Rudolf Watzek-Mischan
K.u.k. Militärrichter – Vizepräsident
des OLG Graz – KZ-Häftling in Dachau und Buchenwald – Senatsvorsitzender
des Volksgerichts/Außensenat Ried.
Rudolf Watzek-Mischan wurde am 21. September 1880 in Graz geboren, wo er Jus
studierte. Nach der Richteramtsprüfung (1906) war er als Militärrichter
bei den Gerichten in Wien, Miskolcz, Budapest und Mostar tätig.
Im Jahr 1920 wurde Richter am Landesgericht Graz. 1921 wurde er zum Landesgerichtsrat
ernannt und an das Kreisgericht Leoben berufen, wo er – mit einer einjährigen
Unterbrechung (1922 am Bezirksgericht Oberpullendorf) – bis 1924 als
Richter fungierte. 1924 wurde er Sprengelrichter des OLG Graz, 1925 Rat des
KG Leoben. Entgegen anderslautender Gerüchte [Anmerkung]
hatte Watzek-Mischan allerdings nichts mit der am 19. Februar 1934 Kreisgericht
Leoben geführten Standgerichtsverhandlung gegen den sozialdemokratischen
Nationalratsabgeordneten Koloman Wallisch zu tun. Am 15. Februar 1935 wurde
er zum Vizepräsidenten des OLG Graz ernannt.
Bereits am 12. März 1938 wurde er von den Nationalsozialisten verhaftet
und blieb bis zum 8. Oktober 1940 in Haft, zuletzt im KZ Dachau. 1945 kehrte
er wieder nach Graz zurück, war hier u.a. Richter in Volksgerichtssachen
(so war er Vorsitzender im Klagenfurter Partisanenmordprozess im Juli 1946),
ehe er am 26. November 1946 zum Präsidenten des Kreisgerichtes Ried i.
Innkreis ernannt wurde.
Am 13. März 1950 wandte sich Oberstaatsanwalt Dr. Johann Ilkow namens
des Generalstaatsanwalts bei dem Oberlandesgerichte Bamberg in einem hektografierten
Schreiben an eine Reihe möglicher Zeugen für das in Bamber geplante
Strafverfahren gegen den früheren SS-Hauptscharführer und Arrestaufseher
im KL. Buchenwald Martin SOMMER (4 Js 360/49 [O Js 1/49]), darunter auch an
den "Herrn Kreisgerichtspräsidenten Rudolf Watzek-Mischan".
Ilkow schrieb:[
"Am 22. 2. ds. Jhrs. gelang es den die Untersuchung gegen Ilse Koch führenden
bayerischen Justizbehörden, den berüchtigten Henker von Buchenwald,
Martin SOMMER, im Versehrtenkrankenhaus Bayreuth zu ermitteln. Sommer wurde
festgenommen, in Untersuchungshaft gezogen und nach dem Gefängnis St.
Georgen-Bayreuth überstellt.
Am 28. 2. 1950 habe ich mit dem Antrag auf Eröffnung der gerichtlichen
Voruntersuchung öffentlicher Klage gegen Martin SOMMER erhoben."
Es folgte eine Aufzählung der Anklagepunkte und die Mitteilung, dass
das Verfahren "vorläufig mit jenem gegen Ilse Koch verbunden"
bleibe. Die Staatsanwaltschaft bat um die Mitteilung von Sachverhalten und
Zeugen.
Watzek-Mischan antwortete auf Wien am 21. 3. 1950 (Jv 332-25/50):
[...]
Der ehemalige SS-Hauptscharführer Sommer ist mir bekannt. Ich wurde im
September 1939 vom KZ. Dachau in das KZ. Buchenwald überstellt und blieb
dortselbst bis anfangs September 1940, zu welcher Zeit ich in das KZ. Dachau
zurückgeschafft wurde. Der SS-Hauptscharführer Martin Sommer war
war im KZ. Buchenwald Aufseher im Arrestbau (dem sogenannten Bunker).
Ich selbst befand mich im KZ.Buchenwald nicht im Bunker und kann daher aus
eigener Wahrnehmung keine Angaben machen. Ich weiss aber, dass sowohl der
"Bunker", sowie auch der Aufseher desselben, Sommer, unter den Lagerhäftlingen
sehr gefürchtet war. Von meinen persönlichen Bekannten fanden zwei
im Bunker den Tod. Es war dies der Pfarrer Spannlang [= Matthias Spanlang,
20.2.1887–5.6.1940] aus St. Martin bei Ried im Innkreis, Oberösterreich,
und ein Pfarerr namens Neurihrer [= Otto Neururer, Pfarrer von Götzens/Tirol?],
glaublich aus Niederösterreich. Spannlang wurde eines Tagesin den Bunker
gebracht und glaublich noch am Abende desselben Tages oder am nächsten
Tage war sein Tod bereits unter den Lagerhäftlingen bekannt. Auf welche
Weise die beiden Personen umgebracht wurden, ist mir nicht bekannt. Unter
den Häftlingen wurde im Lager gesprochen, dass Spannlang im Bunker gekreuzigt
worden ist.
Ich erlaube mir, auf das von Guido Kopp erschienene Buch "Ich aber habe
leben müssen" [= Guido Kopp, Ich aber habe leben müssen...
Die Passion eines Menschen des 20. Jahrhunderts. Ried-Verlag: Salzburg 1946.
370 Seiten] hinzuweisen. Der Verfasser dieses Buches war im KZ. Buchenwald
längere Zeit unter Sommer im Bunker und hatte das Glück, mit dem
Leben davon zu kommen. Dieses Buch ist im "Ried-Verlag", Salzburg,
Elisabethstrasse 2/II, erschienen.
[...]
Das Verfahren gegen Martin Sommer zog sich übrigens noch lange hin; es
wurde am Landgericht Bayreuth am 3. Juli 1958 mit einer Verurteilung zu 25
Mal lebenslänglichem Zuchthaus abgeschlossen (Ks 3/57) und am 5. Mai
1959 vom Bundesgerichtshof bestätigt (1 StR 641/58). das Urteil ist –
unter der Nummer 464 – abgedruckt in: "Justiz und NS-Verbrechen",
Bd. XIV, S. 809-816, der Entscheid des BGH über die Zurückweisung
des Revisionsgesuchs auf S. 817-821.
Als Präsident des Kreisgerichts Ried kümmerte sich
Watzek-Mischan ab 1950 vermehrt um die Evidenzhaltung, da er feststellen musste,
dass das Linzer Volksgericht offenbar jeweils erst auf ausdrückliche
Aufforderung hin mitteilte, was aus den nach Linz rückabgetretenen Fällen
geworden war.
[Anmerkung]
Vgl. die Meldung im Wiener "Tagebuch" vom 4. März
1950 (S. 6):
"dass Dr. Watzek-Mischan jetzt Kreisgerichtspräsident in Ried ist,
nicht obwohl, sondern weil er 1934 das Todesurteil gegen den Februarkämpfer
Koloman Wallisch gefällt hat."
Das Standgericht am KG Leoben verurteilte Koloman Wallisch und den (nach der
Verhandlung vom Bundespräsidenten begnadigten) Mitangeklagten Hubert
Russ am 19. Februar 1934 wegen Verbrechens nach § 73 StG (Aufruhr) zum
Tode, Wallisch wurde noch am selben Tag hingerichtet. Beginn der Hauptverhandlung
war 14.14 Uhr, Ende 20.45 Uhr. Vorsitzender des Standgerichts war Senatsvorsitzender
OLGR Dr. Fritz Marinitsch, beiseitzende Richter waren OLGR Dr. Augustin Brunner,
LGR Dr. Hans Petsche, LGR Dr. Walter Hotter, die Anklage wurde von Staatsanwalt
Dr. Paul Suppan vertreten. Die Hinrichtung Wallischs erfolgte um 23.40 Uhr.
(Siehe: KG Leoben 7 Vr 343/34; Kopie: DÖW 6979)
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