Presse-Echo des Prozesses gegen Otto GRAF und Franz WUNSCH
Die Berichterstattung ausgewählter Zeitungen
zum 2. Wiener Auschwitz-Prozess (1972)
VOLKSSTIMME
Diesem Prozess misst die VST nur wenig Aufmerksamkeit bei. Wenngleich über
den zur gleichen Zeit stattfindenden Prozess gegen Gogl umfangreich und detailliert
berichtet wird, wird der Prozess gegen Wunsch und Graf nur als Randnotiz wahrgenommen
und als ebensolche abgedruckt.
So erfolgt der erste Bericht erst am 27.4. als oberflächlicher kurzer
Artikel, indem nur die Tatsache genannt wird, dass gegen Wunsch und Graf ein
"Auschwitzprozess" geführt werde.
Es geht hier – wie auch im NK oder der AZ – kaum um geschichtsbezogene
Aspekte oder um die Vermittlung von historischen Tatsachen, die Berichterstattung
hält sich dieses mal – und dies in äußerst knapper Form
– an das Prozessgeschehen. Nur nach und nach erfährt man im Laufe
der Berichterstattung schleppend über die einzelnen Anklagepunkte gegen
Wunsch und Graf. Mehr oder minder als Zusammenfassung erwähnt die VST
nur kurz:
"Wie in allen NS-Prozessen bestreiten auch die beiden ehemaligen SS Bewacher
jegliche Schuld. Niemand haben sie ein Haar gekrümmt. Außer –
nun ja – 'ein paar Ohrfeigen' habe er Graf hin und wieder ausgeteilt."
(28.4.1972)
Es folgen nur ab und an Prozessberichterstattungen. Über den Prozessverlauf
erfahren die LeserInnen nur äußert unregelmäßig. Zumeist
handelt es sich dabei um kurze Zusammenfassungen von Belastungszeugen. Es
ist nicht 178 erkennbar, nach welchen Kriterien die VST Berichte bringt, an
welchen Tagen und anlässlich welcher Aussagen dies geschieht.
Selbst über den Urteilsspruch berichtet die VST nur oberflächlich:
"Wieder zwei skandalöse Freisprüche" (28.6.1972)
Erst am nächsten Tag bezieht die VST Stellung zum Urteil. Der Kommentar
ist tituliert "Wieder Justizskandal" und thematisiert den Sinn der
Prozesse:
Bei den NS-Prozessen ginge es nicht um Rachejustiz, sondern darum, "durch
ein klares Urteil die Menschlichkeit gegenüber der Unmenschlichkeit und
Brutalität in Schutz zu nehmen." Durch diese Freisprüche werde
der Demokratie kein guter Dienst erwiesen. Die VST bringt diese Freisprüche
einmal mehr in Verbindung mit der österreichischen Politik und sieht
diese im Zeichen der "Laxheit, die von verantwortlichen Stellen gegenüber
neonazistischen Kräften an den Tag gelegt wird."
Die VST erkennt in diesen Freisprüchen einen Triumph der neonazistischen
Kräfte (29.6.1972)
In Anlehnung an eine Erklärung des Bundesverbandes Österreichischer
Widerstandskämpfer schreibt die VST zudem im Artikel über den "Protest
gegen Skandalfreispruch:"
"Der Freispruch von zwei SS-Männern erhärte neuerlich den Verdacht,
dass man die Morde an Juden und Polen, Holländern, Russen, Österreichern
und Angehörigen vieler anderer Nationen in Österreich für ein
nicht sühnenswertes Delikt ansehe" (29.6.1972)
NEUER KURIER
Der NK berichtet über den "zweiten großen Auschwitz-Prozess"
lediglich zu Beginn und zum Ende des Prozesses. Die Berichte haben allerdings
eher den Charakter einer Kurzmeldung – genannt werden lediglich die
Angeklagten sowie der Tatvorwurf. Auch der Ausgang des Prozesses wird nur
kurz verlautbart neben der zusammenfassenden Erwähnung der Plädoyers.
SALZBURGER NACHRICHTEN
Im Unterschied zu allen anderen Zeitungen ist die Berichterstattung in den
SN umfangreich – wenngleich auch hier aufgrund der langen Prozessdauer
und der Unterbrechungen keine kontinuierliche Berichterstattung erfolgt. Allerdings
bleibt die Qualität der Berichterstattung oft oberflächlich. Anhand
der Anklage und Zeugenaussagen werden die Wunsch und Graf angelasteten Verbrechen
beschrieben. Eine umfassende historische Einordnung dieser Verbrechen fehlt;
keine Rede davon, dass sie an der "Endlösung" mitgewirkt hatten.
Wiederum ist die Berichterstattung, entlastende und belastende Argumentationen
betreffend, ausgewogen, auf Widersprüche in den Zeugenaussagen weisen
die SN explizit hin. Auch das Thema Befehlsnotstand ist Teil der Berichterstattung.
Es geht dabei um ein Gutachten des Gerichtssachvollständigen Buchheim,
dessen Fazit die SN auch klar übernehmen:
"Der Gutachter betonte […], dass es niemals vorgekommen sei, dass
bei einer Befehlsverweigerung ein SS-Angehöriger sofort hingerichtet,
und ohne Prozess in ein KZ eingeliefert wurde. 'Das war eine Legende' schloss
er seinen Vortrag" (6.5.1975)
Aufgrund der langen Verhandlungsdauer kommen die SN zum Schluss, der "Auschwitz-Prozess
zieht sich" und die Zeugen könnten nichts zur Wahrheitsfindung beitragen
(10.5.1975).
Die SN erwähnen schließlich auch einen Zwischenfall:
Der Zeuge Vrba sei im Vorraum "angepöbelt worden". Berichtet
wird in der Folge auch über die Antwort des Generalkonsuls Hecht, den
der Zeuge um Schutz in Österreich gebeten hatte (woher der Zeuge stammt,
bleibt allerdings unerwähnt): "Der beste Schutz ist, wenn sie nicht
hinfahren" (2.6.1975). Einen Kommentar hierzu geben die SN allerdings
nicht ab.
Zum Urteil erscheint ein kurzer Artikel. Die Anschuldigungen werden hierin
nochmals zusammengefasst gefolgt vom Schlusssatz:
"Die Angeklagten wiesen schon am ersten Verhandlungstag, am 25. April
d.J., die schweren Vorwürfe zurück." (28. 6. 1975).
ARBEITER ZEITUNG
Wenig Beachtung schenkt die AZ dem Auschwitz-Prozess gegen Wunsch und Graf.
Fernab von historischen Hintergrundberichten bringt die AZ nur unregelmäßige
Berichte. Diese stehen im Zeichen der Schilderung der belastenden Zeugenaussagen.
Der Freispruch sei trotz schwerer Belastungen erfolgt, es handle sich dabei
wieder um ein unfassbares Geschworenenurteil (28.6.1975).
Eine eingehende Auseinandersetzung mit Ursachen, Bedingungen etc. für
das Urteil bleibt allerdings ausgespart.
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