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Ermittlungs- und Prozessakten britischer Militärgerichte in Österreich im Public Record Office Die Erforschung der Besatzungszeit in Österreich hat besonders im vergangenen Jahrzehnt durch eine Vielzahl von Publikationen eine große Breite erreicht. Für die Frage des Justizwesens in der britischen Zone ist hier in erster Linie auf die grundlegenden Arbeiten von Siegfried Beer zu verweisen, der darin vorrangig die Organisation der Justizverwaltung und Gerichtsbarkeit durch die Besatzungsmacht sowie deren Rolle beim Wiederaufbau der österreichischen Justiz behandelt hat. Die alltägliche Tätigkeit britischer Militärgerichte wurde bisher aber erst in einer Fallstudie untersucht. Anhand der selben Fragestellung beschäftigt sich nun eine in Vorbereitung befindliche Arbeit mit den Gerichten der Militärregierung sowie den Sondergerichten für Kriegsverbrechen in der gesamten britischen Besatzungszone Österreichs. Der folgende Beitrag versteht sich als Zwischenbericht wie auch als Quellenbeitrag zur justizgeschichtlichen Forschung in Österreich und bietet eine Aufstellung der im Public Record Office (PRO) erhalten gebliebenen Ermittlungs- und Prozessakten zu den beiden genannten Gerichtstypen. Obwohl die Bestände des Public Record Office mittlerweile - als Alternative zur Durchsicht der Findbücher vor Ort - auch mittels eines gelungenen Online-Katalogs überblickt werden können, macht die Vorlage einer solchen Übersicht Sinn, denn die Suche nach Unterlagen zu einem konkreten Thema ist angesichts der Grösse des Archivs und der häufigen »Streulage« der Quellen unverändert mit einem ansehnlichen Zeitaufwand verbunden. Military Government Courts Den grössten Anteil an der Gerichtstätigkeit der britischen Besatzungsmacht hatten bekanntlich die Military Government Courts, deren Zuständigkeit von kleinen Vergehen bis zu Kriegsgräuel (atrocities) reichte. Entsprechende Ermittlungs- und Prozessakten finden sich im Bestand FO 1020, in dem umfangreiches Aktenmaterial der Allied Commission for Austria, British Element (Headquarters and Regional Files) enthalten ist. Dabei handelt es sich im Bereich der Summary und Intermediate Courts in erster Linie um Court Registers, also nach einer genormten Vorlage (Legal Form 11a) verfasste Aufstellungen der wichtigsten Daten jeder durchgeführten Verhandlung. Für die Einfachen Militärgerichte (Summary Courts) in Wien und in der Steiermark bieten diese Register eine Übersicht zu jedem einzelnen Gerichtsstandort, während sie für Kärnten fehlen.
Im Falle der Mittleren Militärgerichte (Intermediate Courts) sind diese Register nicht von jedem einzelnen Gericht erhalten, sondern nach Bundesländern zusammengefasst. Allerdings fehlen im Falle von Kärnten die meisten Unterlagen, und auch für die Steiermark und Wien sind die Listen nicht ganz vollständig.
Die aufwändigen Verhandlungen der Allgemeinen Militärgerichte (General Courts) sind im Public Record Office durch Pre- und Post-Trial-Unterlagen sowie einige wenige bruchstückhafte Mitschriften von vierzehn Verfahren britischer General Courts - etwa die Hälfte aller stattgefundenen Prozesse - dokumentiert. Acht Fälle behandeln Verbrechen an Juden, die während der Todesmärsche im März und April 1945 begangen wurden, wobei die meisten Faszikel den ersten Eisenerzer Prozess (April 1946) abdecken.
Die restlichen sechs Fälle beziehen sich auf Kapitalverbrechen, die während der Besatzungszeit von Displaced Persons in der britischen Zone verübt wurden.
Royal Warrant Courts Die Royal Warrant Courts wurden von den Briten als Sondergerichte für Kriegsverbrechen gegen Angehörige alliierter Nationen eingerichtet. Sie unterstanden dem Judge Advocate General's Office (JAG), also jener Behörde, die im War Office (WO) für die Verfolgung und Ahndung von Kriegsverbrechen zuständig war. Der Deputy Judge Advocate General in Caserta (HQ Central Mediterranean Force) befehligte die in Österreich eingesetzten Ermittler. Von Caserta aus wurde im Jänner 1946 eine eigene War Crimes Branch in Klagenfurt installiert und dem Assistant Director, Judge Advocate General (ADJAG) bei den British Troops Austria (BTA) zugeteilt. Diese Abteilung ging wiederum im Jänner 1947 in der War Crimes Group, North West Europe bei der British Army of the Rhine (BAOR) auf. Im Juni 1947 wurde außerdem noch eine eigene War Crimes Group, South East Europe ins Leben gerufen, die direkt dem Military Deputy, Judge Advocate General in London unterstellt war. In geringerem Umfang war schließlich auch das Amt des Treasury Solicitors (TS) mit Kriegsverbrechen befasst. Ermittlungs- und Prozessakten zu Verfahren der Royal Warrant Courts in Österreich sind daher hauptsächlich auf die folgenden Archivbeständen verteilt: WO 235: JAG: War Crimes Case Files WO 309: JAG: British Army of the Rhine (BAOR), War Crimes Group (North West Europe) and predecessors: Registered Files WO 310: JAG: War Crimes Group (South East Europe) and predecessors: Case Files (mainly HQ British Troops Austria) WO 311: JAG: Military Deputy's Department and War Office, Directorates of Army Legal Services: War Crimes Files TS 26: Treasury Solicitor and HM Procurator General: War Crimes Papers Besonders gut dokumentiert ist die größte Verhandlung eines Royal Warrant Courts in Österreich, der Prozess gegen die SS-Mannschaften der KZ-Nebenlager Loiblpass-Nord und Loiblpass-Süd. Dieser und andere Fälle, die sich mit Konzentrations- bzw. Nebenlagern beschäftigen, sind in der folgenden Aufstellung durch die Abkürzung »KZ« gekennzeichnet. Die meisten der unten angeführten Faszikel enthalten aber Unterlagen zu Verbrechen an Kriegsgefangenen, die in den so genannten Arbeitskommandos (Work Camps) des Kriegsgefangenenlagers Wolfsberg (Stalag 18a) oder im Stammlager selbst begangen wurden (Abkürzung »AK«). Die britischen Ermittler untersuchten außerdem den Tod von alliierten Fliegern bei Graz, Misshandlungen und Tötungen von Juden sowie Vorfälle in Spitälern und Gefängnissen. In wie vielen Fällen es nach der Einleitung von Erhebungen auch tatsächlich zu einem Gerichtsverfahren gekommen ist, bleibt indes unklar, weil die Gesamtzahl der Royal Warrant Court-Verhandlungen in der britischen Zone Österreichs noch nicht gesichert ist. Im Übrigen ist die Ergiebigkeit der Faszikel sehr unterschiedlich. Das lohnendste Material bietet jedenfalls der Bestand WO 235. Die Kernstücke dieser Unterlagen bilden hand- oder maschinengeschriebene Verhandlungsmitschriften, die je nach Umfang und Dauer des Prozesses bis zu 600 Seiten umfassen; sie sind für 14 Verfahren vorhanden.
Die Bestände WO 309-311 enthalten in erster Linie teils umfangreiche Pre- und Post-Trial-Unterlagen, darunter Ermittlungsakten, Zeugenaussagen, Behördenschriftverkehr, Fotomaterial und Gnadengesuche.
Der weniger ergiebige Bestand (TS) 26 umfasst unter anderem Anklageschriften, Kriegsverbrecherlisten, Prozessberichte und Akten der United Nations War Crimes Commission:
Diese Übersicht kann zwar keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, die angeführten Bestände des Public Record Office enthalten aber die wichtigsten Quellen der britischen Militärgerichtsbarkeit in Österreich. Darüber hinaus finden sich natürlich auch noch in anderen Archivbeständen Unterlagen mit Bezügen zu Militärgerichtsverhandlungen bzw. Kriegsverbrechen und deren Ahndung in Österreich. Der Informationsgehalt ist dort aber geringer, und eine erschöpfende Darstellung hätte den Rahmen dieses Beitrages bei weitem gesprengt. Mag. Meinhard Brunner ist Historiker in Graz |
von: Meinhard Brunner erschienen in: Justiz und Erinnerung Nr.4 (Mai 2001) |
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