Todesurteil versus Freispruch: Zwei fragwürdige Urteile gegen einen Volkssturmkommandanten
Ein historisches Fallbeispiel, das die Todesstrafe als "gerechte" Antwort auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Frage stellt
1. Vorbemerkungen Nach dem Ende der NS-Herrschaft in Österreich wurde das Bundesverfassungsgesetz von 1920 in der Fassung
von 1929 sowie alle übrigen Verfassungsgesetze wieder in Kraft gesetzt. Parallel und im Widerspruch dazu blieb
das Strafgesetz von 1852 in der Fassung von 1934 weiterhin bestehen, das u. a. auch die Verhängung der
Todesstrafe vorsah. Die neu erlassenen Verfassungsgesetze – das Verbot der NSDAP vom 8. Mai 1945 und das
Kriegsverbrechergesetz vom 26. Juni 1945 – bildeten die rechtliche Grundlage für die Ausweitung der
Todesstrafe im außerordentlichen Verfahren. Der damalige Justizminister Josef Gerö rechtfertigte
diese Maßnahme mit der nach Kriegsende vorherrschenden Ausnahmesituation.[1]
Damit sollten während der NS-Herrschaft begangene Verbrechen mit entsprechender Härte geahndet werden.
An manchen der gefällten Urteile tauchten allerdings in späterer Folge Zweifel auf, wie anhand des
folgenden Fallbeispiels eines Todesurteils wegen eines mutmaßlichen Mordes in den letzten Kriegstagen
gezeigt werden soll. Im Mittelpunkt dieses Verfahrens stand allerdings nicht der Mord selbst, sondern die
Erteilung des Befehls dazu. Trotz offener Fragen und Widersprüchlichkeiten, ein für die Justiz nicht
greifbarer Täter und die fehlende Leiche des Opfers, schien am Anfang alles eindeutig zu sein:
übereinstimmende Zeugenaussagen über Tathergang, Täter und Befehlsgeber sowie unglaubwürdige
und mehrfach abgeänderte Aussagen des Angeklagten.
2. Die Aktenlage Die Verteilung des Quellenmaterials auf mehrere Verfahren und die unterschiedlichen Aufbewahrungsorte der
Akten spiegeln die Komplexität dieses besonderen Fallbeispiels der österreichischen Rechtsgeschichte wider.
Zwei der nachfolgend angeführten Gerichtsverfahren sind im Wiener Stadt- und Landesarchiv einsehbar; der
nach Aufzeichnungen in den Unterlagen des Aktenlagers des Landesgerichts für Strafsachen Wien nach Krems
abgetretene Originalakt ist im Aktenlager des dortigen Gerichts bis heute nicht auffindbar. Lediglich die in den
anderen Verfahren enthalten Abschriften von Dokumenten sind als Quelle zugänglich.
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien gegen den Beschuldigten Johann Deli vom 2. Juni 1947 ist im
Volksgerichtsverfahren LG Wien Vg 11f Vr 735/45 enthalten.[2] Der Volksgerichtsakt
liegt heute im Wiener Stadt- und Landesarchiv. In diesem Verfahren wurde neben Deli auch Stefan
Hochgötz[3], ein Zugsführer des Volkssturmbataillons 125, dessen Kommandant
Deli war, angeklagt. Im Gegensatz zu Hochgötz, der wegen der Ermordung eines unbekannten ungarischen Juden und
der Misshandlung einer weiteren Person zu Kriegsende in Krems-Rohrendorf angeklagt war, legte die Staatsanwaltschaft
Wien dem ehemaligen Volkssturmkommandanten Deli Kriegsverbrechen an zwei ukrainischen Arbeitern im April 1945 zur Last.
Um Verzögerungen bei der Durchführung zu vermeiden, erfolgte auf Antrag der Staatsanwaltschaft Wien die
Ausscheidung des Verfahrens gegen Johann Deli und die Anlegung eines neuen Akts unter der Signatur LG Wien Vg 3a Vr 4018/45.
Mit Wiederaufnahmebeschluss vom 2. Februar 1951 erfolgte dann eine Änderung der Geschäftszahl des Originalakts
auf LG Wien Vg 9 Vr 59/51.[4]
Nach der Auflösung der Volksgerichte am 20. Dezember 1955 wurde das frühere Volksgerichtsverfahren gegen
Johann Deli in den 1950er Jahren – laut Aufzeichnungen in den Registerbänden des Landesgerichts für
Strafsachen Wien – an das damalige Kreisgericht Krems abgetreten. Auf entsprechende Anfrage vom 18. Februar 2003
an den Gerichtspräsidenten erging am 20. Mai 2003 die Mitteilung, dass der gesuchte Originalakt nicht gefunden
werden konnte. Das historisch relevante und daher dauernd aufzubewahrende Volksgerichtsverfahren gegen Johann Deli
mit dem darin enthalten Todesurteil vom 14. November 1947 ist somit in Verstoß geraten.[5]
Vorhanden ist nur das am 30. Mai 1951 aus dem Volksgerichtsakt ausgeschiedene und an das ordentliche Gericht zwecks
Vermeidung von Verzögerungen abgetretene Verfahren LG Wien 12d Vr 4359/51 gegen Johann Deli wegen der versuchten
Verleitung zum Verbrechen des gemeinen Mordes. Der Akt befindet sich heute im Wiener Stadt- und Landesarchiv. Darin
enthalten sind Abschriften der Anzeige, des Hauptverhandlungsprotokolls, des Urteils, des Wiederaufnahmeantrages sowie
anderer Dokumente aus dem nicht auffindbaren Originalakt LG Wien Vg 3a Vr 4018/45 – durch den Wiederaufnahmebeschluss
vom 2. Februar 1951 geändert auf LG Wien Vg 9 Vr 59/51.
3. Der erste Prozess Nach drei Verhandlungstagen verhängte ein Senat des Volksgerichts Wien unter dem Vorsitz des
Vizepräsidenten Dr. Otto Fischer am 14. November 1947 über den Angeklagten Johann Deli wegen Mitschuld am
Verbrechen des gemeinen Mordes, Quälerei und Misshandlung sowie Kriegsverbrechen im Sinne der §§ 1 und 3 KVG
an zwei ukrainischen Arbeitern im April 1945 die Todesstrafe. Das Gericht sah es in seiner Urteilsbegründung
als erwiesen an, dass Deli in Rohrendorf bei Krems den kroatischen Volkssturmangehörigen Karl Hahn mit vorgehaltener
Pistole zu den Verbrechen gezwungen hatte. Ein Ukrainer wurde ermordet, dem Zweiten gelang trotz Schussverletzung die
Flucht.[6]
a) Der Angeklagte Der Verurteilte Johann Deli war 1939 zur Wehrmacht eingerückt, wurde am 5. Mai 1940 freigestellt und
arbeitete seit 1941 ohne Unterbrechung im Blech-Walzwerk Schmidt & Co. in Krems. In unmittelbarer Nähe des Werks
– der so genannten "Schmidthütte"[7] – befand sich ein
Lager für ausländische Arbeiter wie Ukrainer, Tschechen sowie für sowjetische Kriegsgefangene. Im Herbst
1944 erfolgte die Einberufung Delis zum Volkssturm; zu Kriegsende war er Kompanieführer in Rohrendorf und hatte
ca. 140 Mann unter seinem Kommando. Seine Aufgabe bestand darin, die Fabriksanlage sowie die Werkssiedlung zu bewachen.
Insgesamt umfasste das Volkssturmbataillon im Raum Krems eine Stärke von 500 Mann und bestand aus drei Kompanien,
die in den Orten Rohrendorf, Landersdorf und Gedersdorf abwechselnd Dienst versahen.[8]
Zu Kriegsende verließ Deli den Raum Krems und kam am 23. April 1945 in Steyr in amerikanische Gefangenschaft.
Nach seiner Entlassung ließ er sich am 5. Juni 1945 in Liezen nieder und arbeitete bei einem Bauern. Auf Grund
einer Anzeige eines aus der Gegend von Krems stammenden Arbeiters, den seinerseits wiederum Deli des Diebstahls von
Kleidungsstücken – eines Mantels und einer Kappe – beschuldigte, wurde Deli am 26. Oktober 1945 vom
Stadtpolizeiamt Judenburg verhaftet und wegen Flucht- und Verabredungsgefahr in das Gefängnis des Bezirksgerichts
Judenburg eingeliefert. In seiner schriftlichen Vernehmung gab der Anzeiger zu Protokoll, dass Deli im April 1945 in
Krems-Rohrendorf den Befehl erteilt hätte, auf zwei Ukrainer zu schießen. Die Überstellung des
Beschuldigten nach Wien erfolgte am 9. Oktober 1946. Die Staatsanwaltschaft Wien erhob am 2. Juni 1947 Anklage
wegen Kriegsverbrechen, Mitschuld am Verbrechen des gemeinen Mordes, Quälerei und Misshandlung sowie wegen
Hochverrat.[9]
b) Der Verhandlungsgegenstand An einem Tag im April 1945 war Deli mit dem Fahrrad vom so genannten "Schmidthüttenwerk"
kommend Richtung Krems unterwegs gewesen. Im Urteilsspruch vom 14. November 1947 wurde die Tatzeit mit 6. April 1945
angegeben, irrtümlich, wie sich erst später herausstellte. Der genaue Tatzeitpunkt konnte übrigens auch
in weiterer Folge nicht eindeutig geklärt werden. Krems, das am 2. April 1945 bombardiert wurde, war zu diesem
Zeitpunkt praktisch Kriegsgebiet.[10] Aus Sicht der Staatsanwaltschaft geschah
folgendes: Deli kam auf seiner Fahrt auch am bereits geräumten Lager in Krems-Rohrendorf vorbei und forderte den
Volkssturmangehörigen Karl Hahn mit vorgehaltener Pistole auf, zwei auf der Suche nach Lebensmitteln in das Lager
eingedrungene Ukrainer zu erschießen. Einer der beiden wurde daraufhin von Hahn mit einem Gewehr erschossen, der
andere erlitt einen Streifschuss. Der Anklagepunkt der "Versetzung in einen qualvollen Zustand" bezog sich
darauf, dass Deli auf den am Boden sitzenden Mann zwei Mal seine Pistole ansetzte und abdrückte; die Waffe
funktionierte allerdings nicht. Weiters versetzte er dem Ukrainer Fußtritte mit den Stiefeln insbesondere gegen den
Kopf.[11]
c) Die Hauptverhandlung[12]
Während der dreitägigen Hauptverhandlung, die am 12. November 1947 begann, bestritt der Angeklagte die ihm
angelasteten Gewaltverbrechen und gab eine ganz andere Darstellung der Vorgänge: Auf seiner Fahrt mit dem Fahrrad
Richtung Krems habe er den Volkssturmangehörigen Karl Hahn beim bereits geräumten Lager mit geschultertem Gewehr
gesehen und sei verwundert darüber gewesen, warum einer seiner Arbeiter – Hahn war ihm als Maurergehilfe
zugeteilt – als Posten verwendet wurde und er nicht darüber Bescheid wusste. Auf die Frage, was den los sei,
gab Hahn ein nicht näher zu deutendes Handzeichen. Plötzlich hörte Deli unmittelbar hintereinander zwei
Schüsse fallen, änderte seine Fahrtrichtung und fuhr mit seinem Fahrrad durch das Tor in den Hof des Lagers
hinein. Dort lagen zwei ihm unbekannte Männer am Boden; ihre Namen erfuhr er erst zu einem späteren Zeitpunkt.
Einer von ihnen war bereits tot, der andere hatte einen Streifschuss erlitten. Hahn kam mit seinem Gewehr auf ihn zu
und rechtfertigte sein Vorgehen damit, dass die beiden in einer Baracke des geräumten Lagers Lebensmittel
geplündert und er sie dabei ertappt hätte. Auf die Frage, was er denn nun machen solle, entgegnete Deli, dass
ihn der ganze Vorfall nichts angehe, da Hahn nicht seiner Kompanie angehörte. Die begangenen Verbrechen interessierten
ihn nicht, weil aus seiner Sicht der für die Aufstellung Hahns´ verantwortliche Zugsführer dafür
zuständig war. Der ermordete Ukrainer wurde im Lager beerdigt; eine Exhumierung und Obduktion der Leiche im Rahmen
des Beweisverfahrens wurde – auch im Rahmen des späteren Wiederaufnahmeverfahrens – nicht vorgenommen.
Über das weitere Schicksal des Verwundeten ist nichts bekannt.
Auf Deli machte Hahn einen angespannten und erregten Eindruck. Er war Kroate und im Laufe des Krieges nach Krems gekommen,
wo er in der Werkssiedlung mit seiner Frau wohnte. Nach 1945 verlor sich seine Spur; Hahn konnte daher vom Gericht weder
im Vorverfahren noch in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen werden.
Während des Gespräches zwischen Deli und Hahn sei, so Deli, der verletzte Ukrainer aufgesprungen und davongerannt.
Auf Zurufe blieb er stehen, und erst jetzt sah Deli die Verwundung. Einen Verband wollte sich der Verletzte nicht anlegen
lassen und bat stattdessen darum, gehen zu dürfen. Deli ließ ihn daraufhin laufen. Ob er geplündert habe,
habe er ihn nicht gefragt. Lebensmittel oder andere Gegenstände wurden nicht gefunden.
Eine Beteiligung an den verübten Verbrechen stellte Deli entschieden in Abrede. Er behauptete, keinen
Schießbefehl gegeben zu haben. Die beiden Schüsse waren seinen Angaben nach bereits gefallen, bevor er aus
Neugierde in das geräumte Lager kam. Hahn wurde daher von ihm nicht mit vorgehaltener Pistole genötigt, auf
die Ukrainer zu schießen. Die Misshandlung des Verletzten durch Fußtritte mit Stiefeln und die "Versetzung
in einen qualvollen Zustand" dadurch, dass er zwei Mal die Pistole auf den Verletzten ansetzte und abdrückte,
die Waffe allerdings nicht funktionierte, leugnete Deli ebenfalls.
Gegen Ende des ersten Tages der Hauptverhandlung wiederholte der Verteidiger den bereits am 1. September 1947 gestellten
Beweisantrag auf Lokalaugenschein wegen der sich ergebenden Differenzen in den beiden vorgelegten Planskizzen und zwecks
Überprüfung der Hör- und Sichtverhältnisse am Tatort. Der Untersuchungsrichter hatte aus nicht
bekannten Gründen darauf verzichtet. Die möglichen Ursachen dafür liegen darin, dass wegen der großen
Zahl an anhängigen Verfahren in den ersten Nachkriegsjahren die materielle, organisatorische und personelle
Kapazität der Behörden nicht ausreichte, um die zu untersuchenden, oftmals höchst komplexen Fälle, mit
der notwendigen Gründlichkeit zu prüfen. Auch nicht wenn, wie hier, ein Menschenleben davon abhing.
Die dem Gericht vorgelegten Tatortskizzen des Lagers und der Umgebung wiesen erhebliche Mängel auf. Die
Verhältnisse zum Zeitpunkt der Anfertigung entsprachen nicht mehr den Gegebenheiten zum Tatzeitpunkt, da auf dem
Gelände des ehemaligen Lagers zwischenzeitlich Felder angelegt worden waren. Diese Abweichungen bestätigte
auch ein als Zeuge einvernommener Kriminalbeamter. Am Ende der Hauptverhandlung erfolgte dann die Abweisung des Antrags
der Verteidigung auf Durchführung eines Lokalaugenscheins mit der Begründung, dass sich die damaligen
Verhältnisse verändert hätten und "die Sache ohnehin schon spruchreif" sei.[13]
Im Mittelpunkt des zweiten Verhandlungstages stand im Zuge der Beweisaufnahme die Einvernahme von Zeuginnen und Zeugen.
Zuerst war der Bataillonsführer des Volkssturmbataillons 125 an der Reihe. In seinen Ausführungen betonte er,
dass kein Befehl existierte, Ausländern, die beim Diebstahl ertappt wurden, nachzuschießen. Von der
Gaustabsführung des Volkssturms erging ein über die Kreisstabsführung weitergeleiteter und in der
Folge an das Bataillon 125 ergangener schriftlicher Befehl, dass bei auf der Flucht befindlichen Personen von der
Schusswaffe Gebrauch gemacht werden dürfe. Auf genaueres Nachfragen des vorsitzenden Richters antwortete der Zeuge,
dass dieser Befehl sich auf alle flüchtenden Personen bezog, wenn diese im Rahmen der versuchten Festnahme
Volksturmangehörige angegriffen hätten. Eine Veröffentlichung und Weitergabe wurde allerdings, laut
Aussage des ehemaligen Bataillonsführers, unterlassen.
Eine in der gleichen Werkssiedlung – der so genannten Ennstaler Siedlung – lebende Zeugin berichtete,
dass sie, von ihrem außerhalb der Siedlung neben dem Drahtzaun des Lagers gelegenen Hühnerstall, den
Tathergang beobachten hatte können. Sie belastete den Angeklagten durch ihre Behauptung, er habe – noch
bevor die beiden Schüsse gefallen waren – den Volkssturmangehörigen Karl Hahn mit der Aufforderung
"Schieß ihn nieder" zu den Verbrechen angestiftet. Dass ihn dabei der Angeklagte mit einer Pistole
bedroht hätte, bestätigte die Hauptbelastungszeugin nicht. Zum weiteren Tathergang konnte sie von ihrer
Position aus keine weiteren Angaben machen; sie bestätigte lediglich die Wahrnehmung von zwei Schüssen.
Auffallend an den Aussagen der Belastungszeugin in der Hauptverhandlung ist, dass auf Grund ihrer Beschreibung für
das Gericht berechtigte Zweifel bestehen hätten müssen, gegen welchen der beiden Ukrainer die dem Angeklagten
vorgeworfene Äußerung "Schieß ihn nieder" gerichtet war.
Im weiteren Verlauf ihrer Ausführungen berichtete sie über die Verfolgung des verwundeten Ukrainers; der
Angeklagte forderte Hahn auf, dem Verletzten den Gnadenschuss zu geben. In dieser Situation habe Deli – den
Angaben der Hauptbelastungszeugin folgend – eine Pistole in der Hand gehabt. Die abschließende Frage des
Verteidigers, ob sie sich sicher sei, die Stimme des Angeklagten in Zusammenhang mit der Aufforderung "Schieß
ihn nieder" vernommen zu haben, bejahte sie.
Ein weiterer Zeuge berichtete, dass er vormittags im Blech-Walzwerk Schmidt & Co. Dienst versehen und nachmittags
als Volkssturmangehöriger das geräumte Ausländerlager bewacht hatte, um Plünderungen von Lebensmitteln
zu verhindern. Es existierte seinen Angaben nach ein Befehl, ins Lager eindringende Ausländer zu vertreiben oder
anzuhalten und dem Volkssturmkommandanten vorzuführen. Wenn eine entsprechende Bestätigung der Werksleitung
vorlag, dann war es Ausländern möglich, das Lager in Begleitung eines Postens zu betreten, um sich Lebensmittel
und andere Gegenstände zu holen. Dass auf Befehl des Angeklagten Deli ein Ukrainer erschossen wurde, habe er aus
Erzählungen erfahren. Er habe bei Dienstantritt gemeinsam mit einem anderen Volkssturmangehörigen den
erschossenen Ukrainer bei einem Schutthaufen im Lager begraben.
Die Zeugenaussagen enthalten widersprüchliche Angaben hinsichtlich des genauen Tathergangs und der örtlichen
Gegebenheiten im Lager. Belastungszeugen änderten oder schwächten ihre früheren Angaben vor dem
Untersuchungsrichter in der Hauptverhandlung ab, konnten sich auf Grund der Zeitspanne von mehr als zwei Jahren nicht
mehr an den genauen Ablauf erinnern oder vermischten Erzählungen mit eigenen Wahrnehmungen. Typisch dafür ist,
dass zwei der insgesamt vier HauptbelastungszeugInnen nicht selbst gehört hatten, dass der Angeklagte den
Volkssturmangehörigen Hahn aufgefordert habe zu schießen, sondern – was sie auch in der Hauptverhandlung
in der Form zu Protokoll gaben – davon nur aus Berichten anderer Leute wussten.
Eine Hauptbelastungszeugin, die den Angeklagten Deli vor dem Untersuchungsrichter schwer beschuldigt hatte, die
Aufforderung an Hahn "Schieß ihn nieder" vernommen zu haben und damals von Misshandlungen des
verletzten Ukrainers berichtete, schwächte ihre Anschuldigungen in der Hauptverhandlung zunächst ab.
Erst auf dringenden Vorhalt des Staatsanwaltes, dass er sie wegen falscher Zeugenaussage verhaften lassen könne,
gab sie an, sich doch plötzlich wieder erinnern zu können und bestätigte die ursprünglichen
Angaben.
Aus den erhalten gebliebenen Dokumenten des Beweisverfahrens der Hauptverhandlung ergeben sich viele offene Fragen
und berechtigte Zweifel. Der Schuldspruch des Gerichts basierte auf einer Kombination von Indizien, dabei wurden
allerdings nur die belastenden Aussagen in Erwägung gezogen, während die eklatanten Widersprüche
keine Berücksichtigung fanden. Zudem wurden wesentliche Entlastungszeugen nicht einvernommen. Erst auf
Initiative der Verteidigung konnten diese Personen ausgeforscht werden.
Nicht eindeutig geklärt werden konnte weiters der genaue Tatzeitpunkt, also ob der Angeklagte vor oder
erst nach Abgabe der zwei Schüsse ins Lager gekommen war und ob er den Volkssturmangehörigen Hahn
zur Ausführung seines Befehls, den verletzten Ukrainer zu erschießen, mit einer Pistole bedroht
hätte. Weiters offen blieb die Frage nach der Kleidung des Angeklagten . Einige ZeugInnen behaupteten,
er wäre in Zivil gewesen, andere wiederum gaben an, dass Deli eine Uniform getragen hätte. Im Beweisverfahren
nicht geklärt werden konnte, ob er den verletzten Ukrainer durch Fußtritte mit Stiefeln misshandelt bzw.
ihm eine Pistole angesetzt hätte. Auf eine Exhumierung und gerichtsmedizinische Untersuchung der Leiche des
ermordeten Ukrainers, um feststellen zu können, ob und mit welcher Waffe der Tod herbeigeführt wurde,
verzichtete der Untersuchungsrichter ebenfalls, obwohl einer der Zeugen angegeben hatte, die Leiche im Lager
bei einem Schutthaufen begraben zu haben. Daher stellt sich angesichts der Tatsache, dass ein Todesurteil
verhängt wurde, die Frage, warum die gerichtlichen Untersuchungen nicht mit größerem Aufwand
geführt wurden. Symptomatisch dafür ist, dass Johann Deli während der mehr als zweijährigen
Verwahrungs- und Untersuchungshaft, beginnend mit seiner Festnahme am 26. Oktober 1945, nur ein einziges Mal,
und zwar am 5. November 1945, vom damals zuständigen Untersuchungsrichter des Bezirksgerichts Judenburg als
Beschuldigter vernommen wurde.[14]
d) Das Urteil: Todesstrafe Trotz der offensichtlichen Verfahrensmängel wurde Johann Deli am 14. November 1947 wegen
Kriegsverbrechen im Sinne der §§ 1 und 3 KVG in Verbindung mit der Mitschuld am Verbrechen des
gemeinen Mordes und wegen Hochverrats zum Tod durch den Strang verurteilt; sein gesamtes Vermögen wurde
zu Gunsten der Republik Österreich eingezogen. Vom Anklagepunkt des Registrierungsbetrugs wurde er
freigesprochen.[15]
Die im Urteil angeführten Feststellungen stützten sich hauptsächlich auf zwei Zeugenaussagen,
die den vom Angeklagten Deli an Karl Hahn erteilten Schießbefehl bestätigten, sowie auf die Angaben
eines dritten Zeugen, demzufolge der Angeklagte selbst erklärt habe: "Jetzt haben wir zwei Ostarbeiter
erschossen".[16]
Zahlreiche ZeugInnen beriefen sich bei ihren belastenden Angaben auf Aussagen des Täters Karl Hahn, der
allerdings nicht ausgeforscht werden konnte. Die Fahndung nach Karl Hahn verlief ergebnislos. In der Beschwerde
des Johann Deli gegen die Anerkennung einer Haftentschädigung aus dem Jahre 1952 findet sich der Hinweis,
dass Hahn am Tag der Verhängung des Todesurteils gegen Deli in Wien gewesen und danach geflüchtet
sein soll. Erst später erfolgte seine Ausschreibung zur Verhaftung im staatspolizeilichen
Fahndungsblatt.[17]
e) Aufhebung des Todesurteils und Wiederaufnahmebeschluss Die Todesstrafe wurde durch einen Gnadenakt des Bundespräsidenten am 21. Jänner 1948 in eine
lebenslange Haftstrafe umgewandelt. Im Wiederaufnahmeantrag des Verurteilten vom 20. Oktober 1950 erfolgte
detailliert eine Auflistung der bereits vorhin erwähnten Verfahrensmängel. Dem Antrag wurde stattgegeben
und am 2. Februar 1951 das Urteil – infolge der Begnadigung handelte es sich um die Strafe des lebenslangen
schweren Kerkers, verschärft durch Fasten und einsame Absperrung in eine dunkle Zelle am 6. April eines jeden
Jahres – vom Landesgericht für Strafsachen Wien als Volksgericht aufgehoben und das Verfahren in den
Stand der Voruntersuchung zurückversetzt.[18]
4. Das Wiederaufnahmeverfahren In der Begründung des Beschlusses zur Wiederaufnahme des Verfahrens stellte das Gericht fest, dass
aus den Aussagen der im Wiederaufnahmeantrag angeführten Zeugen berechtigte Zweifel an dem im Urteilsspruch
angegebenen Tatzeitpunkt 6. April 1945 bestünden und dass sich die Gewaltverbrechen erst zu einem
späteren Datum, nämlich zwischen 15. und 19. April 1945, ereignet haben müssten. Weiters ergaben
sich auch neue Anhaltspunkte dahingehend, dass Deli während der angelasteten Gewaltverbrechen weder Uniform
noch Stiefel und schon gar keine Pistole getragen hätte.[19]
Ein von der Verteidigung im Wiederaufnahmeantrag angeführter Zeuge bestätigte, dass Deli keinen
Schießbefehl erteilt habe, sondern erst nachdem die Schüsse gefallen waren mit seinem Fahrrad in das
Lager gekommen wäre. Diese Aussage erschien daher geeignet, die Glaubwürdigkeit einer Belastungszeugin
anzuzweifeln und dadurch eine wesentliche Beweisgrundlage des Schuldspruchs zu hinterfragen. Ebenfalls als nicht
haltbar erwiesen sich die schweren Anschuldigungen einer weiteren Belastungszeugin, die behauptete, Deli hätte
den am Boden liegenden verletzten Ukrainer durch Fußtritte mit seinen Stiefeln auf den Kopf misshandelt
und zudem zwei Mal auf ihn seine Pistole angelegt. Sie wurde von Entlastungszeugen als nervenkranke, sehr leicht
erregbare und in erregtem Zustand zu Übertreibungen neigende Frau beschrieben. Auch die dem Urteil zugrunde
liegende Aussage eines Belastungszeugen, dass Deli ihm gegenüber die Äußerung: "Jetzt haben
wir, Hahn und ich, zwei Ostarbeiter umgelegt" erwähnt hätte, erschien auf Grund neuerer
Untersuchungen in einer anderen Perspektive. Nach dazu, wo der vermeintliche Belastungszeuge bereits im
Vorfahren seine Angaben dahingehend relativiert hatte, dass Deli erst, nachdem die Tat verübt worden war,
das Lager betreten hätte.[20]
Zusammenfassend begründete das Gericht, dem Wiederaufnahmeantrag stattgegeben zu haben damit, dass, unter
Voraussetzung der Glaubwürdigkeit und Richtigkeit aller von Johann Deli vorgelegten neuen Beweismittel, ein
Freispruch des Beschuldigten von den erhobenen Tatvorwürfen möglich wäre. Von der Vornahme eines
Lokalaugenscheins sah das Gericht vorerst ab, weil dieser zweckmäßiger im Rahmen eines neuen
Untersuchungsverfahrens unter Einbeziehung aller TatzeugInnen erschien.[21]
Ein zu Kriegsende nach Linz übersiedelter früherer Werkmeister des Blech-Walzwerks Schmidt & Co
bestätigte im Rahmen seiner Zeugenvernehmung am 7. März 1951, sich zum Tatzeitpunkt im April 1945
auf dem Gelände des Werks aufgehalten zu haben. Er vernahm in kurzem Zeitabstand zwei Schüsse. Erst
danach sah er den Beschuldigten Deli, der mit seinem Fahrrad Richtung Krems unterwegs war. Auf seine Zurufe
reagierte Deli nicht, sondern blickte in Richtung Lager. Wohin er gefahren sei, konnte dieser Zeuge nicht
angeben. Bekleidet war der Beschuldigte mit einer Keilhose; eine Uniform und Stiefeln habe er nicht
getragen.[22]
Die Beschreibung des Tathergangs fortsetzen konnte der nächste Zeuge, der die Verfolgung des verwundeten
Ukrainers durch Deli und Hahn beschrieb. Auch er bestätigte übereinstimmend mit der Aussage des
früheren Werkmeisters, dass Deli nicht uniformiert gewesen wäre und keine Waffe in der Hand gehalten
hätte. Der am Boden liegende Ukrainer wäre auch nicht misshandelt worden. Bei einer günstigen
Gelegenheit glückte dem Verletzten die Flucht aus dem Lager, durch ein im Zaun befindliches Loch, ohne
dabei von Deli und Hahn verfolgt worden zu sein.[23]
Bei ihren belastenden Anschuldigungen aus dem ersten Prozess blieb eine der Hauptbelastungszeuginnen, die die
Aufforderung Deli's "Schieß ihn nieder" auch im Zuge ihrer neuerlichen Zeugenvernehmung
bestätigte. Danach vernahm sie in kurzem Zeitabstand zwei Schüsse. Sie erblickte die Leiche eines
Ukrainers und beobachtete die Verfolgung des Verwundeten. Ihren Aussagen folgend trug Deli eine graue Uniform
mit Schirmmütze und hielt eine Waffe in der Hand, um damit dem Ukrainer den "Gnadenschuss"
zu geben. Misshandlungen habe sie nicht gesehen.[24]
Eine weitere Belastungszeugin berichtete, dass Deli dem am Boden sitzenden Verletzten einen Stoß oder
Tritt gegen die Beine und in weiterer Folge einen Schlag ins Gesicht versetzt habe. Im Gegensatz zu früheren,
den Angeklagten belastenden Aussagen, im Rahmen der Voruntersuchung bzw. in der Hauptverhandlung über
angebliche Misshandlungen des Verletzten in Form von Fußtritten auf den Kopf, die sie als Irrtum bezeichnete,
gab sie diesmal an, nichts dergleichen beobachtet zu haben. Sie rechtfertigte den Widerspruch mit der Entfernung
zwischen ihrem Standort und dem Tatort sowie mit ihrer damaligen Erregtheit. Über eine mögliche Bedrohung
mit einer Waffe und die Bekleidung des Beschuldigten konnte sie aus eigener Wahrnehmung keine Angaben machen. Die
Vernehmung aller vier Zeugen erfolgte im Kreisgericht Krems im Zuge eines Lokalaugenscheins auf dem Gelände
des ehemaligen Lagers für ausländische Arbeiter.[25]
Dieser Lokalaugenschein zwecks Überprüfung der Hör- und Sichtverhältnisse am Tatort wurde am
7. März 1951 in der Siedlung Lerchenfeld - vormals Ennstaler Siedlung - in Krems an der Stelle des ehemaligen
Lagers durch den Untersuchungsrichter in Gegenwart des Ersten Staatsanwaltes unter Beteiligung des Beschuldigten
und sechs ZeugInnen durchgeführt. Die dem Gericht bis dahin vorliegenden Tatortskizzen des Lagers und der
Umgebung wiesen erhebliche Mängel auf. Diese Abweichungen waren auch von einem als Zeugen einvernommenen
Kriminalbeamten bestätigt worden. Auf Grund des Lokalaugenscheins konnten die örtlichen Verhältnisse
zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt rekonstruiert werden.[26]
a) Die eine Anklage Am 26. April 1951 erhob der Erste Staatsanwalt Dr. Theodor Mayer-Maly – anders als im ersten
Verfahren gegen Johann Deli – lediglich Anklage wegen des Verbrechens der versuchten Verleitung zum
Verbrechen des gemeinen Mordes an dem verletzten Ukrainer. Deli habe demnach im April 1945 den Volkssturmangehörigen
Karl Hahn, dessen Aufenthaltsort bis zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht ausgeforscht werden konnte, durch den
Zuruf "Schieß ihn nieder" zur Ausführung einer verbrecherischen Handlung angestiftet. Obwohl
die seinerzeitige Hauptbelastungszeugin in der neuerlich durchgeführten Voruntersuchung ihre früheren
Angaben abschwächte, erklärte sie trotz wiederholter Vorhalte, dass sie den auf dem Rad in Richtung
Lager fahrenden Angeklagten gesehen und gehört habe, wie dieser die Aufforderung "Schieß ihn
nieder" gerufen habe. Der Staatsanwalt nahm auf Grund der entlastenden Angaben des früheren Werkmeisters
des Blech-Walzwerks Schmidt & Co an, dass die beiden Schüsse gefallen sind, bevor der Angeklagte Deli in
die Nähe des Lagers kam. Dem gegenüber stand aber die Aussage der Hauptbelastungszeugin, die den Zuruf
"Schieß ihn nieder" vernommen habe. Dass die anderen Zeugen dies nicht gehört haben wollen,
war für die Staatsanwaltschaft nicht ausreichend, die Glaubwürdigkeit dieser Zeugin in Frage zu stellen.
Mit deren Hilfe beabsichtigte der Staatsanwalt den Angeklagten als Befehlsgeber zu überführen und die Tat
nachzuweisen.[27]
b) Eine weitere Anklage am gleichen Tag Neben der Anklage wegen des Verbrechens der versuchten Verleitung zum Verbrechen des gemeinen Mordes nach
dem österreichischen Strafgesetz, begangen an dem verletzten Ukrainer, wurde am gleichen Tag – nämlich
am 26. April 1951 – eine zweite getrennte Anklage wegen Quälerei und Misshandlung nach § 3/1 KVG,
begangen ebenfalls an dem verletzten Ukrainer von der Staatsanwaltschaft Wien
eingebracht.[289
Am 30. Mai 1951 wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Faktum "Aufforderung des Beschuldigten
an Karl Hahn Schieß ihn nieder’, aus dem Verfahren zwecks beschleunigter Durchführung
ausgeschieden. Das ursprünglich vom Volksgericht Wien behandelte Verbrechen – die Verleitung zum
gemeinen Mord am verletzten Ukrainer – wurde nun vom ordentlichen Gericht weitergeführt. Während
dagegen die Misshandlung des gleichen Opfers durch das Volksgericht Wien behandelt
wurde.[29]
Die Vorgangsweise der Abtretung dieses Verbrechens an das ordentliche Gericht entsprach nicht den strafprozessualen
Bestimmungen, da die Ahndung von "Verbrechen aus nationalsozialistischer Gesinnung oder im Interesse
der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft" gemäß den Bestimmungen des § 13 KVG,
Absatz 2[30] eindeutig im Bereich der Volksgerichtsbarkeit lag.
Die Erteilung eines Befehls zur Ermordung eines ukrainischen Arbeiters gehörte zweifelsohne dazu.
Eine Begründung für diese Entscheidung ist weder in den überlieferten Teilen des
Gerichtsakts noch im staatsanwaltschaftlichen Tagebuch enthalten.
Das Verfahren wegen der Anstiftung des Karl Hahn zum Verbrechen des gemeinen Mordes wäre eigentlich
an das damalige Kreisgericht Krems[31] abzutreten gewesen. Ein entsprechender
Beschluss des Oberlandesgerichts Wien erging am 9. Juni 1951[32]. Aber
aus Zweckmäßigkeitsgründen, insbesondere um die Anfertigung von Abschriften des umfangreichen
Volksgerichtsakts und die Befassung eines anderen Gerichts mit dem komplexen Konvolut zu vermeiden, wurde das
Verfahren auf entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft Wien mit Delegierungsverfügung des
Oberlandesgerichts Wien dem Landesgericht für Strafsachen Wien zugewiesen.[33]
c) Verhandlung in Krems Die Durchführung der Hauptverhandlung vor einem Schöffensenat des Landesgerichts für
Strafsachen Wien erfolgte am 2. Juli 1951 im Kreisgericht Krems.[34] Der
vorsitzende Richter Clemens Pausinger hatte sich dazu entschlossen, nicht in Wien, sondern an "Ort und
Stelle"[35] zu verhandeln. Nach Feststellung des Gerichts wurden die
Verbrechen zwischen 16. und 19. April 1945 verübt, da die Räumung des Lagers am 15. April erfolgte.
In seinen Ausführungen bestritt Deli neuerlich die ihm angelastete Straftat der Verleitung zum Verbrechen
des gemeinen Mordes. Im Mittelpunkt des ersten Verhandlungstages stand ausschließlich die Befragung des
Angeklagten durch den Staatsanwalt und den vorsitzenden Richter.
Fortgesetzt wurde die Hauptverhandlung am 3. Juli 1951 in der Siedlung Lerchenfeld in Krems-Rohrendorf an der
Stelle des ehemaligen Ausländerlagers. Auf dem einstigen Lagergelände waren zum damaligen Zeitpunkt
Kukuruzstauden angepflanzt, von den normierten Baracken nur mehr die Sockel erhalten.
Die meisten Zeuginnen und Zeugen entlasteten den Angeklagten. Ein Zeuge bestätigte, dass Deli erst das Lager
betreten habe, nachdem bereits die Schüsse gefallen waren. Von einem Zuruf des Angeklagten habe er nichts
gehört. Im Gegensatz zu seinen belastenden Aussagen im Vorverfahren schwächte ein Zeuge auf wiederholte
und eindringliche Befragung seine Beschuldigungen ab.
Nur eine der Zeuginnen erhielt ihre Anschuldigungen auch in der neuerlichen Hauptverhandlung am 3. Juli 1951
aufrecht und bestätigte die Aufforderung "Schieß ihn nieder" vernommen zu haben. Ihren
Ausführungen folgend, erblickte sie den Angeklagten auf seinem Fahrrad beim Zaun des Lagers. Danach vernahm
sie in kurzem Zeitabstand zwei Schüsse. Darüber, was Deli nach der Aufforderung gemacht habe, konnte
sie keine Angaben machen. Sie beobachtete erst wieder die Verfolgung des Verwundeten. Sie erwähnte, dass
Deli eine Militäruniform getragen habe und etwas in der Hand hielt. Weiters gab sie an, gehört zu
haben, dass der Angeklagte dem Ukrainer den Gnadenschuss geben wollte. Misshandlungen habe sie keine gesehen.
Auf die Frage der Verteidigung, ob es nicht möglich sein könnte, dass der Angeklagte dem Wachposten
Karl Hahn auch "Was schießt denn?" zugerufen habe, antwortete die Hauptbelastungszeugin, mit
deren Hilfe der Staatsanwalt den Angeklagten zu überführen gehofft hatte, dass der Angeklagte dies auch
gerufen haben könnte. Damit war ihre Glaubwürdigkeit eindeutig in Frage gestellt. Auf die Vernehmung
einer nicht anwesenden Zeugin wurde verzichtet.
Um 10 Uhr erfolgte eine Unterbrechung der Hauptverhandlung und die Rückkehr von der Siedlung Lerchenfeld in
den Verhandlungssaal des Kreisgerichts Krems. Nach der neuerlichen Aufnahme der Hauptverhandlung wurden die
beantragten Verlesungen und Feststellungen aus dem Volksgerichtsakt LG Wien Vg 9 Vr 59/51 vorgenommen und das
Beweisverfahren abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft überließ die Würdigung der Schuldfrage
dem Gericht; die Verteidigung beantragte Freispruch. Damit endete die Hauptverhandlung am 3. Juli 1951, einen
Tag früher als geplant. Der Gerichtshof zog sich zur Beratung zurück.
Nach nicht einmal einer Stunde verkündete der vorsitzende Richter des Schöffensenats das freisprechende
Urteil. Damit wurde Johann Deli am 3. Juli 1951 vom Vorwurf der Verleitung zum Verbrechen des gemeinen Mordes
von den beiden Berufsrichtern und den zwei Schöffen aus Mangel an Beweisen
freigesprochen.[36]
Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens konnten folgende Fakten vom Gericht festgestellt
werden:
Die Räumung des Lagers war um den 15. April 1945 erfolgt.
Der Volkssturmangehörige Hahn versah in der Zeit zwischen 16. und 19.
April 1945 Wachdienst.
Als dieser bemerkte, dass zwei Ukrainer aus dem Fenster einer Baracke stiegen, nahm
er an, dass es sich um Plünderer handelte und erschoss einen beziehungsweise verletzte den Anderen
durch Abgabe von Gewehrschüssen.
Der Vorwurf, dass der Angeklagte an Karl Hahn den Befehl zur Tötung des verletzten
Ukrainers erteilt habe, entsprach auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens nicht den
Tatsachen.[37]
Entscheidend für den Freispruch war einerseits die Wertung der Persönlichkeit des Angeklagten,
dem das Gericht nicht zutraute, ohne weiteres Befragen, gleich eine Aufforderung zum Waffengebrauch
abzugeben.
"Diese Erwägung spricht daher eindeutig dafür, dass in dem Ruf des Angeklagten eher eine
Frage als eine Aufforderung enthalten gewesen sein muss; hinzu kommt noch die Persönlichkeit des Angeklagten,
der als alter österreichischer Feldwebel, zweifellos soviel Besonnenheit an den Tag gelegt hätte,
um vorerst nach dem Hergang der Geschehnisse zu fragen."[38]
Dagegen bezweifelte das Gericht die Glaubwürdigkeit der einzigen übrig gebliebenen
Hauptbelastungszeugin. Daher konnte ihre Behauptung, dass der Angeklagte den Schießbefehl erteilt
habe, nicht als erwiesen angenommen werden. Zudem machte sie auch über andere Details des Tathergangs
widersprüchliche Angaben. So behauptete sie in der Hauptverhandlung am 12. November 1947, dass der
Angeklagte auf seiner Fahrt Richtung Krems die beiden Ukrainer vor Abgabe der Schüsse gesehen habe.
Im Rahmen des Lokalaugenscheins hatte sich diese Aussage ebenso wie die von ihr angegebene Zeitspanne von
einer Viertelstunde zwischen erstem und zweitem Schuss als offenkundig unrichtig
erwiesen.[39]
Johann Deli wurde auf Weisung der sowjetischen Besatzungsmacht am 11. Juli 1951 vom Gefangenenhaus Wien-Favoriten
in die Strafanstalt Stein an der Donau überstellt und nach Bewilligung der Stadtkommandantur
Krems am 10. Jänner 1952 auf freien Fuß gesetzt.[40]
Mit der Begründung, dass der Freispruch im Zweifel für den Angeklagten erfolgte und der auf
Johann Deli ruhende Verdacht keineswegs völlig entkräftet werden konnte, wurde die Zuerkennung
einer Haftentschädigung für die Untersuchungshaft vom 26. Oktober 1945 bis 14. November 1947
beziehungsweise die Strafhaft vom 15. November 1947 bis 3. Juli 1951 abgewiesen. Nach einer Beschwerde
des Johann Deli hob das Oberlandesgericht Wien allerdings am 4. November 1952 den Beschluss auf und dem
Landesgericht für Strafsachen Wien wurde die neuerliche Entscheidung aufgetragen.[41]
Diesem Beschluss vorausgegangen waren allerdings Diskussionen innerhalb der Justiz über die
Frage der Zuerkennung einer Haftentschädigung, wie aus einem Entwurf des Oberlandesgerichts Wien
vom 16. Oktober 1952 zu entnehmen ist. Damit sollte die Beschwerde des Johann Deli ursprünglich
auch vom Oberlandesgericht Wien abgewiesen werden. In diesem dem Akt beiliegenden Entwurf einer Begründung
rechtfertigte das Gericht die Entscheidung dahingehend, dass angesichts der schweren Anschuldigungen die
Verdachtsmomente nicht vollständig entkräftet werden konnten und Johann Deli im Zuge des
geführten Verfahrens seine Angaben mehrfach abgeändert hätte. So machte er zu verschiedenen
Zeiten seiner Einvernehmung unterschiedliche Darstellungen des Tathergangs. In einer Version gab er an, die
zwei Ukrainer aus dem Fenster einer Baracke steigen gesehen zu haben und daraufhin den Volkssturmangehörigen
Karl Hahn auf den Vorfall mit der Frage, was los sei, aufmerksam gemacht zu haben. Das Oberlandesgericht Wien
erblickte in seinen Angaben einen Widerspruch darin, dass ihn in diesem Fall, entgegen früheren Behauptungen,
nicht erst der Anblick des ihm zugeteilten Arbeiters Hahn mit dem geschulterten Gewehr zu seiner Frage veranlasst
hätte. In der Hauptverhandlung vom 12. November 1947 merkte er an, dass sich die Tat in den Vormittagsstunden
ereignet hätte, während er in der Verhandlung vor dem Schöffengericht am 2. Juli 1951 den Zeitpunkt
auf Nachmittag verlegte. Dadurch sollte seine Glaubwürdigkeit in Frage gestellt und die Beschwerde somit
abgewiesen werden.[42]
In einer nicht öffentlichen Sitzung am 12. Jänner 1953 sprach sich ein Senat des Landesgerichts
für Strafsachen Wien neuerlich gegen die Zuerkennung einer Haftentschädigung aus, weil für die
Untersuchungshaft vom 26. Oktober 1945 bis 14. November 1947 begründete Verdachtsmomente bestanden hätten.
Der Freispruch vom 3. Juli 1951 erschien zwar gerechtfertigt, berechtigte Zweifel blieben aber weiterhin
bestehen, weshalb das Gericht auch in diesem Fall eine Haftentschädigung
ablehnte.[43]
Auf Grund einer neuerlichen Beschwerde des Johann Deli wurde auch dieser Beschluss vom Oberlandesgericht
Wien am 20. Februar 1953 aufgehoben und diesmal dem Volksgericht Wien die Entscheidung darüber
aufgetragen. In seiner Begründung argumentiert das Oberlandesgericht Wien damit, dass sich Deli niemals
wegen vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu verurteilender Taten in Haft befunden hätte,
sondern seine Untersuchungs- wie seine Strafhaft nur wegen vom Volksgericht Wien zu verurteilender Verbrechen
verhängt worden wäre. Ein Beschluss des Volksgerichts Wien ist im Akt
LG Wien 12d Vr 4359/51 nicht enthalten. Die Frage, warum dann das Verfahren wegen der Befehlserteilung an
das ordentliche Gericht abgetreten wurde, erscheint daher berechtigt.[44]
d) Deli neuerlich vor dem Volksgericht Von der Anklage des Verbrechens der Quälerei und Misshandlung an dem verletzten Ukrainer
wurde Deli in der Hauptverhandlung vor dem Volksgericht Wien am 10. Juli 1951 mangels Vorliegens von
stichhältigen Beweisen freigesprochen. Das Beweisverfahren ergab, dass sich der Ukrainer vor Hahn und Deli
niederkniete und bat, ihm kein Leid zuzufügen. Danach durfte er sich aus dem Lager entfernen. Anhaltspunkte
dafür, dass der Angeklagte ihn in irgendeiner Form bedroht oder misshandelt hätte, ergaben sich aus
dem durchgeführten Beweisverfahren nicht.[45]
Offen blieb schussendlich nur mehr das Verfahren wegen Anstiftung des Karl Hahn zur Ermordung des zweiten
Ukrainers. Dieses Verfahren wurde dann vom Volksgericht Wien auf Antrag der Staatsanwaltschaft Wien vom 20.
April 1954 eingestellt. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass Deli, gemäß dem
freisprechenden Urteil des ordentlichen Gerichts vom 3. Juli 1951, das Lager erst nachdem die beiden
Schüssen gefallen waren, betreten hatte.[46]
Johann Deli verstarb in den 1960er Jahren in Liezen in der Steiermark. Dies geht aus einem Schreiben
der Pensionsversicherung der Angestellten vom 5. Mai 1965 an seine Witwe hervor.[47]
5. Resümee Dieses historische Fallbeispiel lässt trotz individueller Eigenheiten auch allgemeine
Rückschlüsse auf die gegenwärtige Diskussion rund um die Todesstrafe zu: Wie in der
Einleitung beschrieben, schien vorerst die Beweislage eindeutig zu sein, doch im weiteren Verlauf ergaben
sich immer mehr Zweifel und Widersprüche. Am Ende blieben viele Fragen unbeantwortet. Etwa, ob das
Gericht im Wiederaufnahmeverfahren auch dann einen Freispruch gefällt hätte, wenn das Opfer im
Unterschied zu dem "fremden" Ukrainer ein Angehöriger der örtlichen Bevölkerung
gewesen wäre und dadurch die Öffentlichkeit entsprechenden Druck ausgeübt hätte.
Unbestritten ist nur, dass ein Mensch erschossen wurde und wer die Tat begangen hatte. Die Zeugenaussagen
über den Tathergang differieren, eine Exhumierung der Leiche wurde nicht vorgenommen, und die Frage,
ob die Tat auf Anordnung des vermeintlichen Befehlsgebers – der unter Umständen gar keine
Befehlsgewalt hatte – oder aus eigenem Antrieb des Untergebenen erfolgte, konnte auch nicht geklärt
werden. Selbst wenn, wie im vorliegenden Fall, der Vorgesetzte, der – laut Anklageschrift –
den Befehl erteilte, vor Gericht gestellt werden kann, ist die Beweisführung fast unmöglich, wenn
keine der Personen, die den Befehl ausführten, greifbar ist.
Dass eine solche Vorgangsweise bei einer Änderung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen generell
Zweifel an der Legitimität derartiger Gerichtsverfahren nähren mussten, wurde von der
Staatsanwaltschaft und vom Gericht nicht beachtet.
Zur Unterschätzung der Notwendigkeit der Vorlage von Beweismitteln gehört auch der Verzicht auf eine
Exhumierung, womit nicht einmal die Todesursache des Opfers eindeutig festgestellt werden konnte.
Fälle wie dieser sind in Nachkriegsgesellschaften, sowohl der Vergangenheit als auch der Gegenwart,
häufig zu finden – allerdings wirken in der Zwischenzeit an der Beweissicherung auch internationale
Organisationen mit, wodurch die nachfolgenden Gerichtsverfahren beträchtlich erleichtert werden.
Dennoch steht auch gegenwärtig einer personell unterbesetzten und daher überlasteten Gerichtsbarkeit
eine meist große Zahl von Beschuldigten gegenüber. Die anhängigen Verfahren werden in dieser
Situation mit wenig Personal unter großem Zeitdruck geführt. Auch die Erwartungen der Öffentlichkeit
beeinflussen die Rechtssprechung. Die Verhängung von Höchststrafen, und wenn die rechtliche Möglichkeit
dazu besteht, in letzter Konsequenz auch der Todesstrafe, wird von vielen als einzig mögliche "gerechte"
Antwort auf die vorangegangenen Massenverbrechen gesehen.
Es ist davon auszugehen, dass unter solchen Voraussetzungen die Gefahr nicht auszuschließen ist, dass
Verfahren mangelhaft durchgeführt werden und mit Fehlurteilen enden. Die internationale Gemeinschaft versucht
daher seit den 1990er Jahren – erstmals mit den vom UN-Sicherheitsrat eingerichteten Ad-hoc-Tribunalen
für das frühere Jugoslawien und Ruanda – dem gegenzusteuern, indem nicht nur die Unabhängigkeit
der Justiz gestärkt wird (beispielsweise durch die Einrichtung von Strafsenaten unter internationaler Beteiligung
wie am Obersten Gerichtshof in Sarajevo), sondern auch an die Vorlage von Beweismitteln besonders hohe Standards
angelegt werden.
Bemerkenswerterweise sieht – trotz dieser Vorkehrungen, die Fehlurteile weitgehend ausschließen – keiner dieser internationalen bzw. unter internationaler Beteiligung eingerichteten Gerichtshöfe die Todesstrafe vor.
Anmerkungen
[1] Gertrude Enderle-Burcel / Rudolf Jeřábek /
Leopold Kammerhofer (Hrsg.), Protokolle des Kabinettsrates der Provisorischen Regierung Karl Renner 1945, Bd. 1,
Horn-Wien 1995, S 271. Siehe dazu den Beitrag von Claudia Kuretsidis-Haider in dieser Publikation.
[2] LG Wien Vg 11f Vr 735/45, Anklageschrift vom 2. Juni 1947
[3] Der Angeklagte Stefan Hochgötz wurde am 20.
November 1947 von einem Senat des Volksgerichts Wien wegen Kriegsverbrechen nach § 1 Absatz 2 und 4 KVG
in Tateinheit mit dem Verbrechen der vorsätzlichen Tötung als Totschläger gemäß § 212
Reichsstrafgesetz zu 15 Jahren schweren Kerkers verurteilt.
[4] Änderung der Aktenzahl des Originalakts durch
Wiederaufnahmebeschluss vom 2. Februar 1951 auf
LG Wien Vg 9 Vr 59/51.
[5] Antwortschreiben des Präsidenten des LG Krems vom
20. Mai 2003 an die Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz.
[6] LG Wien Vg 3a Vr 4018/45, Urteil vom 14. November 1947.
[7] Mit der Errichtung der "Schmidhütte
Krems" wurde 1938 begonnen; die heutige Bezeichnung lautet Voestalpine Krems.
[8] LG Wien Vg 3a Vr 4018/45, Hauptverhandlungsprotokoll
vom 13. November 1947.
[9] LG Wien 32d Vr 4359/51, Anzeige vom 26. Oktober 1945
und Hauptverhandlungsprotokoll vom 2. Juli 1951
[10] Anfang April 1945 erfolgte die Evakuierung des
Kriegsgefangenenlagers Krems-Gneixendorf auf Grund des Heranrückens der Roten Armee. Für die Bewertung
von Zeugenaussagen bedeutet dies, dass im Rahmen kriegerischer Handlungen eine genaue Erinnerung an einzelne
Ereignisse wohl nicht mehr möglich war.
[11] LG Wien Vg 3a Vr 4018/45, Urteil vom 14. November 1947.
[12] Zu den nachfolgenden Ausführungen siehe, so
nicht anders angegeben: LG Wien Vg 3a Vr 4018/45, Hauptverhandlungsprotokoll vom 12., 13. und 14. November 1947.
[13] LG Wien Vg 3a Vr 4018/45, Hauptverhandlungsprotokoll
vom 14. November 1947, S.51.
[14] Die nachfolgenden Ausführungen entstammen dem
Wiederaufnahmeantrag vom 16. Mai 1951. Im Gegensatz zu anderen Dokumenten aus dem Originalakt ist von diesem
Gerichtsdokument eine vollständige Abschrift im Verfahren LG Wien 32d Vr 4359/51 enthalten.
[15] Urteil vom 14. November 1947. Am ersten Tag der
Hauptverhandlung erfolgte auch die Ausdehnung der Anklage durch die Staatsanwaltschaft auf die Straftatbestände
Hochverrat und Registrierungsbetrug. Wegen seiner Zugehörigkeit zur NSDAP vor März 1938 und seiner
Anerkennung als "Altparteigenosse" wurde Deli auch hinsichtlich dieses Delikts verurteilt. Dieser
Schuldspruch wirkte sich auf die Strafbemessung der anderen Tatbestände aus, da den Verbrechen im April 1945,
nach Einschätzung des Gerichts, eine nationalsozialistische Einstellung zugrunde lag.
[17] LG Wien 12 d Vr 4359/51, Beschwerde von Johann
Deli vom 17. März 1952.
[18] LG Wien Vg 3a Vr 4018/45, Wiederaufnahmeantrag
vom 20. Oktober 1950; LG Wien 32d Vr 4359/51, Anklageschrift vom 26. April 1951.
[19] Änderung der Aktenzahl des Originalverfahren
auf LG Wien Vg 9 Vr 59/51 (früher LG Wien Vg 3a Vr 4018/45) durch Wiederaufnahmebeschluss des LG Wien vom
2. Februar 1951.
[20] Wiederaufnahmebeschluss des LG Wien vom 2. Februar 1951.
[22] LG Wien Vg 9 Vr 59/51, Zeugenvernehmung von
Anton S. (7. März 1951).
[23] LG Wien Vg 9 Vr 59/51, Zeugenvernehmung von
Josef SCH. (7. März 1951).
[24] LG Wien Vg 9 Vr 59/51, Zeugenvernehmung von Maria
P. (7. März 1951).
[25] LG Wien Vg 9 Vr 59/51, Zeugenvernehmung von
Maria R. (7. März 1951).
[26] LG Wien Vg 9 Vr 59/51, Amtsvermerk vom 8. März 1951.
[27] LG Wien 12d Vr 4359/51, Anklageerhebung vom 26.
April 1951.
[28] LG Wien 12d Vr 4359/51, Rechtsmittelentscheidung
des OLG Wien vom 20. Februar 1953.
[29] StA Wien 15 St 3839/51, Bericht der Staatsanwaltschaft Wien
vom 20. April 1954. Das Faktum "Aufforderung des Beschuldigten an Karl Hahn ‚Schieß ihn
nieder’" wurde aus dem Verfahren LG Wien Vg 9 Vr 59/51 ausgeschieden und vom ordentlichen Gericht
unter der Geschäftszahl LG Wien 12d Vr 4359/51 weitergeführt.
[30] "Die Bestimmungen des Artikels V des
Verbotsgesetzes […] gelten auch, wenn eine Tat weder nach diesem Gesetz noch nach dem Verbotsgesetz,
sondern nur nach dem allgemeinen Strafgesetz mit Strafe bedroht ist, sofern der Täter aus nationalsozialistischer
Gesinnung oder aus Willfährigkeit gegenüber Anordnungen gehandelt hat, die im Interesse der
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft oder aus nationalsozialistischer Einstellungen ergangen sind, und die
Tat mit der Todesstrafe oder mit einer Freiheitsstrafe von mindestens 10 Jahren bedroht ist." (KVG 1947, BGBl.
Nr. 198/1947).