Polcar hat trotzdem vor einiger Zeit ein Gnadengesuch für Paiha gemacht, welches abgelehnt wurde. Dabei ist zu bemerken, dass Paiha im Jahre 1946 [Unterstreichung durch Innenminister Helmer, CKH] verurteilt wurde.

Pam. Eduard[19] [...]
Strafende: 6. 7. 1962
Wurde auf Grund gehässiger Anzeigen als V-Mann bezeichnet, obwohl er ja nie es gewesen sein soll [sic]. Wenn diese Angaben stimmen würden, wäre er wahrscheinlich nie 1947 von Berlin nach Wien gekommen mit Frau und Kind.

Pei. Franz[20] [...]
Strafende: 4. 4. 1966
Wird beschuldigt, als Gendarmeriebeamter Juden erschossen zu haben. Er hat lediglich in Erfüllung seiner Pflicht gehandelt. Mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand und auf seine familiären Verhältnisse wäre eine Begnadigung jedenfalls zu befürworten. Seine Frau lebt in der Steiermark in den ärmlichsten Verhältnissen.

Pol. Ferdinand[21] [...]
Strafende: 25. 10. 1958
Hat schon vor einem Jahr die Hälfte seiner Strafe verbüßt. Ist ein 67-jähriger kranker Mann. Sein Delikt ist in Erfüllung seiner Pflicht entstanden.

Puschnigg Franz[22] [...]
Strafende: Tod
Primitiver Mensch, der als Volkssturmmann einen Fluchtverdächtigen zu beaufsichtigen hatte, mit dem strikten Auftrag, von der Waffe Gebrauch zu machen, wenn dieser einen Fluchtversuch unternehmen sollte. Beim Fluchtversuch dieses Mannes gab er einen Schuss ab. Das Volksgericht konnte im Urteil nicht nachweisen, ob der Schuss tödlich war.

Röh. Johann[23] [...]
Strafende: 28. 12. 1960
Hat die Hälfte seiner Strafe bereits verbüßt, hat zwei Kinder und Frau, die in den ärmlichsten Verhältnissen leben.

Scha. Gustav[24] [...]
Strafende: 7. 5. 1965
Ist ein Befehlsdelikt, das er in Ausübung seines Dienstes als SD-Angehöriger beging. Hat eine Frau, 2 Kinder und eine alte, kranke Mutter.

[...]

Terzer Gustav[25] [...]
[Handschriftlicher Vermerk: offenes Verfahren]
Hat die Hälfte seiner Strafe verbüßt. Reines Befehlsdelikt, welches er sich in seiner Eigenschaft als Volkssturmmann am Südost-Wall zu schulden kommen ließ. Alter kranker Mann.

Uhl Ludwig[26] [...]
Strafende: 23. 6. 1965
Ist der letzte Kreisleiter in Österreich, der noch in Haft ist.

 

Anmerkungen:

[Anm. 1]
Bundesgesetz vom 6. Februar 1947 über die Behandlung von Nationalsozialisten (Nationalsozialistengesetz), BGBl. Nr. 25/47.


[Anm. 2]
Statistik des Bundesministeriums für Justiz über den Gesamtanfall seit Beginn der Volksgerichtsbarkeit per 29. 2. 1948, veröffentlicht in: W
iener Zeitung, 8. April 1948.


[Anm. 3]
Siehe dazu: Claudia Kuretsidis-Haider, Verbrechen an ungarisch-jüdischen Zwangsarbeitern vor Gericht. Die Engerau-Prozesse vor dem Hintergrund der justiziellen "Vergangenheitsbewältigung" in Österreich (1945 - 1955), Diss. Wien 2003, S. 66.


[Anm. 4]
Siehe dazu: Eva Holpfer, Die Auseinandersetzung der österreichischen politischen Parteien mit den ehemaligen Nationalsozialisten und der Frage der Lösung des so genannten Naziproblems im Nationalrat und in den Parteizeitungen 1945 – 1975 (Zwischenbericht und Endbericht des Projekts "Gesellschaft und Justiz - Entwicklung der rechtlichen Grundlagen, öffentliches Echo und politische Auseinandersetzungen um die Ahndung von NS-Verbrechen in Österreich" an den Jubiläumsfonds der österreichischen Nationalbank), unveröffentlichtes Manuskript, Wien 2002/03.


[Anm. 5]
Neues Österreich, 26. 1. 1950, S. 1 ("Wieder eine bewegte Sitzung des Nationalrates: Demokratische Richter, österreichisches Recht! Gegen die Wiedereinstellung belasteter Nationalsozialisten als Richter und Staatsanwälte - Vorstöße der Unabhängigen von den Sprechern der Koalitionsparteien energisch zurückgewiesen").


[Anm. 6]
Neues Österreich, 12. 2. 1950, S. 2 ("Die Behebung des Richtermangels in Österreich").


[Anm. 7]
Der parteiunabhängige, aber der SPÖ zugerechnete Dr. Josef Gerö war zwischen dem 27. 4. und dem 20. 12. 1945 Staatssekretär für Justiz und anschließend bis 11. 10. 1949 Bundesminister für Justiz. Ab 8. 11. 1949 war Dr. Otto Tschadek von der SPÖ Justizminister. Gerö löste ihn am 16. 9. 1952 wieder ab und blieb bis zu seinem Tod im Amt. Sein Nachfolger war der Sozialdemokrat Dr. Hans Kapfer, welcher aber nach den Nationalratswahlen 1956 wiederum von Tschadek ersetzt wurde.


[Anm. 8]
ÖStA / AdR, BMI (Generaldirektion für öffentliche Sicherheit) 33.969 - 2/45. Ich danke Dr. Rudolf Jeřábek vom AdR für die Zurverfügungstellung dieses Dokuments.


[Anm. 9]
Die nachfolgenden Informationen zu den Personen wurden, so nicht anders angeführt, der Datenbank der Zentralen österreichischen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz entnommen.


[Anm. 10]
Der Schneidermeister und ehemalige Obergefreite der deutschen Wehrmacht Rudolf Belada wurde am 14. 1. 1948 vom Volksgericht Wien zu einer lebenslangen Haftstrafe (mit Vermögensverfall) wegen schwerer Misshandlung von ca. 50 Kriegsgefangenen mit Todesfolge im Lager Lorenz-Mandel-Schule in Wien 16 (wo sich seit Februar 1945 ein Lager für zunächst 300, dann 800 rumänische Kriegsgefangene, die für Bombenaufräumungsarbeiten eingesetzt waren, befand) sowie wegen der Ermordung von mehreren rumänischen Kriegsgefangenen anlässlich der Evakuierung des Lagers und auf dem "Todesmarsch" in seiner Funktion als stellvertretender Leiter des Marschkommandos, zum Tode verurteilt (LG Wien Vg 1a Vr 3244/47). Siehe dazu auch: Karl Marschall, Volksgerichtsbarkeit und Verfolgung von nationalsozialistischen Gewaltverbrechen in Österreich. Eine Dokumentation, Wien 19872, Fall Nr. 28 sowie DÖW V281/1-110 (FStN-Mikrofilm Nr. 1064 / 1065).


[Anm. 11]
Der Student und Lagerführer von HJ-Wehrertüchtigungslagern (ab September Lagerführer des HJ-Wehrertüchtigungslagers in Lunz/See) Ernst Burian wurde am 19. 6. 1948 vom Volksgericht Wien zu einer lebenslangen Haftstrafe (mit Vermögensverfall) wegen der zusammen mit anderen SS-Männern durchgeführten Ermordung von 76 ungarischen Juden und Jüdinnen in Göstling (Niederösterreich) am 13. 4. 1945, wegen der zusammen mit anderen SS-Männern durchgeführten Ermordung von ca. 100 ungarischen Juden und Jüdinnen in Randegg (Niederösterreich) am 15. 4. 1945 sowie wegen der Mitschuld (durch Übergabe des Opfers) am bestellten Mord des Leiters der Widerstandsgruppe "Erlauftal" Rudolf Oberndorfer in Lunz/See (Niederösterreich) durch einen Unteroffizier der Deutschen Wehrmacht am 8. 5. 1945 verurteilt (LG Wien Vg 1b Vr 2092/45). Siehe dazu auch: Marschall, Volksgerichtsbarkeit, Fall Nr. 24 sowie
Wiener Kurier, 12. 8. 1946.


[Anm. 12]
Ernst Cer. wurde am 5. 6. 1948 vom Volksgericht Wien zu 20 Jahren Haft wegen der Ermordung des provisorischen Betriebsobmannes des Gaswerkes Simmering in Wien Otto Koblicek am 6. 4. 1945 verurteilt (LG Wien Vg 4a Vr 3452/46). Siehe dazu auch: DÖW V161/1-43 (FStN-Mikrofilm Nr. 1035).


[Anm. 13]
Der ehemalige SS-Obersturmführer und Blutordensträger Ernst Adolf Girzick wurde vom Volksgericht Wien am 3. 9. 1948 zu 15 Jahren Haft wegen der Verletzung der Menschenwürde von Juden und Jüdinnen u. a. in Wien, im Lauschowitzer Kessel bei Theresienstadt und im KZ Theresienstadt verurteilt (LG Wien Vg 1 Vr 8881/46), sowie für die Deportation von Wiener Juden und Jüdinnen ins Ghetto bzw. KZ Theresienstadt und in polnische Konzentrationslager verantwortlich gemacht. Zwischen 1939 und 1943 war Girzick Stellvertreter von Alois Brunner in der Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien, von Sommer 1943 bis Mai 1945 für die "Zentralstelle für die Regelung der Judenfrage in Böhmen und Mähren" tätig, und von März bis Dezember 1944 nach Ungarn abgeordnet. Am 18. 12. 1953 wurde ihm die Reststrafe durch Entschließung des Bundespräsidenten bedingt nachgesehen. Siehe dazu auch: DÖW V312/1-26 (FStN-Mikrofilm Nr. 1071).


[Anm. 14]
Der Kellner und ehemalige SS-Mann Karl Krcil (später Karl Graf) wurde am 15. 1. 1947 vom Volksgericht Wien (LG Wien 2798/45) wegen der Ermordung des jüdischen Juweliers Futterweit am 12. 6. 1933 in Wien durch einen Sprengstoffanschlag, als deren Folge die NSDAP am 19. 6. 1933 verboten wurde, zu einer lebenslangen Haftstrafe (mit Vermögensverfall) verurteilt. Siehe dazu auch: Marschall, Volksgerichtsbarkeit, Fall Nr. 72.


[Anm. 15]
Franz Jäg. wurde am 18. 9. 1948 vom Volksgericht Wien (LG Wien Vg 12a Vr 5358/46) wegen der im Zuge der "Mühlviertler Hasenjagd" durchgeführten Ermordung eines aus dem KZ Mauthausen geflüchteten sowjetischen Kriegsgefangenen am 2. Februar 1945 in Aisting (OÖ) zu 12 Jahren schweren Kerkers verurteilt. Siehe dazu auch: DÖW V200/1-15 (FStN-Mikrofilm Nr. 1047).


[Anm. 16]
Mit dem Urteil des Volksgerichts Wien (LG Wien Vg 1b Vr 2092/45) vom 19. 6. 1948 wurde Josef Kra., HJ-Gebietsführer für den Gau Niederdonau, wegen Verletzung der Menschlichkeit (Beteiligung am "Standgericht" des Kreisleiters von Neunkirchen, Johann Braun, in Schwarzau am Gebirge/NÖ am 15. 4. 1945), der Verletzung der Menschenwürde von Rudolf Oberdorfer (Leiter der Widerstandsgruppe "Erlauftal") in Lunz am See (NÖ) am 8. 4. 1945, somit wegen bestellten Mordes sowie wegen Hochverrats und Illegalität und einer Äußerung bezüglich der Hinrichtung eines 16-jährigen Flakhelfers am 15. 4. 1945 in Schwarzau/Gebirge (NÖ) zu 20 Jahren schweren Kerkers verurteilt. Am 5. 8. 1954 wurde ihm mit Entscheidung des Bundespräsidenten die Reststrafe nachgesehen.


[Anm. 17]
Hugo Mei. (früher Gustav Rie.) wurde am 9. 12. 1948 vom Volksgericht Wien wegen Anstiftung zum Mord am Juwelier Futterweit zu 20 Jahren schweren Kerkers verurteilt (LG Wien Vg 12a Vr 3422/47). Siehe auch: DÖW V165/1-30 (FStN-Mikrofilm Nr. 1036).


[Anm. 18]
Franz Pai. wurde vom Volksgericht Wien am 19. 11. 1946 wegen Illegalität und der Denunziation von Mitgliedern einer Widerstandsgruppe im Herbst 1938 bzw. Frühjahr 1939 in Wien (einer der Denunzierten wurde zum Tode verurteilt) zu 20 Jahren schweren Kerkers verurteilt (LG Wien Vg 8a Vr 1592/46). Siehe dazu auch: DÖW V166/1-20 (FStN-Mikrofilm Nr. 1036).


[Anm. 19]
Eduard Pam. wurde vom Volksgericht Wien am 19. 3. 1948 wegen Illegalität sowie wegen Denunziation von Mitgliedern kommunistischen Widerstandsgruppen in Wien im Jahre 1940 (einer der Denunzierten, der Zahnarzt Dr. Walter Suess, wurde in der Folge zum Tode verurteilt und hingerichtet) zu 15 Jahren schweren Kerkers verurteilt. Am 30. 4. 1955 wurde ihm die Reststrafe durch Entschließung des Bundespräsidenten nachgesehen. Siehe dazu auch: DÖW 19892/1-3 (auszugsweise Aktenkopien) sowie DÖW V321/1-25 (FStN-Mikrofilm Nr. 1072).


[Anm. 20]
Franz Pei. wurde am 23. 3. 1948 vom Volksgericht Wien wegen der Ermordung eines ungarischen Juden zu Kriegsende in Kukmirn (Bgld.) und somit wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu 20 Jahren schweren Kerkers verurteilt (LG Wien Vg 11 Vr 3434/46). Siehe auch: DÖW V2/1–16 (FStN-Mikrofilm Nr. 1000).


[Anm. 21]
Ferdinand Pol. wurde am 17. 11. 1947 vom Volksgericht Wien (LG Wien Vg 1a Vr 6923/46) wegen Verbrechen im Nibelungenwerk St. Valentin (in seiner Funktion als Werkschutzleiter) zu 12 Jahren Haft verurteilt.


[Anm. 22]
Das Volksgericht Graz (LG Graz Vg 1 Vr 715/45) verurteilte den Hilfsarbeiter und ehemaligen Wachkommandanten des Werkschutzzuges eines Rüstungsbetriebes Franz Puschnigg am 30. 7. 1946 zu einer lebenslangen Haftstrafe (mit Vermögensverfall) wegen der Erschießung eines Volkssturmmannes am 7. / 8. 4 1945 in Aflenz bei Leibnitz (Steiermark). Im Juli 1954 wurde er nach ca. acht Jahren Haft auf Bewährung entlassen. Als "Verwahrungsgefangener des Sowjetischen Elements" befand er sich drei Monate in Haft. Siehe dazu auch: Marschall, Volksgerichtsbarkeit, Fall Nr. 49; Martin F. Polaschek, Im Namen der Republik Österreich! Die Volksgerichte in der Steiermark 1945 bis 1955 [= Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchivs, Bd. 23], Graz 1998, S. 158 sowie:
Wahrheit, 31. 7. 1946 und Steirerblatt, 1. 8. 1946.


[Anm. 23]
Johann Röh. wurde am 19. 12. 1947 vom Volksgericht Wien (LG Wien Vg 8e Vr 455/51 - Vereinigt mit Vg 8e Vr 679/55) wegen der Sonderaktion "Moosbierbaum" der Gestapo-Außenstelle St. Pölten (Verhaftungswelle vom 16. 1. 1945 gegen Mitglieder der Widerstandsgruppe Moosbierbaum), wegen der Ermordung von 12 Angehörigen der Österreichischen Freiheitsbewegung (diese wurden nach Standgerichtsurteil vom 13. 4. 1945 in St. Pölten am selben Tag erschossen sowie wegen einer Denunziation in Eisenstadt im Jahre 1938 und Illegalität zu 15 Jahren schweren Kerkers verurteilt. Siehe auch: DÖW V182/1-77 (FStN-Mikrofilm Nr. 1040 und 1041).


[Anm. 24]
Verurteilung des Kriminalpolizisten Gustav Scha. am 1. 7. 1947 zu 20 Jahren schweren Kerkers wegen Erschießungen im Lager für russische Zivilarbeiter in Wien 5 (Blechturmgasse) (LG Wien Vg 2f Vr 1426/45) durch das Volksgericht Wien. Siehe auch: DÖW V19/1–28 (FStN-Mikrofilm Nr. 1007).


[Anm. 25]
Gustav Terzer war kein Angehöriger des Volkssturmes. Er war seit dem Frühjahr 1933 sowohl Mitglied der SA als auch der NSDAP und wurde deshalb mehrere Male inhaftiert. 1935 ging er zur Österreichischen Legion nach Deutschland. Nach seiner Rückkehr im Juli 1938 erfolgte die Anerkennung als "Alter Kämpfer" und die Verleihung der "Ostmarkmedaille" sowie 1940/41 die Beförderung zum Hauptsturmführer. In dieser Zeit arbeitete er als Gartenfacharbeiter bei der Gemeinde Wien. 1942 wurde er zur Organisation Todt verpflichtet und Ende 1944 als Leiter der SA im Unterabschnitt Berg eingesetzt. Nach der Evakuierung des Lagers Engerau übernahm er eine Volkssturmabteilung in Wien-Leopoldau. Mit dieser setzte er sich bei Herannahen der Roten Armee in die CSR ab. Anfang Mai 1945 geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft, wurde in der Folge der sowjetischen Besatzungsmacht übergeben, und dann in Stalingrad interniert. Nach seiner Auslieferung nach Österreich ermittelte das Volksgericht Wien im Zuge des so genannten "4. Engerau-Prozesses" gegen ihn. Am 17. Februar 1950 wurde Terzer zu 10 Jahren Haft verurteilt und für schuldig befunden, der illegalen NSDAP angehört zu haben, sowie "Ende November 1944 zur Ausübung der Übeltaten eines SA-Wachmannes, welcher in der Zeit vom Dezember 1944 bis März 1945 in Engerau gegen mehrere namentlich unbekannte Insassen des Lagers Engerau durch heimtückische Abgabe von Schüssen auf eine solche Art auf Bestellung handelte, dass daraus [deren] Tod erfolgte, durch Hintanhaltung der Hindernisse und durch Billigung der Handlungsweise [des SA-Mannes] als Vorgesetzter, Vorschub und Hilfe geleistet" zu haben. Anlässlich der Weihnachtsamnestie 1953 erfolgte seine Begnadigung. Am 22. 12. 1953 aus der Strafanstalt Stein entlassen kam er anschließend bis 5. 3. 1954 in Verwahrungshaft der sowjetischen Besatzungsmacht. Danach arbeitete Terzer bei einer Wiener Firma als Gartenangestellter. Da ihm aufgrund der seinerzeitigen Flucht nach Deutschland die österreichische Staatsbürgerschaft aberkannt worden war, musste Terzer im Mai 1955 Österreich verlassen und zog nach Lindau am Bodensee. Am 3. Dezember 1963 ist er verstorben. - Siehe dazu ausführlicher: Kuretsidis-Haider, Engerau-Prozesse.


[Anm. 26]
Ludwig Uhl wurde am 5. 3. 1949 vom Volksgericht Wien (LG Wien 20a Vr 5494/56) wegen der Beteiligung an der Ermordung von sechs Insassen des Südtiroler Umsiedlerheims Salzerbad (Gemeindegebiet Kleinzell, Bezirk Lilienfeld) durch Morphiuminjektionen am 21. 4. 1945, sowie wegen Illegalität und seiner Funktion als Kreisleiter von Lilienfeld (NÖ) von April 1940 bis Dezember 1941 und ab Jänner 1944 bis Kriegsende zu 20 Jahren schweren Kerkers verurteilt. Das Wiederaufnahmeverfahren gegen Uhl wegen §§ 10, 11 VG und § 1/6 KVG, eingeleitet unter LG Wien Vg 8e Vr 54/54, wurde als Geschworenengerichtsverfahren unter der Geschäftszahl LG Wien 20a Vr 5494/56 abgeschlossen. Er wurde am 15. 10. 1956 wegen §§ 10, 11 VG und § 1/6 KVG zu 12 Jahren schweren Kerkers verurteilt. Siehe auch: DÖW V157/1-61 (FStN-Mikrofilm Nr. 1034).






aus: "Justiz & Erinnerung" Nr. 8, S. 1-6