"DDR-Justiz und NS-Verbrechen":
Band VIII der ostdeutschen Urteilssammlung (Prozesse des Jahres 1949)
Parallelen zu österreichischen Volksgerichtsprozessen.
Urteile in Rehabilitierungsverfahren (am Beispiel der verurteilten SA-Wachen
des KZ Hohnstein)
Preis pro Band: 235 Euro. – Bestellungen:
Westdeutsche Serie / Ostdeutsche Serie
Zur ostdeutschen Serie:
Seit der Vorstellung des
Registerbandes und des ersten Bandes der Urteilsedition auf einem Fachgespräch
in Berlin im Oktober 2002 wurde nun innerhalb von nicht einmal dreieinhalb
Jahren der achte Band der ostdeutschen Edition vorgelegt, wobei die Gerichtsentscheidungen
zeitlich in umgekehrter Reihenfolge abgedruckt werden, beginnend mit der letzten
erstinstanzlichen Entscheidung durch ein DDR-Gericht wegen NS-Verbrechen am
25. September1989. Zum Unterschied von der westdeutschen Edition, die nur Urteile
wegen Verbrechen zwischen 1. September 1939 und 9. Mai 1945 enthält, sind
in der ostdeutschen Edition Urteile wegen NS-Tötungsverbrechen seit 1933
erfasst. Die auf 11 Bände angelegte Sammlung soll bis 2008 abgeschlossen
sein. In den Bänden sind neben den Entscheidungen der DDR-Gerichte auch
die jeweiligen Beschlüsse in den Rehabilitierungsverfahren seit 1990 enthalten.
• C. F. Rüter (Hrsg., unter Mitwirkung
von L. Hekelaar Gombert und D. W. de Mildt), DDR-Justiz und NS-Verbrechen.
Sammlung ostdeutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen.
Bd. VIII: Die Verfahren Nr. 1393–1455 des Jahres 1949, Amsterdam-München
2006, 751 Seiten.
Der umfangreiche Band zeigt, dass die Urteile der
ostdeutschen Landgerichte, die sich auf die alliierten Strafbestimmungen bezüglich
Verbrechen gegen die Menschlichkeit und sonstige NS-Verbrechen stützten,
auffällige Parallelen zu den gleichzeitig geführten österreichischen
Volksgerichtsverfahren aufweisen. Die Mehrzahl der Urteile wegen NS-Tötungsverbrechen
betrafen auch in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands Denunziationen
mit Todesfolge und so genannte "Endphase-Verbrechen" sowie Gewaltverbrechen
in Haftstätten.
Wie bei den österreichischen Verfahren befanden sich die Tatorte in der
Mehrzahl der Fälle entweder unmittelbar im jeweilgen Gerichtsbezirk oder
zumindest innerhalb der sowjetischen Besatzungszone. Allerdings finden sich
in der Urteilssammlung auch zwei Prozesse wegen Massenvernichtungsverbrechen
an Juden/Jüdinnen im Osten (Auschwitz und Lublin) sowie der Leipziger
"Tschenstochau-Prozess" wegen der Misshandlung und Erschießung
jüdischer Männer, Frauen und Kinder in Zwangsarbeitslagern in Zentral-Polen
(Częstochowa, Skarzysko-Kamienna, Kielce).
Verbrechen in Konzentrationslagern in der Frühphase
der NS-Herrschaft: Burg Hohnstein (Sächsische Schweiz)
Von Interesse für die Einschätzung der ostdeutschen Gerichtsbarkeit
sind auch die im Band abgedruckten Urteile in Rehabilitierungsverfahren der
1990er Jahre: In der Mehrzahl der (wenigen) Urteilsaufhebungen bezieht sich
die Bewertung des Ersturteils als "rechtstaatswidrig" auf die mit
der Verurteilung ausgesprochene Vermögensbeschlagnahme – eine Zusatzstrafe,
die allerdings auch von den österreichischen Volksgerichten von Gesetz
wegen bei Schuldsprüchen zu verhängen war.
Wo das Urteil insgesamt aufgehoben wurde, rügte das Gericht im Rehabilitierungsverfahren
(1993/94) die summarische Verurteilung sämtlicher Tatbeteiligter ohne
ausreichende Differenzierung des jeweiligen Schuldausmaßes. Dies traf
beispielsweise auf einen Prozess des Landgerichts Dresden gegen 31 Angeklagte
zu, die als SA-Männer in einem der frühen Nazi-KZs, der "Jugendburg
Hohnstein", sozialdemokratische und kommunistische sowie jüdische
Häftlinge brutal misshandelten, wobei 40 von ihnen zu Tode gefoltert
wurden und einige Häftlinge psychische Dauerschäden davon trugen.
Der Prozess hatte 11 Verhandlungstage gedauert, wobei über einhundert
Zeugen gehört worden waren. Das Urteil vom 27. Juli 1949 lautete: Freispruch
für 1 Angeklagten, ein Jahr Gefängnis für 1 Angeklagten, zwischen
zwei und fünf Jahren Zuchthaus für 18 Angeklagte, zwischen sieben
und fünfzehn Jahren Zuchthaus für 8 Angeklagte; 1 Angeklagter wurde
zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt.
Rehabilitiert wurden vom Landgericht Dresden jene beiden ehemaligen SA-Männer,
"die lediglich aufgrund einer auf allen SA-Wachposten des Konzentrationslagers
lastenden Kollektivschuld und ohne Nachweis einer konkreten Tatbeteiligung
verurteilt worden" waren. Die übrigen Rehabilitierungsgesuche wurden
abgewiesen bzw. nur hinsichtlich des Vermögensentzugs bewilligt.
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