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Österreichische Justiz ermittelt gegen den ehemaligen Polizeichef von Požega
Milivoj Ašner (Aschner): Verdacht von Kriegsverbrechen an Serben, Juden und Roma zur Zeit des faschistischen kroatischen Ustascha-Regimes (1941–1945)

Die Staatsanwaltschaft in Klagenfurt ermittelt wegen Kriegsverbrechen an Serben und Juden während des Zweiten Weltkriegs gegen einen früheren Polizisten im faschistischen kroatischen Ustascha-Regime (d.h. in dem 1941 gegründeten "Unabhängigen Staat Kroatien", einem Vasallenstaat Hitler-Deutschlands).
Ašner soll im Zweiten Weltkrieg der Chef der Ustascha-Polizei in Požega gewesen sein. 1945 flüchtete er nach Österreich, wo er bereits 1946 die Staatsbürgerschaft erhielt. Nachdem Kroatien seine staatliche Selbständigkeit wiedererlangt hatte, kehrte er 1991 in seiner Geburtsstadt Daruvar in Zentralkroatien zurück. Im Jahr 2000 gründete er die "Ursprüngliche Bauernpartei". In Daruvar war Ašner wegen scharfer Reden gegen Kommunisten und ehemalige Partisanen im lokalen Radio bekannt.
Wie der Sprecher des Justizministeriums, Christoph Pöchinger, am 15. Juli 2005 der Austria Presse-Agentur mitteilte, könnte noch in diesem Jahr seitens der Staatsanwaltschaft Klagenfurt Anklage gegen den heute 92jährigen erfolgen. Vorläufig würde das von den kroatischen Justizbehörden übersandte Material übersetzt.
Milivoj Ašner ist durch den Leiter des Wiesenthal Centers in Jerusalem, Efraim Zuroff, gegenüber dem Völkerrechtsbüro im Außenministerium als Kriegsverbrecher namhaft gemacht worden.
Zuroff zeigte sich Anfang Juli verbittert über die Untätigkeit der kroatischen Behörden, die ein Jahr nach Einlangen seiner Anzeige keine Anklage gegen Ašner erhoben und auch nicht seine Auslieferung durch Österreich verlangt hätten. Ašner war zu seinem Sohn nach Klagenfurt übersiedelt, nachdem durch Recherchen des Amateurhistorikers Alen Budaj aus Požega bekannt geworden war, dass er zwischen Mai 1941 und Februar 1942 Polizeichef in Požega gewesen war. Am 26. August 1941 hat er angeblich einen aus Bosnien-Herzegowina kommenden Transport mit 600 Serben der Ustascha übergeben. In einem nahe gelegenen Lager der Ustascha-Faschisten waren zu diesem Zeitpunkt 358 Menschen ermordet worden. Darüber hinaus soll Ašner am 16. Oktober 1941 ein Dokument unterzeichnet haben, auf dessen Grundlage 28 jüdische Familien aus ihren Wohnungen und Häusern vertrieben wurden. Später wurden diese Juden deportiert. Laut kroatischen Medienberichten existiert außer dem Dossier Budajs auch eine Namensliste von 16 Belastungszeugen. Die Zeitung "Slobodna Dalmacija" schrieb, die Staatsanwälte sähen ausreichend Beweise, um ein Verfahren einzuleiten.
Im Gespräch mit "profil" (8. November 2004) hatte Ašner alle Anschuldigungen von sich gewiesen. Er werde "von Juden und Kommunisten verleumdet". Er sei sogar von der Ustascha verfolgt und monatelang eingesperrt worden, weil er als Polizeichef auch gegen plündernde Ustascha-Leute vorgegangen sei. Die "heutige Wahrheit" sei, dass er wegen seiner Restitutionsforderungen von kroatischen Politikern unter Finanzierung jüdischer Agenten verleumdet werden solle.
Allerdings ist, so der Sprecher des Justizministeriums Pöchinger, noch unklar, ob eine Anklage möglich ist. Dies hängt nämlich nicht nur von den Beweisen, sondern auch von der Verjährungsfrist ab. Die Ašner angelasteten Taten in den Jahren 1941 und 1942 seien nur dann nicht verjährt, wenn er selbst der Täter war oder einen direkten Tötungsbefehl gegeben habe. In diesen Fällen könnte ihm allerdings auch lebenslängliche Haft drohen. Da Ašner österreichischer Staatsbürger sei, werde er nicht an Kroatien ausgeliefert.

Nachtrag Juni 2008
Nach zwei ärztlichen Gutachten, die dem inzwischen 95-jährigen Ašner bescheinigten, "vernehmungsunfähig" zu sein, sah sich die Staatsanwaltschaft Klagenfurt außerstande, jene Einvernahme gemäß § 31 Abs. 1 ARHG (Bundesgesetz vom 4. Dezember 1979 übner die Auslieferung und Rechtshilfe in Strafsachen [Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz], BGBl. 1979/529) durchzuführen, die zur Klärung der Frage erforderlich ist, ob gegen den Beschuldigte ein Auslieferungsverfahren geführt werden kann; für dieses wäre dann nur die Frage zu klären, ob er transportfähig ist (§ 37 ARHG).
Am 16. Juni 2008 verlangte das Simon Wiesenthal Center Jerusalem die sofortige Auslieferung Ašner's, da die vorgeschützten "gesundheitlichen Gründe", die seiner Auslieferung entgegen standen, offensichtlich nicht mehr existieren. Auf Video-Aufnahmen, die Ašner's Anwesenheit in der Klagenfurter "Fan-Zone" während der Fußball-Europameisterschaft EURO2008 dokumentieren, sei zu sehen, dass der Beschuldigte bei guter Gesundheit, klarem Verstand und fähig, ohne fremde Hilfe herum zu gehen, sei (Zitat: "...in good health, lucid, and able to get about on his own...").
Zuroff bezog sich auf einen Bericht der britischen Boulevard-Zeitung "The Sun", die den Beschuldigten in der "Höhle des Nazi's" (The Sun enters the Nazi's lair) besucht hatte. Dem "Sun"-Reporter gegenüber hatte Ašner gemeint, er sei jederzeit bereit, vor Gericht auszusagen.
Ob und wann seitens der Staatsanwaltschaft Klagenfurt auf Grund dieser neuen Beweismittel ein neuerliches medizinisches Gutachten in Auftrag angefordert wird, wurde bisher nicht entschieden. Das Kärntner Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung wurde beauftragt, die hierfür erforderlichen Erhebungen durchzuführen.


Links:

Bericht in der "Kleinen Zeitung" (17. Juli 2005)
Zum Kaffee mit dem Nazikriegsverbrecher (Reportage in der "Jüdischen" vom 16. August 2005)

Bericht ORF Kärnten vom 17. Juni 2008


August 2005
Aktualisiert Juni 2008