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Informationen zum Projekt-Paket
Justiz und NS-Gewaltverbrechen in Österreich
Aus der Gemeinsamen Einleitung der drei Anträge
(Wien/Linz, Graz, Innsbruck) an den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen
Forschung
(FWF-Projekte Nr. 15704 bis 15706)
a) Allgemeines
Die Überzeugung, dass staatlich angeordnete oder geduldete Verbrechen
nicht straflos bleiben dürfen, ist nicht zuletzt durch das Wirken
der Nachkriegsgerichte in den »Tätergesellschaften«
zu einem Bestandteil des europäischen Rechtskulturerbes geworden. Um
diese historischen Erfahrungen für die aktuellen Diskussionen über
die Strafbarkeit von Humanitätsverbrechen produktiv machen zu können,
sind allerdings gründlichere Kenntnisse über die damaligen Verfahren
erforderlich, als sie für die meisten europäischen Staaten vorliegen.
Unter Humanitätsverbrechen (»Verbrechen gegen die Menschlichkeit«)
werden nicht nur Kriegsverbrechen, sondern auch Verbrechen gegen die »eigene«
Bevölkerung verstanden. Die Ahndung von Kriegs- und Humanitätsverbrechen
erschöpfte sich nach 1945 nicht in den Kriegsverbrecherprozessen der
siegreichen Kriegsgegner (obwohl auch diese erst unzureichend erforscht sind
vgl. Cohen/Simon 1999 vgl. die Liste der zitierten
Bücher unten!), sie warf auch in den »Tätergesellschaften«
juristische sowie politisch-soziale Fragen auf. Das legt eine interdisziplinäre
Herangehensweise bei ihrer Erforschung nahe.
Im Gefolge des Zusammenbruchs der europäischen Nachkriegsordnung nach
1989 und der damit verbundenen Neubewertung der unmittelbaren Nachkriegszeit
wurden seit Anfang der neunziger Jahre auch die justiziellen Bemühungen
zur Diktaturfolgenbewältigung Gegenstand wissenschaftlicher Debatten
(Judt 1993, Deák/Gross/Judt 2000). Trotz politikwissenschaftlicher
und zeitgeschichtlicher Forschungen zur »Vergangenheitsbewältigung
durch Strafverfahren« nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland (Weber/Steinbach
1984), sondern auch in Österreich (Meissl/Mulley/Rathkolb 1986, Kuretsidis-Haider/Garscha
1998), wurde bisher allerdings kein auf der Analyse von Strafurteilen beruhender
und damit empirisch abgestützter Vergleich der justiziellen
»Bewältigung« von NS-Verbrechen in den »Nachfolgestaaten«
des Dritten Reiches, Deutschland (BRD/ DDR) und Österreich, vorgelegt
(Ansätze dazu jedoch in: Steininger 1994).
Die Hauptursache dafür ist der Rückstand der Forschung in Österreich.
Es fehlt eine Bestandsaufnahme der österreichischen Prozesse; bis jetzt
liegen nur teilweise Regionalstudien (Polaschek 1998a, Kuretsidis-Haider/Garscha
2001) vor. Allerdings wurden seitens der Zentralen österreichischen Forschungsstelle
Nachkriegsjustiz, in Fortsetzung zweier vom FWF geförderter Projekte,
bis jetzt ca. 640 Verfahren vor dem Volksgericht Wien (19451955) und
50 Verfahren wegen NS-Verbrechen vor dem Wiener Straflandesgericht (19551975)
mikroverfilmt und ausgewertet, außerdem wurde mit der Erstellung einer
Datenbank begonnen, die für das hier beantragte Projekt-Paket genützt
werden kann (siehe Beilage B). Im Jänner 2001 wurde ein Projekt<1>
gestartet, als dessen Ergebnis bis 2003 für Österreich rechts-,
politik- und kulturgeschichtliche Vorarbeiten für einen Gesamtvergleich
Deutschland/Österreich vorgelegt werden sollen.
Lediglich für die nach der Abschaffung der so genannten Volksgerichte
ergangenen Gerichtsentscheidungen (nämlich 38 Urteile der Geschwornengerichte
19561975 und 7 in den siebziger Jahren erfolgte Verfahrenseinstellungen)
hat das Bundesministerium für Justiz neben summarischen Statistiken
kurze Beschreibungen publiziert, die als Grundlage für die Analyse
des Umgangs der österreichischen Justiz mit NS-Gewaltverbrechen in diesem
Zeitraum dienen können (Marschall 1987). Für die Volksgerichtsbarkeit
der Jahre 19451955 beschränkt sich die Publikation des Justizministeriums
auf die Beschreibung jener 64 Prozesse, in denen mindestens ein Angeklagter
zum Tode oder zu lebenslänglichem Kerker verurteilt wurde. Eine Einschätzung
von Gegenstand und Ausgang der Volksgerichtsverfahren ist auf dieser Basis
nicht möglich, da damit nicht einmal 0,1% aller Verfahren vor den vier
österreichischen Volksgerichten erfasst wurden.
Für Deutschland hingegen sind neben den Gesamtstatistiken des Bundesministeriums
der Justiz bereits detaillierte Übersichten über Gegenstand und
Ausgang der Strafverfahren wenngleich ausschließlich bezogen
auf die Ahndung von NS-Tötungsverbrechen verfügbar (Rüter/de
Mildt 1998).
Die Zuständigkeit der bei den Landesgerichten am Sitz der vier Oberlandesgerichte
(Graz, Innsbruck, Linz, Wien) installierten Volksgerichte bezog sich auf die
im NS-Verbotsgesetz (VG) und im Kriegsverbrechergesetz (KVG) definierten Delikte
sowie auf sonstige Straftaten, »sofern der Täter aus nationalsozialistischer
Gesinnung oder aus Willfährigkeit gegenüber Anordnungen gehandelt
hat, die im Interesse der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft oder aus
nationalsozialistischer Einstellung ergangen sind« (§ 11/2 KVG).
Die Bedeutung der Volksgerichtsbarkeit ergibt sich daraus, dass auf diese
Form der justiziellen Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen 95% aller in
Österreich gerichtsanhängig<2> gemachten
Ermittlungen wegen NS-Verbrechen (136.829 von einem Gesamtanfall<3>
von etwa 142.000 bis 143.000 Sachen) und 99,8% aller Urteile<4>
(23.477 von 23.530) entfielen. Diese Zahlen beziehen sich auf vermutlich rund
90.000 Verfahren gegen mehr als 100.000 Personen.
Auf Grund des unterschiedlichen Standes der Vorarbeiten und der regionalen
Spezifika der Gerichtsstandorte soll die geplante Arbeit in drei separaten
Projekten durchgeführt werden, die jedoch wegen der weitgehend identen
Forschungsziele als Projekt-Paket beantragt werden:
a) OLG-Sprengel Linz und Wien (Volksgerichte Linz und Wien, Geschwornengerichtsverfahren
in Linz, Salzburg, Wels und Wien)
b) OLG-Sprengel Graz (Gerichtsstandorte Graz, Leoben und Klagenfurt),
c) OLG-Sprengel Innsbruck.
Das Projekt-Paket stellt sich zur Aufgabe, die fehlenden empirischen Daten
zu erarbeiten sowie an ausgewählten Fallbeispielen die
Tätigkeit der Staatsanwaltschaften und Gerichte zu analysieren. Die Ergebnisse
der drei Forschungsprojekte werden sowohl untereinander als auch mit den vorliegenden
Forschungsergebnissen für West- und Ost-Deutschland verglichen werden.
Sowohl aus prinzipiellen Überlegungen (staatlich angeordnete bzw. tolerierte
Tötungen als Charakteristikum der NS-Diktatur und der von ihr abhängigen
Kollaborationsregime) als auch aus Gründen der praktischen Durchführbarkeit
ist es erforderlich, den internationalen Vergleich auf NS-Tötungsverbrechen
zu beschränken und dafür nur jene Prozesse heranzuziehen, die mit
einem Urteil abgeschlossen wurden. Für den innerösterreichischen
Vergleich aber auch zur Beantwortung der Frage nach der »Effizienz«
der österreichischen Justiz bei der Ahndung von NS-Verbrechen
ist es darüber hinaus sinnvoll, die Gesamtheit der NS-Gewaltverbrechen
in die Untersuchung einzubeziehen.
Als Tötungsdelike werden im Rahmen dieses Projekts Mord und Totschlag
(§§ 134137, 140 des alten österreichischen StG bzw.,
wenn das Recht zur Tatzeit angewandt wurde, §§ 211212 RStGB),
bestimmte Formen der öffentlichen Gewalttätigkeit (§ 87 StG
in Verbindung mit §§ 86, 88 StG) sowie jene durch das Kriegsverbrechergesetz
geschaffenen Tatbestände verstanden, in denen entweder eine besondere
Sanktion bei Todesfolge des Delikts vorgesehen war (§§ 1/15,
3/23, 7/3 KVG = Kriegsverbrechen und Verbrechen, die den »natürlichen
Anforderungen der Menschlichkeit widersprechen«, Misshandlung, Denunziation)
oder das Delikt bereits als Beihilfe zum Mord definiert war (§ 5a KVG
= Deportation, »Vertreibung aus der Heimat«). Wie viele der österreichischen
Gerichtsverfahren, in denen wegen NS-Tötungsverbrechen ermittelt wurde,
mit einem Urteil endeten, lässt sich beim gegenwärtigen Forschungsstand
nur annähernd schätzen. Nach den durch die Zentrale österreichische
Forschungsstelle Nachkriegsjustiz bisher gesammelten Informationen dürfte
es sich um maximal zweitausend der insgesamt 23.531 Urteile handeln.
Unter NS-Gewaltverbrechen werden neben den erwähnten Tötungsdelikten
auch Misshandlungen ohne tödlichen Ausgang (§ 3/1 KVG), aber auch
Verletzungen der Menschenwürde (§ 4 KVG) und Raub (§ 6 KVG
= Arisierung, »missbräuchliche Bereicherung«) verstanden.
Die Anzahl dieser Urteile ist beträchtlich höher, sie dürfte
zwischen 3.500 und 4.000 liegen. Würde man da sie ja in sehr vielen
Fällen eine Form der Beihilfe zur Freiheitsberaubung darstellte
auch die Denunziation ohne Todesfolge (§ 7/12 KVG) zu den NS-Gewaltverbrechen
rechnen, würde sich die Anzahl der zu analysierenden Urteile mehr als
verdoppeln. Daher sollen die Denunziationsprozesse vorläufig nur statistisch
erhoben und schwerpunktmäßig an einzelnen Gerichtsstandorten genauer
untersucht werden.
Ausgehend von der Kontroverse um Daniel Goldhagens »Hitler's Willing
Executioners« (Goldhagen 1996) ist in der zweiten Hälfte der neunziger
Jahre nach ersten, auf Gerichtsakten gestützten Arbeiten zu Beginn
der neunziger Jahre (insbesondere Browning 1992, in Österreich Safrian
1993) die »Täterforschung« erneut in den Mittelpunkt
des historiografischen Diskurses über die NS-Zeit gerückt. Ergebnisse
des für Österreich diesbezüglich wichtigsten Forschungsprojekts
eine vom FWF geförderte Kollektivbiografie der österreichischen
Täter im Rahmen der »Aktion Reinhard« auf der Basis der Akten
des Klagenfurter Prozesses gegen Ernst Lerch und Helmuth Pohl liegen
noch nicht vor. Durch das hier beantragte Projekt-Paket soll nicht nur ein
Beitrag zur Verbreiterung der empirischen Basis dieser Debatte geleistet,
sondern durch Fragestellungen, die sich aus dem hier gewählten
interdisziplinären Ansatz ergeben auch ihr methodischer Ansatz
verbreitert werden.
Für die Beantwortung der mitunter auch in der tagespolitischen Auseinandersetzung
(zuletzt: Feichtlbauer 2000) aufgeworfenen Frage nach den Leistungen und Versäumnissen
der österreichischen Justiz ist eine internationale Einordnung sinnvoll,
wobei es auf Grund der geschichtlichen Gemeinsamkeiten am zweckmäßigsten
erscheint, die österreichische Entwicklung mit der deutschen zu kontrastieren.
Ermöglicht wird dies dadurch, dass die für derartige Vergleiche
erforderliche Grundlagenforschung für Deutschland bereits in hohem Ausmaß
geleistet wurde. Von besonderer Bedeutung für den hier vertretenen Forschungsansatz
sind die auf der Urteilssammlung »Justiz und NS-Verbrechen« (Rüter
et al. 19681981, vgl. auch Reiter 1998) aufbauenden Übersichten
der Gerichtsentscheidungen in Verfahren wegen Tötungsverbrechen (Rüter/de
Mildt 1998 für Westdeutschland und Westberlin; analoge Übersichten
für die DDR-Verfahren sowie für die niederländischen Verfahren
gegen Deutsche und Österreicher sind im Internet verfügbar: http://www.uva.nl/
junsv/). Erleichtert wird der Vergleich mit Deutschland auch dadurch, dass
hier bereits Ansätze einer Judikaturanalyse (Oppitz 1979, Pauli 1996,
Rüping 1997) sowie Darstellungen der Tätigkeit einzelner Staatsanwaltschaften
(Rüping 1994) publiziert wurden. Vor allem aber stehen dort der historischen
Forschung jene Karteien, Register und Statistiken der Zentralen Stelle der
Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg zur Verfügung, in denen die seit
Gründung der Zentralen Stelle 1958 eingeleiteten Ermittlungsverfahren
detailliert ausgewertet wurden.
b) Forschungsstand/Vorarbeiten
Die umfangreichsten Vorarbeiten wurden bisher für Wien geleistet, doch
entfällt auf Wien vermutlich rund die Hälfte der zu untersuchenden
Prozesse. Das Projekt kann auf zwei vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen
Forschung finanzierten Projekten des Dokumentationsarchivs des österreichischen
Widerstandes (DÖW) aufbauen: »Die Verfahren vor dem Volksgericht
Wien (19451955) als Geschichtsquelle« (19931996) und »Die
Nachkriegsjustiz als nicht-bürokratische Form der Entnazifizierung: Österreichische
Justizakten im europäischen Vergleich (strafprozessualer Entstehungszusammenhang
und Verwertungsmöglichkeiten für die historische Forschung)«
(19961998). Im zweiten der beiden Projekte wurden auch für die
Gerichtsstandorte Linz, Graz und Innsbruck Ergebnisse erarbeitet, auf die
bei der Durchführung des hier beantragten Projekt-Pakets zurückgegriffen
werden kann. Ergebnisse der beiden Projekte wurden in einem umfangreichen
internationalen Sammelband (Kuretsidis-Haider/Garscha 1998) sowie auf Konferenzen
in Österreich, Frankreich und den USA vorgestellt; eine Zusammenfassung
der bisherigen österreichischen Forschungsergebnisse wird 2002 unter
dem Titel »Nachkriegsprozesse. Die Alliierten, Deutschland und Österreich«
veröffentlicht werden. Die Durchführung des Wiener Teil-Projekts
wird insbesondere dadurch erleichtert, dass bis zum Sommer 2002 die Forschungsstelle
Nachkriegsjustiz für alle mit Urteil abgeschlossenen Wiener Volksgerichtsverfahren
Informationen über die Paragraphen, nach denen die betroffenen Personen
abgeurteilt wurden, vorlegen wird. Dadurch werden alle wegen NS-Gewaltverbrechen
ergangenen Urteile auffindbar gemacht.
Für Linz wird zur Zeit im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung,
Wissenschaft und Kultur sowie der Kulturabteilung der oberösterreichischen
Landesregierung eine Datenbank sämtlicher Volksgerichtsverfahren erarbeitet.
Die Datenbank wird noch im Laufe des Jahres 2002 eine komplette Erfassung
der Urteile ermöglichen. Außerdem liegt eine Studie über die
Arbeitsweise des Volksgerichts Linz vor (Kuretsidis-Haider/Garscha 2001).
Das Grazer Teil-Projekt kann sich für den Bereich des Außensenats
Klagenfurt des Volksgerichts Graz auf drei unveröffentlichte (Kohlweg
1981, Pellar 1981, Fera 1985) und eine publizierte Diplomarbeit (Stromberger
1988) sowie auf vorläufige Ergebnisse eines seit 1997 durchgeführten
Projekts zur Erfassung und Digitalisierung von Volksgerichtsakten an der Universität
Klagenfurt, im Zuge dessen bisher fast 200 Akten detailliert ausgewertet wurden,
stützen. Für die Gerichtsstandorte Graz und Leoben baut das hier
beantragte Projekt neben der Arbeit des Projektleiters über das
Volksgericht Graz (Polaschek 1998a) auf einem vom FWF finanzierten
Forschungsprojekt der Universität Graz auf: »Die Denunziation in
der NS-Zeit im Spiegel der Nachkriegsjustiz. Die Volksgerichtsverfahren nach
Paragraph 7 KVG in der Steiermark«. Dieses 1999 begonnene Projekt ist
noch im Laufen und endet mit 31. Dezember 2001. Eine wissenschaftliche Verwertung
der Ergebnisse des Projektes ist für 2002/2003 geplant.
Die Vorarbeiten im OLG-Sprengel Innsbruck beschränken sich auf Untersuchungen
zur französischen Besatzungsgerichtsbarkeit (Eisterer 1991, Stourzh 1998)
und zum Presseecho (Kofler 1989). Wegen der Besonderheiten der Registerführung
am LG Innsbruck enthalten die Statistiken des Justizministeriums für
Innsbruck noch weniger Spezifizierungen als für die übrigen drei
Volksgerichte. Der geringe Anfall an NS-Strafsachen im Bereich des OLG-Sprengels
Innsbruck erleichtert es, diesen Rückstand so rasch aufzuholen, dass
die Durchführung des Projekts gemeinsam mit den beiden anderen Teil-Projekten
möglich wird.
c) Gemeinsame Ziele der drei Projekte
Gemeinsame thematische Schwerpunkte der drei Forschungsprojekte sind:
* Empirische Untersuchungen des zeitlichen Verlaufs und regionaler Unterschiede
hinsichtlich der Ermittlungsschwerpunkte von Polizei und Staatsanwaltschaften
(welche Verbrechen, welche TäterInnengruppen, geschlechtsspezifische
Verteilung der untersuchten Delikte) sowie der Ergebnisse der Strafgerichtsbarkeit
(Urteile, Strafausmaß, Verfahrenseinstellungen, Begnadigungen und Amnestien,
einschließlich der Rückstellung verfallener Vermögen).
* Auswirkungen der Gerichtsverfahren auf die Auseinandersetzung der Gesellschaft
mit Kriegs- und Humanitätsverbrechen. Diese wurden am gründlichsten
in der Bundesrepublik Deutschland erforscht (Steinbach 1981, 1994, 1997, 1998,
Weber/Steinbach 1984). Ergebnisse eines Forschungsprojekts über die politischen,
juristischen und kulturellen Auswirkungen des Frankfurter Auschwitz-Prozesses
auf die deutsche Nachkriegsgesellschaft hat das Fritz Bauer Institut in seinem
Jahrbuch 2001 vorgelegt (Wojak 2001). Auch im Bereich der Wirkungsgeschichte
kann auf die für 2002 und 2003 zu erwartenden Ergebnisse des erwähnten
Jubiläumsfondsprojekts zurückgegriffen werden, das u.a. die politischen
Auseinandersetzungen im Gefolge von spektakulären Gerichtsverfahren dokumentiert
und die Presseberichterstattung in den zentralen Parteiorganen über ausgewählte
Volksgerichtsverfahren 19451955 sowie über sämtliche Prozesse
der Jahre 19561975 analysiert. Diese Forschungsergebnisse sollen durch
regionale Untersuchungen ergänzt und mit den publizierten Forschungsergebnissen
für die Bundesrepublik Deutschland (v.a. Kröger 1973) verglichen
werden. Besonderes Gewicht ist dabei auf die mediale, politische, juristische
und historiografische Auseinandersetzung um den »Befehlsnotstand«
zu legen.
* Der Einfluss gesellschaftlicher Entwicklungen auf die justizielle Ahndung
von NS-Verbrechen. Dabei soll nicht nur die innen- und außenpolitische
Entwicklung mit der Ahndung von NS-Verbrechen in Beziehung gesetzt, sondern
auch versucht werden, Wandlungen im politisch-gesellschaftlichen »Umfeld«
der Prozesse wegen NS-Gewaltverbrechen mit kommunikations- und kulturwissenschaftlichen
Methoden zu analysieren, wobei an die bisher in Österreich kaum rezipierten
breiten Forschungsansätze von Tony Judt (Judt 1997, Deák/Gross/Judt
2000) und Norbert Frei (Frei 1996) angeknüpft wird. Grundlagen hierfür
werden zur Zeit im Rahmen des eingangs erwähnten OeNB-Projekts erarbeitet,
im Zuge dessen entlang der Entwicklung der rechtlichen Grundlagen der
Ahndung von NS-Verbrechen die mit dem Gesetzgebungsprozess verbundenen
politischen Auseinandersetzungen dokumentiert sowie text- und kontextbezogen
analysiert werden. Die dabei gewonnenen Forschungsergebnisse sind im dritten
Projekt-Jahr auf der Basis der vorliegenden Literatur (Bibliografie:
Pollmann 2000) den Forschungsergebnissen zur Entwicklung in West- und
Ost-Deutschland gegenüberzustellen. Ein besonderer Analyse-Schwerpunkt
wird dabei die unterschiedliche Handhabung der Verjährungsfrage in der
Bundesrepublik Deutschland und in Österreich und ihre möglichen
Einflüssen auf das »gesellschaftliche Klima«, in dem die
Täterverfolgung stattfand, sein.
Im rechtsgeschichtlichen bzw. strafrechtlichen Bereich bezweckt
das nachfolgend beschriebene Forschungsvorhaben:
* die bisher im Zuge von Forschungsprojekten, Diplomarbeiten und Dissertationen
sowie im Rahmen der Tätigkeit der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz gesammelten
Informationen über österreichische Gerichtsverfahren wegen Kriegs-
und Humanitätsverbrechen zu komplettieren und detaillierte Statistiken
zur Ahndung der verschiedenen Kategorien von NS-Verbrechen durch die österreichische
Justiz zu erarbeiten;
* die mit Urteil abgeschlossenen Verfahren wegen Tötungsdelikten derart
auszuwerten, dass ein österreichisches Pendant zu den deutschen und niederländischen
Verfahrensübersichten von Rüter/de Mildt vorgelegt werden kann;
* die Spezifika der Täterverfolgung in Österreich hinsichtlich der
Rechtslage und der Arbeitsweise von Staatsanwaltschaften und Gerichten zu
untersuchen, wobei auf der Grundlage eines Vergleichs ausgewählter
österreichischer und deutscher Gerichtsverfahren, insbesondere wegen
der Verbrechenskomplexe NS-Euthanasie und Massenvernichtungsverbrechen an
Jüdinnen und Juden der Frage nachgegangen werden soll, ob unterschiedliche
Rechtsgrundlagen zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der justiziellen »Bewältigung«
der gleichen (nationalsozialistischen) Verbrechen führten;
* unter Verwendung der von C. F. Rüter entwickelten Kategorien (Verbrechenskomplexe,
Opfer, Dienststellen der Täter) die Schwerpunkte der Täterverfolgung
durch die österreichische Justiz herauszuarbeiten und Erklärungsmodelle
für die Unterschiede zur Bundesrepublik Deutschland und zur DDR vorzuschlagen;
* am Beispiel von Prozessen wegen Tötungsdelikten die wechselseitige
Abgabe von Strafverfahren wegen NS-Verbrechen an andere Staatsanwaltschaften/Gerichte
zu untersuchen, und zwar jeweils in Kooperation zwischen den Teil-Projekten,
in deren regionale Zuständigkeit die Verfahren fallen;
* regionale Unterschiede in Österreich, insbesondere zur Zeit der vierfachen
Besetzung 1945 1955, herauszuarbeiten, wobei die Arbeitsweise von Staatsanwaltschaften
und Gerichten nach folgenden Kriterien analysiert werden soll:
> Beispiele unterschiedlicher Anwendung der nach 1945 geschaffenen besonderen
Gesetze zur Ahndung von NS-Verbrechen (VG und KVG),
> Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Handhabung der Bestimmungen dieser
Gesetze (z. B. Konkurrenzen zwischen § 11 VG, §§ 1, 3 und 4
KVG und §§ 134 ff. StG) durch Staatsanwaltschaften und Gerichte,
> Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Spruchpraxis der Gerichte, vor
allem hinsichtlich der faktischen Durchbrechung des rückwirkenden Charakters
von VG und KVG (mit der Einführung des »Rechts zur Tatzeit«
durch Anwendung von §§ 211, 212 RStGB anstelle des in Verbindung
mit §§ 1 bzw. 3 KVG angewandten § 134 StG) sowie hinsichtlich
des Unterlaufens der im Nationalsozialistengesetz vom 6. Februar 1947 erfolgten
Ausdehnung von § 1 Abs. 6 KVG auf die NSDAP-Kreisleiter in zahlreichen
Volksgerichtsurteilen,
> Aufhebungen von Volksgerichtsurteilen durch den OGH (untersucht auch
hinsichtlich der möglicherweise unterschiedlichen Begründungen
der Aufhebung von Urteilen der einzelnen Gerichte und etwaiger Unterschiede
in der Häufigkeit derartiger Urteilsaufhebungen zwischen den OLG-Sprengeln)
sowie Rechtsmittelentscheidungen ab 1956 (OLG, OGH).
Gemeinsame Aufgabe des ersten Arbeitsschrittes in allen drei
Teil-Projekten ist es, alle SachbearbeiterInnen mit der Methodendiskussion
und dem Forschungsstand in Deutschland (u. a. in Form einer Auswertung der
deutschen Urteilssammlung »Justiz und NS-Verbrechen«) vertraut
zu machen, die Urteile an den einzelnen Gerichtsstandorten zu erheben, inhaltlich
auszuwerten und in den jeweiligen regionalen politischen Kontext zu stellen.
Zu Beginn dieser Arbeitsphase erfolgt die Einschulung für die gemeinsamen
Datenbank (Eingabe und Abfrage/Auswertung) und die Überprüfung der
bisher erfolgten Adaptionen der »Rüter-Kategorien« an die
österreichischen Besonderheiten. Der intensive Kontakt zwischen den SachbearbeiterInnen
der drei Projekte, der auf elektronischem Wege (Mailing-Listen) und über
die weiter unten beschriebenen Workshops erfolgen soll, hat auch die wechselseitige
interdisziplinäre Weiterbildung durch den Austausch individuell erworbener
Kompetenzen zum Ziel. Die regionale Kontextualisierung dient zudem einer Bestandsaufnahme
des am Standort verfügbaren Wissens, wobei auch regionale ExpertInnen
wie mit solchen Verfahren befasste Richter, Staatsanwälte und Kriminalbeamte,
Fachleute für internationales Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsgeschichte,
Rechtssoziologie und Kommunikationswissenschaften eingebunden werden sollen.
In der zweiten Phase werden die Gerichte selbst (personelle Zusammensetzung,
Funktionsweise) untersucht und Besonderheiten in der Judikatur herausgearbeitet.
Die Schlussphase des Projekts dient dem interregionalen Vergleich und der
Herstellung von Bezügen zur allgemeinen politischen Entwicklung in Österreich
sowie der Kontrastierung der österreichischen Forschungsergebnisse mit
dem Befund für die Bundesrepublik Deutschland und die DDR.
Die beiden von der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz betreuten Datenbank-Projekte
erlauben es, das Teil-Projekt Wien/Linz mit einer relativ geringeren personellen
Ausstattung durchzuführen als die Forschungsprojekte an den Gerichtsstandorten
Graz/Klagenfurt und Innsbruck, wo der Großteil der Datenerfassung (die
die Grundvoraussetzung für einen empirisch abgestützten Vergleich
darstellt) erst im Rahmen des hier beantragten Projekt-Pakets geleistet werden
muss. Außerdem können dadurch die Software-Kosten gering gehalten
werden, weil nur mehr Adaptionen einer in Wien und Linz bereits erprobten
Datenbank-Struktur und deren Implementierung an den übrigen Gerichtsstandorten
sowie die Durchführung der laufenden Updates der Gesamtdatenbank erforderlich
sind.
d) Zusammenwirken der drei Teil-Projekte
und europäische Perspektive des Projekt-Pakets
Die Vernetzung zwischen den Arbeitsteams soll in erster Linie durch die insgesamt
neun an unterschiedlichen Orten durchgeführten Workshops
gefördert werden, die in der Anfangs- und Schlussphase des Projekts konzentriert
werden. In der ersten Phase sollen die Workshops die Einheitlichkeit der Datenerfassung
und der inhaltlichen Auswertung der Urteile garantieren und die MitarbeiterInnen
der jeweils anderen Projekte mit der Problematik vor Ort (d.h. dem jeweiligen
Archiv und/oder Gericht) vertraut machen und so die Voraussetzung für
einen Erfahrungsaustausch und für Synergie-Effekte schaffen. Das gemeinsame
Aktenstudium vor Ort während der ersten Workshops dient dem Erwerb von
gesamtösterreichischen Kompetenzen aller Beteiligten. Durch die Einbindung
regionaler ExpertInnen aus den Bereichen Gerichtswesen und Wissenschaft in
die Workshops sollen standortspezifische Vorteile für die Weiterbildung
der MitarbeiterInnen aller drei Teil-Projekte genutzt werden. In der Abschlussphase
sollen die Workshops den interregionalen Vergleich ermöglichen und
insbesondere durch die interdisziplinäre Struktur und die verschiedenen
methodischen Ansätze des Projektes wechselseitigen Anregungen
dienen.
Vorläufig umfasst der Arbeitsplan
folgende gemeinsame Beratungen und Workshops:
* Juli 2002 (Wien, 1 Tag): Startup, erster Meinungsaustausch über Zeitabläufe
sowie Lösungsmöglichkeiten für die durch die Kürzungen
gegenüber den projektierten Mitteln erforderlichen Umplanungen; Festlegung
von Datum und Programm des ersten Workshops
gemeinsame Durchsicht von Wiener Gerichtsakten.
* November 2002 (Linz, 2½ Tage): Einführung in spezielle Fragestellungen
durch einzelne MitarbeiterInnen, Erfahrungsaustausch über methodische
Probleme; erster umfangreicher Erfahrungsaustausch bezüglich des Umgangs
mit Gerichtsakten und der Arbeit mit den Datenbanken; Diskussion über
die vorhandene Literatur zu Österreich und Deutschland; gemeinsame Durchsicht
von Linzer Gerichtsakten.
* 2003 (Innsbruck, 1½ Tage): Review der Eingabetätigkeit, Diskussion
von Problemen bei der Auswertung von Gerichtsakten und -registern während
der vergangenen Monate; gemeinsame Durchsicht von Innsbrucker Gerichtsakten.
* 2003 (Graz, 1½ Tage): 2. Review der Eingabetätigkeit, Abstimmung
des jeweiligen Beginns der zweiten Arbeitsphase; gemeinsame Durchsicht von
Grazer und Leobener Gerichtsakten.
Themenstellung weiterer Beratungen (in Wien, Klagenfurt und ev. Graz):
* Review der ersten Arbeitsphase (Datenerfassung) in allen drei Projekten;
Abstimmung und Review der zweiten Phase (Judikaturanalyse).
* Koordinierung der dritten Arbeitsphase (interregionaler und internationaler
Vergleich); erste Vorstellung und Diskussion der statistischen Auswertung
der Datenbank; Diskussion der Forschungsergebnisse mit JuristInnen, HistorikerInnen
und PolitikwissenschaftlerInnen über den Vergleich Österreich/Deutschland;
Vorbereitung des Endberichts.
Die drei Teil-Projekte des Projekt-Pakets
sind:
1. Die Auseinandersetzung der Justiz mit nationalsozialistischen Verbrechen
eine Untersuchung der Volksgerichtsbarkeit und der ordentlichen Gerichtsbarkeit
in den Oberlandesgerichtssprengeln Wien und Linz. Projektleiter: Dr. Winfried
Garscha (Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz,
Wien).
Zusätzlich zur Analyse der Urteile wegen NS-Gewaltverbrechen werden im
Rahmen dieses Projekts sämtliche österreichische Ermittlungsverfahren
wegen Verbrechen im KZ Mauthausen und seinen Nebenlagern erfasst und ausgewertet
sowie mit den amerikanischen und deutschen Mauthausen-Prozessen verglichen
werden. Ein zweiter Schwerpunkt ist die Erfassung und Analyse der nicht mit
Urteil abgeschlossenen Verfahren gemäß § 5a KVG wegen der
Beteiligung an der Deportation von 41.000 Wiener Jüdinnen und Juden in
die Ghettos und Vernichtungslager. Zusätzlich zur Analyse der Ahndung
von NS-Gewaltverbrechen sollen im OLG-Sprengel Linz alle Urteile wegen §
11 VG ausgewertet werden, die sich auf die Zugehörigkeit der Angeklagten
zur »Österreichischen Legion« in Deutschland zwischen 1934
und 1938 bezogen.
2. Die Auseinandersetzung der Justiz mit nationalsozialistischen Verbrechen
eine Untersuchung der Volksgerichtsbarkeit und der ordentlichen Gerichtsbarkeit
im Oberlandesgerichtssprengel Graz. Projektleiter: ao.Univ.-Prof. Dr. Martin
F. Polaschek (Institut für Österreichische Rechtsgeschichte und
Europäische Rechtsentwicklung an der Karl-Franzens-Universität Graz).
Schwerpunkt des Grazer Projekts ist die Analyse der oben genannten juristischen
Fragestellungen. Die Verfahren gegen Gestapobeamte sollen nach Möglichkeit
komplett, d. h. unabhängig von ihrem Ausgang (Urteil, Abbruch, Einstellung)
erfasst werden. In Klagenfurt werden auch die nicht mit Urteil abgeschlossenen
Verfahren gemäß § 5a KVG wegen Beteiligung an der »Umsiedlung«
slowenischer Familien erfasst und analysiert, womit ein Vergleich mit den
Wiener Deportationsverfahren ermöglicht wird.
3. Die Auseinandersetzung der Justiz mit nationalsozialistischen Verbrechen
im Oberlandesgerichtssprengel Innsbruck. Projektleiter: ao. Univ.-Prof. Dr.
Thomas Albrich (Institut für Zeitgeschichte an der Universität Innsbruck).
Zusätzlich zur Analyse der Ahndung von NS-Gewaltverbrechen sollen im
OLG-Sprengel Innsbruck alle Urteile wegen § 11 VG ausgewertet werden,
die sich auf NS-Gewaltverbrechen beziehen. Ferner werden alle Voruntersuchungen
wegen NS-Gewaltverbrechen dahingehend ausgewertet werden, nach welchen Kriterien
die Staatsanwaltschaft Innsbruck Anklage erhob.
Die österreichischen Forschungen waren von Anfang an in
die seit Mitte der neunziger Jahre verstärkt geführte internationale
Diskussion zur Nachkriegsjustiz eingebunden, in erster Linie im Rahmen des
von der Volkswagen-Stiftung finanzierten Projekts des Instituts für die
Wissenschaften vom Menschen (IWM) »Legalität und Legitimation.
Politische Justiz im Zeichen des Zweiten Weltkrieges« (Projektleitung:
Tony R. Judt, István Deák, Jan T. Gross, Drago Roksandic). Der
Leiter eines der drei hier beantragten Projekte, Winfried Garscha, war wissenschaftlicher
Koordinator in der Endphase des IWM-Projekts, dessen Abschlussbericht an die
Volkswagen-Stiftung er gemeinsam mit Prof. Judt verfasste. Seit 1999 wird
vorläufig zwischen niederländischen, polnischen und österreichischen
ForscherInnen die Vernetzung von Justiz-Datenbanken und der Austausch
der darauf aufbauenden Forschungen vorbereitet. Das vernetzte Arbeiten an
dislozierten Gerichtsstandorten innerhalb Österreichs mittels einer gemeinsamen
Datenbank dient auch der Erprobung derartiger Techniken für das geplante
europäische Großprojekt, das weitere insbesondere ostmitteleuropäische
Staaten in den internationalen Vergleich mit einbeziehen soll.
Durch die hier beantragten Projekte sollen die innerösterreichischen
Voraussetzungen für eine derartige Zusammenarbeit auf europäischer
Ebene, insbesondere aber für ein gemeinsames Projekt mit deutschen Forschungseinrichtungen
geschaffen werden, das neben vorwiegend juristischen und historischen auch
sozialwissenschaftliche Kategorien wie die Stichprobengröße u.ä.
in den Vergleich mit einbezieht und durch die Berücksichtigung regionaler
Differenzierungen in der Bundesrepublik Deutschland eine vertiefende kulturwissenschaftliche
Untersuchung ermöglicht.
Das hier beantragte Projekt-Paket bedient sich einer interdisziplinären
Herangehensweise, die Synergieeffekte des Arbeitens an verschiedenen Gerichtsstandorten
und in unterschiedlich zusammengesetzten Arbeitsteams (HistorikerInnen, PolitologInnen,
JuristInnen) zu nutzen versucht. Geplant ist die Konzentration der juristischen
Analyse in Graz, der Datenbankanalyse in Wien und Linz, des politikwissenschaftlichen
Zugangs in Wien, der Einbettung der Gerichtsbarkeit in einen regionalhistorischen
Kontext in Klagenfurt und Innsbruck, des gesellschafts- und kulturgeschichtlichen
Vergleichs mit Deutschland in Wien und des rechtsdogmatischen Vergleichs mit
Deutschland in Graz. Dies verspricht die optimale Ausschöpfung der vorhandenen
Personalressourcen und die Einsparung von Kosten, da durch das gegenseitige
»Zuarbeiten« der Teams und durch den laufenden Austausch ihrer
Forschungsergebnisse Parallelarbeiten vermieden werden und die erwähnte
wechselseitige Qualifizierung gewährleistet wird. Dadurch soll ein zentrales
Anliegen des Projekt-Pakets verwirklicht werden: Die Zusammenführung
der unterschiedlichen ForscherInnenteams, die sich bisher mit der österreichischen
Nachkriegsjustiz beschäftigten, zu einer gesamtösterreichischen
Arbeitsgruppe, die einerseits den Kern eines interdisziplinären Forschungsbereichs
»Auseinandersetzung mit Kriegs- und Humanitätsverbrechen in Vergangenheit
und Gegenwart« an mehreren österreichischen Universitäten
bilden und andererseits die Kompetenz entwickeln kann, in internationalen
Projekten initiativ und innovativ mitzuwirken. Aus dem bisherigen Rückstand
der österreichischen Forschung soll ein neues Modell entstehen, das über
Österreich hinaus neue Impulse für Forschung und Lehre (auch für
Diplomarbeiten und Dissertationen) vermitteln und für Forschungsvorhaben
auf internationaler Ebene eine Vorreiterrolle einnehmen kann.
Zitierte Literatur:
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des Holocaust, Bd. 5), Frankfurt/Main-New York 2001.
Anmerkungen
<1> Justiz und NS-Gewaltverbrechen. Die justizielle
»Bewältigung« nationalsozialistischer Verbrechen in der Bundesrepublik
Deutschland und Österreich im Vergleich, Teil-Projekt »Gesellschaft
und Justiz Entwicklung der rechtlichen Grundlagen, öffentliches
Echo und politische Auseinandersetzungen um die Ahndung von NS-Verbrechen
in Österreich«. Finanzierung: Jubiläumsfonds der Oesterreichischen
Nationalbank (OeNB), Projektleitung: Winfried Garscha.
<2> Entsprechend
den Kriterien für die Eintragung in die gerichtlichen »Vr-Register«
sowie für die Aufnahme in die amtlichen Statistiken werden unter »gerichtsanhängig
gemachten Verfahren« nicht nur die durch Anklageerhebung, Einstellung
wegen Rücktritts der Staatsanwaltschaft von der Verfolgung (§ 109
StPO) bzw. Tods des Beschuldigten (§ 224 StG) oder durch vorübergehenden
Abbruch (§ 412 StPO) abgeschlossenen gerichtlichen Voruntersuchungen
verstanden, sondern auch Vorerhebungen, sofern die Staatsanwaltschaft vor
der Zurücklegung der Anzeige (§ 90 StPO) den Untersuchungsrichter
mit Ermittlungen beauftragt hat.
<3> Die amtliche
Statistik rechnet jede Person in einem Verfahren als »Anfall«.
Ein Verfahren gegen drei Personen, das vorübergehend abgebrochen und
dann unter einer neuen Geschäftszahl fortgeführt wurde, ergibt daher
einen Gesamtanfall von sechs Volksgerichtssachen. Die tatsächliche Anzahl
der Voruntersuchungen und Hauptverhandlungen wurde bisher nicht erfasst.
<4>Die amtliche
Statistik zählt jede abgeurteilte Person in einem Verfahren als Urteil.
(Unter abgeurteilten Personen werden sowohl Verurteilte als auch Freigesprochene
verstanden.)
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Gemeinsame Einleitung für die Anträge der
drei Teil-Projekte Wien/Linz, Graz und Innsbruck (Nov. 2001)
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