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Das KZ in der Lendorfer Kaserne vor den Toren der Stadt Klagenfurt. Ein Vorschlag zur Geschichtsaufarbeitung und Erinnerung


Die lokalen Rahmenbedingungen
Lendorf ist ein Stadtteil von Klagenfurt, der Hauptstadt des Bundeslandes Kärnten. Dieser Umstand ist historisch bedingt: Einige Monate nach dem »Anschluss« Österreichs an Hitler-Deutschland wurden verschiedene Vororte und Landgemeinden in der Umgebung von Klagenfurt zu »Groß-Klagenfurt« vereinigt. Die Nationalsozialisten wollten Klagenfurt das Gepräge einer »modernen« Führerstadt geben, schließlich war Klagenfurt nicht nur Hauptstadt jenes Gaues, der im März 1938 als erster den »Vollzug« der NS-Machtübernahme nach Wien melden konnte, sondern Klagenfurt war auch jenes Zentrum, das von den Deutschnationalen seit den so genannten Abwehrkämpfen 1918-1920 als »grenzdeutsches Bollwerk« gegen den slawischen Erbfeind am Balkan angesehen wurde. Gegenüber den heimischen Kärntner SlowenInnen wurde seither eine konsequente Eindeutschungspolitik betrieben. Die als deutschnationale »Schutzarbeit« getarnte Entnationalisierung der Kärntner Sloweninnen war zumindest seit 1924, als die Propagandaorganisation des historischen Abwehrkampfes, der »Kärntner Heimatdienst«, in den »Kärntner Heimatbund« überführt wurde, Teil des nationalsozialistischen Agitations- und »Kultur«-Programms der im Aufbau befindlichen NSDAP.
Beginnend mit der Machtübernahme der Nazis in Österreich sollte also Klagenfurt unter dem NS-Oberbürgermeister Friedrich von Franz und der SS-Führungsschichte Hubert Klausner (Gauleiter), Franz Kutschera (Stellvertretender Gauleiter), Wladimir von Pawlowski (NS-Landeshauptmann) ein repräsentatives Aussehen und eine Infrastruktur erhalten, die dem Selbstbild des neuen Regimes adäquat war. Zu der Übereinstimmung von Anspruch, Optik und Wirklichkeit gehörte nicht nur die systematische »Säuberung« des Landes von Regimegegnern, die ebenso in Gestapohaft genommen und in Lager verschleppt wurden wie die Kärntner Jüdinnen und Juden, SlowenInnen, Sinti und Roma, katholische Geistliche, Zeugen Jehovas u. a., sondern auch die bauliche Ausgestaltung des »grenzdeutschen Bollwerks« zu einer ideologisch gefestigten, Führer-loyalen Gauhauptstadt am südlichsten Rand des Reiches.

Eines der großen Prestigeprojekte Klagenfurts wurde, »nicht zuletzt auf das Drängen Kutscheras, der sich dafür immer wieder bei Himmler einsetzte« , bald nach dem »Anschluss« gestartet: der Bau der SS-Kaserne (identisch mit der heutigen »Khevenhüllerkaserne« ) im Stadtteil Lendorf.
Als SS-Unterkunft und -Zentrale, geplant für die SS-Division »Das Reich«, hatte das Projekt größte Priorität und drängte zur baldigen Verwirklichung. 1940 konnten bereits die ersten SS-Einheiten einziehen und die Planungen für den Betrieb einer SS-Junkerschule in Angriff nehmen. Außerdem wurden in diesem Zusammenhang in unmittelbarer Nähe Garagen, Sportanlagen (mit einer Turnhalle), eine Schießstätte, Luftschutzstollen, Mannschaftsunterkünfte und Offiziershäuser gebaut.

Welche Funktionen hatten SS-Junkerschulen?
SS-Junkerschulen waren die Elite-Kaderschmieden, in denen den SS-Offiziersanwärtern das militärische und ideologische Know-how eingeimpft wurde, das sie später bei der Führung von Himmlers »SS-Verfügungstruppen«, bei den so genannten Totenkopf-Einheiten, bei der politischen Polizei und der Waffen-SS, umzusetzen hatten. Um in eine SS-Junkerschule aufgenommen zu werden, galten strenge Auslesekriterien, die sich allerdings nicht auf Bildung im bürgerlichen Sinn bezogen, sondern eher »biologischer« Natur waren. Gefragt waren nur Männer, die den körperlichen und abstammungskundlichen SS-Normen entsprachen und die möglichst ohne moralische Skrupel, am besten ungebunden und antireligiös waren. Sie sollten zumindest mit militärischen Sportkampferfahrungen aufwarten können und motiviert sein, über den mechanischen Kasernenhofdrill hinaus in Form von kleinen und effektiven »Stoßtrupps« schnelle Einsatzgruppen für die »Feindbekämpfung« zu bilden.
Auf diesen Typ des harten soldatischen Mannes, der weiß, was »jemanden fertig machen« heißt, wurde die gesamte NS-Erziehung in den Junkerschulen abgestellt. Das soldatische Männlichkeitsideal sollte nach dem SS-Lehrmeister, Sturmbannführer Felix Steiner, dem »lockeren und elastischen Soldatentypus von sportlicher Haltung, aber hoher überdurchschnittlicher Marsch- und Gefechtsleistungsfähigkeit« entsprechen.

Die »Vorschule« dazu war die paramilitärische Ausbildung in einer »Adolf-Hitler-Schule«, in einer »Nationalpolitischen Erziehungsanstalt« (NAPOLA) oder in einer so genannten Ordensburg - später auch in speziellen Vorbereitungslehrgängen bei den jeweiligen SS-Einheiten. Breitenwirkung und Vertiefung erfuhr die SS-Ideologie in den so genannten Gauschulungsburgen. Friedrich Rainer hatte als Gauleiter von Salzburg die Burg Hohenwerfen zur Gauschulungsburg auserkoren und ließ diese Institution im März 1939 mit großem Pomp eröffnen - in Kärnten später die Gauschulungsburg Schloss Heroldegg.
Als Ort der Ausbildung und Rekrutierung von SS-Führern waren die Junkerschulen Bestandteil des ehrgeizigen militärischen Elitekonzepts von Reichsführer-SS Heinrich Himmler, der damit (einmal mehr) einen Kontrapunkt zur Wehrmacht setzen wollte. Die eigentliche Sonderrolle erhielten die SS-Junkerschulen durch ihren »erzieherischen« Auftrag: Die SS-Junker wurden nicht nur formal auf den Eid verpflichtet, dem »Führer« Adolf Hitler bedingungslos bis in den Tod zu folgen (getreu dem Wahlspruch »SS-Mann, deine Ehre heißt Treue«), sondern er wurde auch im Lehrfach »Weltanschauliche Erziehung« ausgebildet, in europäischer »germanischer« Geschichte, in arischer »Rassenkunde« und in den Grundzügen der großdeutschen »Lebensraum«-Philosophie.
»Es ging im Fach 'Weltanschauung' nicht um Vermittlung profunder historisch politischer Sachkenntnis, etwa im Sinne eines Studiums, sondern vielmehr um die Erziehung zu einer bestimmten Haltung dem Leben gegenüber«.

Ziel dieses Unterrichts war jeweils die totale Identifikation mit den ideologischen Grundpfeilern des SS-Staates, nämlich Ø mit den geopolitischen Herrschaftsansprüchen des deutschen »Volkes ohne Raum«,
Ø mit dem Sozialdarwinismus auf der Grundlage des Lebenskampfes der sich überlegen dünkenden »arischen Herrenrasse«,
Ø mit dem Antikommunismus, Antibolschewismus und Antisemitismus auf der Grundlage des Kampfes gegen die »slawischen Untermenschen« und gegen das »Weltjudentum«.
Diese Momente »mentaler Standardisierung« (Wegner) der SS-Ordenstruppe, insbesondere die blinde Führer-Gefolgschaftstreue, ausgedrückt im so genannten Kadavergehorsam gegenüber Hitlers und Himmlers Befehlen, wurden zum Bestandteil der heute noch wirksamen Legendenbildung rund um die »Ordensgemeinschaft« der SS, die nach außen die Funktion der »nationalsozialistischen Parteiarmee«, nach innen die des polizeilichen Scharfrichter- und Terrororgans eingenommen hatte.

Die Ausbildung zum SS-Führer in den Junkerschulen hatte den militantideologischen Zielen des SS-Staates zu entsprechen. Es ist deshalb bezeichnend, dass die Junkerschulen ab 1940 den berüchtigsten Einheiten des SS-Ordens, den Totenkopfverbänden des SS-Gruppenführers Theodor Eicke, gleichgestellt wurden. Nach dem Abschluss des Lehrgangs absolvierten die SS-Junker in der Regel noch einen Zugführerlehrgang in Dachau, dem ersten deutschen Konzentrationslager, das als »Musterlager« zu Schulungszwecken der SS für alle Terror und Mordaktionen zur Verfügung stand. Ein Jahr nach Kriegsbeginn, am 1. August 1940, übernimmt die Waffen-SS das Kommando über die »Dachauer Schule« und damit auch über die SS-Totenkopfsturmbanne. Die Schulung für den KZ-Wachdienst war eine der Aufgaben, auf die Dachau als »Schule der Gewalt« spezialisiert war:
»Die Verwendung der SS-Junker in den KZ war bis Kriegsausbruch durchaus üblich. Eine Stichprobe vom Dezember 1938 zeigt, dass ein Fünftel aller SS-Junker zunächst in den KZ ihren Dienst verrichteten, fast ausnahmslos in der Wachtruppe.«
Bis zu Kriegsbeginn blieben die Junkerschulen als quantitativer Faktor der Versorgung der SS-Verbände mit Führern relativ unbedeutend. Bis zu Kriegsende allerdings sollen die in Junkerschulen ausgebildeten SS-Führer eine Gesamtzahl von geschätzten 15.000 erreicht haben. Dies ist bei insgesamt vier Junkerschulen , die in zehnmonatigen Lehrgängen SS-Führungskader produzierten, doch eine beachtlich hohe Zahl und lässt - parallel zur wachsenden Bedeutung der SS während des Krieges - auf eine zunehmende Wichtigkeit dieser Form der Kaderausbildung schließen.


Warum wurde Kärnten mit dem Standort einer SS-Junkerschule »ausgezeichnet«?
Der Deutschnationalismus war in Kärnten seit 1918/1920 ein fixer Bezugspunkt jeglicher Politik geworden. Nirgendwo waren Antislawismus auf der einen Seite und Anschlussbestrebungen auf der anderen Seite so deutlich artikuliert und in politische Agitation umgesetzt worden wie hier. Aversionen gegen die Völker des »Balkan« und Antisemitismus gehörten seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zum guten Ton.
Bei einer Durchsicht der Lebensläufe »Kärntens brauner Elite« fällt der hohe Anteil an deutschnationalen »Abwehrkämpfern« auf. Viele setzten die Tradition des Abwehrkampfes auch nach 1933 in der Illegalität fort und bereiteten so (als NSDAP-, SA- oder SS-Funktionäre) im Kärntner Untergrund dem NS-Staat den Boden, wie z. B. Hans Steinacher, Karl Fritz, Alois Maier-Kaibitsch, Hubert Klausner, Friedrich Rainer u. a. Auch Kärntner Wissenschafter und Künstler konnten sich fugenlos ab 1920 auf die erhoffte »neue Zeit« einstellen, wie z. B. Martin Wutte, Eberhard Kranzmayer, Josef Friedrich Perkonig, Georg Graber, Erwin Aichinger, Switbert Lobisser u. a. Für den »Führer« in Deutschland hatte dieses vorauseilende und überschießende Grenzlandengagement der »alten Kämpfer« einen unbestreitbaren Vorteil, konnte er sich doch darauf verlassen, dass der »Traum vom Reich« in dem wirtschaftlich rückständigen und wenig industrialisierten Grenzland Kärnten noch längst nicht ausgeträumt war und von Leuten weitergetragen wurde, die mit der NS-Ideologie - inmitten von Armut, Arbeitslosigkeit und sozialdemokratischen Klassenkampfparolen - konform gingen und auch die notwendige Erfahrung mit subversiver, getarnter Polit-Wühlarbeit mitbrachten.

Die »alten Kämpfer« und NS-Seilschaften in Kärnten wollten 1938 für ihr langjähriges nationalsozialistisches Engagement belohnt werden. Nachdem sie offenbar in Berlin »einen Stein im Brett« hatten, hatte Hitler persönlich ein offenes Ohr für die Kärntner Anliegen. Außerdem dürfte die »Gemeinde der Getreuen« in Kärnten weit genug von den Intrigen und Karrierekämpfen innerhalb der Hitler umgebenden NSDAP- und SS-Führerschaft entfernt gewesen sein. So wurde Kärnten Tummelplatz für NS-Prominenz von Himmlers und Hitlers Gnaden. Der »Führer« selbst zeichnete Klagenfurt mit drei Besuchen aus (4./5. April 1938, 18. Februar 1939, 27. April 1941), die Zehntausende Menschen in Klagenfurt versammelten.

Als »Klagenfurter Großereignis« ist auch der 24. Juli 1938 in die NS-Stadtgeschichte eingegangen, als Rudolf Heß im Wappensaal des Landhauses die sieben Gauleiter der »Ostmark« angelobte, ein Ereignis, das die Landeshistorikerin Claudia Fräss-Ehrfeld heute noch respektvoll schildert:
»Drei der Angelobten waren Kärntner Hubert Klausner (Gauleiter von Kärnten), Dr. Friedrich Rainer (Salzburg; ab Ende 1941 Gauleiter und Reichsstatthalter von Kärnten) und Odilo Globocnik (Wien). Dass der wichtigste ostmärkische Staatsakt nach dem Anschluss in Klagenfurt zelebriert wurde, bedeutete eine Auszeichnung Kärntens, das, wie gesagt worden ist, damals vom ehemaligen Stiefkind der Wiener Regierung zum Liebkind Berlins avancierte.«
Nach dem Überfall Deutschlands auf Jugoslawien 1941 bekam Kärnten nochmals einen höheren geopolitischen Stellenwert. Nun war Kärnten nicht mehr »Grenzland« sondern Brückenpfeiler zu dem von den Nazis eroberten Südosten Europas. Und Friedrich Rainer übersiedelte als Gauleiter von Salzburg in seine Kärntner Heimat.
In der volkstumspolitischen Strategie der Homogenisierung (»ethnischen Säuberung«) waren die Slowenen für die Nationalsozialisten ein Unsicherheits- und Risikofaktor. Die Kärntner Gauleitung ging deshalb, im Einverständnis mit den NS-Zentralstellen in Berlin, von der Germanisierung der Slowenen zu deren Zwangsdeportation über. Beginnend mit April 1942 wurden slowenische Familien von SS-Polizeitruppen von ihren Höfen verschleppt und in verschiedene Lager deportiert. Als Reaktion darauf bekam der Partisanenwiderstand neuen Zulauf, jetzt auch aus den Reihen der Kärntner Slowenen. Zerstörungen an Straßen- und Militäranlagen, Überfälle auf SS- und Polizeiposten, Sabotageakte in Betrieben und andere Widerstandsaktionen bedeuteten zunehmend erschwerende Bedingungen für den Wirtschafts- und Wehrmachtsstandort Klagenfurt . In Südkärnten und Krain, wo die Partisanen einige Täler kontrollierten, waren bereits einige Wirtschaftsbetriebe von den Partisanen besetzt und übernommen worden.

Angesichts dieser Entwicklung versprach man sich von der Verstärkung der SS-Präsenz in Klagenfurt-Lendorf wahrscheinlich einen strategisch-militärischen Vorteil bei der Sicherung des Eroberungsfeldzuges gegen den Balkan und bei der Unterwerfung des slowenischen Widerstandes. Diese Hoffnung dürfte sich allerdings so nicht erfüllt haben. Der Militärhistoriker Josef Rausch hält die Einsätze der SS vor Ort für relativ bedeutungslos und meint, dass letztlich die SS-Einheiten der Lendorf-Kaserne - anders als die bewaffneten Polizei-, Gendarmerie- und SA-Einheiten und die örtlichen Verbände der Wehrmacht, der Hitlerjugend und des Volkssturmes - bei der Bekämpfung des Partisanenwiderstandes in Kärnten keine große Rolle gespielt haben dürften:
»Abgesehen von der letzten Phase des Krieges, wurden Einheiten der Waffen-SS wohl nur vereinzelt in Auseinandersetzungen mit den Partisanen verwickelt. Im August 1942 setzte anscheinend die Klagenfurter Junkerschule ein rasch zusammengestelltes Jagdkommando gegen einen erstmals nach Kärnten vorgedrungenen Partisanentrupp des Savinja-Verbandes ein. Als Ausbildungseinheit dürfte jedoch die Junkerschule, wenn überhaupt, so nur in Ausnahmefällen zu weiteren 'Bandeneinsätzen', wie der Kampf gegen die Partisaneneinheiten in der Nazi-Terminologie hieß, herangezogen worden sein. Dies gilt in gleicher Weise für die SS-Totenkopfverbände, die in Lendorf bei Klagenfurt sowie nördlich und südlich des Loiblpasses so genannte Arbeitslager der Waffen-SS, Nebenlager des KZ Mauthausen, bewachten.«

Beim Ausbau der militärwirtschaftlich wichtigen Infrastruktur war die Kärntner Gauleitung jedenfalls erfolgreicher. Es ist anzunehmen, dass der SS-Gauleiter Rainer einen guten direkten Draht zu Hitler hatte und seine Anliegen von den SS-Kameraden in Berlin (besonders von Himmler) und in Wien (besonders von Kaltenbrunner, dem späteren Heydrich-Nachfolger) befürwortet wurden . Auf jeden Fall konnte Rainer am 27. 9. 1942 - in Übereinstimmung mit der Reichsführung in Berlin - das große Straßenbauprojekt über den Loiblpass von Kärnten nach Oberkrain proklamieren, für das er nicht nur die SS-Organisation »Todt« , sondern auch die SS-Lagerverwaltung in Mauthausen gewinnen konnte. Das konkreteste Ergebnis dieser Proklamation war die Einrichtung von zwei KZ-Außenlagern von Mauthausen am Loiblpass zum Bau des Tunnels an der Scheitelstrecke. Das Loibl- KZ war aber nicht das einzige Außenlager von Mauthausen auf Kärntner Boden. Über das ehemalige Mauthausen-Außenlager in der SS-Kaserne in Lendorf wurde noch länger geschwiegen als über das KZ auf der Kärntner Seite des Loiblpasses.


Das KZ Außenlager von Mauthausen in der Lendorf-Kaserne
Nach Angaben des ehemaligen Lagerschreibers von Mauthausen, des KZ-Überlebenden Hans Maršálek , der auch die erste statistisch belegte Lagergeschichte von Mauthausen geschrieben hat, wurde das KZ in Lendorf am 19. 11. 1943 eingerichtet und am 8. Mai 1945 aufgelöst; die Häftlinge wurden allerdings schon am 6./7. Mai »evakuiert«.
Bei Maršálek findet sich auch die Angabe, dass der Auftraggeber die »Bauleitung der Waffen-SS und Polizei in Klagenfurt« und der Einsatzbereich der Deportierten der »Bau einer SS-Junkerschule« gewesen waren. Die Historikerin Andrea Lauritsch macht folgende Angaben: Die Arbeiten der KZ-Häftlinge betrafen den Bau von »Baracken für Pferde und SS-Junker«, den Bau von »(zwei?) Luftschutzstollen (unterhalb der Koglsiedlung)« und den Bau »des Feuerlöschteiches und des Schwimmbads«. »Darüber hinaus wurden die 80 bis 130 Häftlinge auch für die Ausbesserung von zahlreichen Bombenschäden«, hauptsächlich im Bereich des Klagenfurter Bahnhofs, herangezogen.

In einer anderen Quelle finden sich relativ genaue Angaben zu personellen und organisatorischen Aspekten des Konzentrationslagers in der Kaserne Lendorf: Die Häftlingsbaracke soll am Kasernenhof gestanden sein. Sie war von einem Stacheldrahtzaun und zwei Wachtürmen umgeben. Die aus Mauthausen deportierten Häftlinge waren Deutsche, Österreicher, Tschechen, Polen, Italiener, Russen, Spanier, Franzosen, zwei Slowenen und ein Serbe. Die »Kapos« rekrutierten sich aus Österreichern, Deutschen und Spaniern. Der Kommandant, ein Österreicher namens Konradi, soll SS-Hauptsturmführer gewesen sein und vor dem Eintreffen der Engländer Selbstmord begangen haben. Der Rapportführer soll ein SS-Scharführer mit dem Namen Kurz gewesen sein. Den Lagerschreiber aus Wien mit dem Namen Stepanek, der am 26. Juni 1944 Selbstmord verübte, weil er seine Exekution durch die SS befürchten musste, soll ein anderer Häftling wegen Abhörens einer fremden Radiostation (»Feindsender«) verraten haben. Ein anderer Häftling soll während eines Fluchtversuchs erschossen worden sein.
Über weitere Exekutionen oder Hinrichtungen am Schießplatz gibt es keine Aussagen, weil die SS bei diesen Aktionen äußerste Geheimhaltung walten ließ.

Insgesamt waren (lt. Dok. E 20/Nr.17 im Bundesministerium für Inneres) 15 SS-Männer, ein Offizier und 14 SS-Wachmannschaftsmänner für die Bewachung der Häftlinge abgestellt (zumindest für die dokumentierte Zeit vom 19. 3. bis 30. 4. 1945).
Über die Auflösung des Lagers gibt es verschiedene Angaben. Ein ehemaliger Lendorf-Häftling aus Ex-Jugoslawien gab zu Protokoll, dass die Häftlinge bis zum 6. Mai 1945 beide Baracken abreißen mussten, die Häftlings-baracke und die SS-Wachbaracke, die sich außerhalb des umzäunten Lagers befand. Dann soll ein Teil der Häftlinge am darauf folgenden Tag zum Loibl-KZ Süd gebracht worden sein - da eine »Evakuierung« nach Mauthausen nicht mehr möglich war und sich der Lagerkommandant geweigert haben soll, den Befehl von Mauthausen durchzuführen, alle Häftlinge umzubringen, bevor sie in »Feindeshand« fielen . Im KZ Loibl Süd wurden dann die jugoslawischen Häftlinge »entlassen«; eine andere Gruppe (mit Polen, Franzosen, Luxemburgern, Tschechen u. a.) wurde von SS-Aufsehern als lebendes Schutzschild gegen die Partisanen, die das Loibltal kontrollierten, benutzt und vom Loibl-Südlager zurück nach Kärnten bis ins Rosental »begleitet«. Dort konnten sie von Partisanen aus den Händen ihrer »Beschützer« befreit werden.


Erinnerung und Information an historischen Orten
Klagenfurt-Lendorf soll ein »Erinnerungsort« werden, der nicht nur einseitig an die Geschichte eines historisch bedeutsamen Regiments unter Feldmarschall Ludwig Graf Khevenhüller erinnert. Es genügt auch nicht, wenn die soldatische Identität der jungen Rekruten auf einzelnen wehrhaften Abschnitten der Vergangenheit aufgebaut ist, ohne über den Gesamtzusammenhang mit der neueren Geschichte informiert zu sein.
Für das aufgeklärte Alltagsbewusstsein ist es ziemlich belanglos, wenn die »ganze Geschichte« nur den HistorikerInnen bekannt ist. Wenn sich das allgemeine Wissen der Bevölkerung nur auf die ausgewählten, angenehmen, herzeigbaren Seiten der Vergangenheit bezieht, so müssen die »dunklen Seiten« notwendiger Weise verdrängt werden. Das Gedächtnis eines Volkes, eines Landes, einer Region, d. h. das »kulturelle Gedächtnis«, sollte aber in die Breite und Tiefe der Geschichte gehen.
»Je tiefer unsere Erinnerung geht, um so freier wird der Raum für das, dem all unsere Hoffnung gilt:
der Zukunft«,
schreibt Christa Wolf an einer Stelle ihrer »Kindheitsmuster« . Diese »tiefe Erinnerung« sollte allgemeines und frei zugängliches Bildungsgut sein: Nur im Rahmen einer Politischen Bildung als Allgemeinbildung bekommt das Gedächtnis eine »verpflichtende Eigenschaft« (Siegfried Lenz) und stellt uns permanent vor die Aufgabe, die Gegenwart an der historischen Erfahrung zu messen, um zur Schlüsselfrage jeder Vergangenheitsaufarbeitung zu gelangen, wie nämlich in Zukunft die Wiederholung der vergangenen Verfehlungen und Verbrechen vermeidbar ist.

Kasernen waren immer schon sensible Orte für die staatsbürgerliche Erziehung und die nationale Identitätsbildung. Sie wurden dafür mehr oder weniger bewusst eingesetzt. Nach 1945 bzw. 1955 sollte die innere Haltung der österreichischen Soldaten auf die fraglose Unterstützung der Demokratie ausgerichtet sein, da sich der Österreichische Staatsvertrag als Negation des nationalsozialistischen Systems versteht.
Erst in jüngster Zeit werden Gedenkstätten an Orten des NS-Terrors und der NS-Gewaltverbrechen für ähnliche Ziele genutzt, nämlich für ein Bekenntnis zur Vergangenheit und für eine positive Identifikation mit den demokratischen Werten. Der Besuch ehemaliger Konzentrationslager gehört heute in der Politischen Bildung ebenso zum fixen Bestandteil von schulischem Unterricht wie etwa die Nutzung des »Tages der offenen Türe« in einer Bundesheerkaserne. Beides kann für Vergangenheitsaufarbeitung und Demokratieerziehung nützlich sein.

Geschichtsunterricht, Schulbesuche, Befreiungsfeiern und mediale Präsentationen haben das ehemalige KZ-Stammlager Mauthausen für die Republik Österreich zu einem identitätsstiftenden Ort gemacht, wo in symbolischer Form alljährlich der Schwur »Niemals vergessen« und »Nie wieder« erneuert wird. Mit der Angelobung von Jungmännern in Mauthausen demonstrierte Österreich in aller Öffentlichkeit, dass die Soldaten der 2. Republik sich zum absoluten Bruch mit der Tradition der Hitler-Wehrmacht und der SS bekennen und verpflichten.

Zur »ganzen Geschichte« von Klagenfurt-Lendorf gehören die historischen Tatsachen, dass die Kaserne in der NS-Zeit gebaut wurde und vom Ungeist des nationalsozialistischen Rassenwahns und Totalitarismus beseelt war. Der Ruf der Kaserne ist vom Unrechtssystem Hitlers und seiner SS besudelt worden, der Boden der Kaserne ist vom Blut der KZ-Opfer von Mauthausen getränkt. Diese Vergangenheit ist auf jeden Fall weniger weit entfernt und im Prinzip noch gegenwärtiger und fassbarer als die des Khevenhüller Geschlechts zur Zeit Maria Theresias.
Die 45-jährige Nutzung der Lendorf-Kaserne durch das Österreichische Bundesheer hat vieles verändert. Die »Schandmale der Vergangenheit« wurden jedoch dadurch nur verwischt, nicht ausgelöscht. Auch die Architektur hat ein Gedächtnis; die Steine sprechen eine Sprache, die helfen kann, die Vergangenheit aufzuschlüsseln. Der Zahn der Zeit, die Vergesslichkeit des Menschen und die Erinnerungslücken der Geschichtsschreibung machen es heute notwendiger denn je, dass solche Orte, wie z. B. ehemalige Konzentrationslager und ihre baulichen Spuren, »erklärt« werden, denn der Erinnerungsgehalt der »ganzen Geschichte« verblasst mit dem Überwachsen der Spuren und mit der Transformation der baulichen Überreste (mit Renovierungen, Zubauten, Umwidmungen, Neunutzungen usw.). Nur wenn die Steine zum Sprechen gebracht werden, erst durch die Sichtbarmachung der »ganzen Geschichte« durch Information und Aufklärung, kann der Forderung nach einem »Lernen aus der Geschichte« nachgekommen werden.
Ein erster Schritt dazu soll darin bestehen, dass eine Informations- und Erinnerungstafel über die Geschichte dieses Ortes informiert.
Vorgeschlagener Text:
NIEMALS VERGESSEN!

Auf dem Gelände dieser Kaserne, die in der NS-Zeit gebaut wurde und eine SS-Junkerschule beherbergte, befand sich ab September 1943 bis zum Kriegsende ein Außenkommando des Konzentrationslagers Mauthausen.
80 bis 130 KZ-Häftlinge mussten hier und in der Stadt Klagenfurt Zwangsarbeit leisten.
Zur Erinnerung an alle Deportierten des KZ Mauthausen.
Ihr qualvolles Leben und Sterben soll Mahnung und Verpflichtung sein:
Stärkt die Demokratie und lebt die Toleranz!



Die Initiative zur Errichtung dieser Tafel und die Erstellungskosten werden von »Mauthausen Aktiv Kärnten/Koroška« getragen, unterstützt von der Lagergemeinschaft Mauthausen und vom Bundesministerium für Inneres. Die Initiatoren sehen darin nicht nur einen notwendigen Beitrag zur Aufarbeitung der »dunklen Flecken« der Vergangenheit, sondern auch eine Möglichkeit, aufklärend und präventiv gegen Rassismus und Gewalt zu arbeiten. Insofern handelt es sich bei dieser Tafel gleichermaßen um ein »Denkmal« zur Erinnerung an verdrängte Aspekte der Geschichte als auch um einen Beitrag, zukunftsorientiert den Frieden und die Demokratie zu sichern.
Der öffentliche, d. h. politische Beitrag dazu wird von der Stadt Klagenfurt und dem örtlichen Militärkommando des Österreichischen Bundesheeres erbeten. Darüber hinaus soll für alle gesellschaftlichen Bereiche der Republik gelten:
»Es ist die unabweisbare Pflicht einer demokratischen Gesellschaft, der Menschen zu gedenken, die sich gegen das Unrecht aufgelehnt haben oder die ohne ihr eigenes Zutun in die Fänge der Gewalt geraten sind. Und dieses Gedenken darf nicht allein den unmittelbar betroffenen Gruppen überlassen bleiben, es muss vielmehr öffentlich und unübersehbar sein.«

Peter Gstettner, Mauthausen Aktiv Kärnten - Koroška, Universität Klagenfurt/Celovec
E-mail: Peter.Gstettner@uni-klu.ac.at


von: Peter Gstettner

erschienen in:
"Justiz und Erinnerung" Nr.4