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ZUM GEDENKEN AN DIE OPFER VON ENGERAU:
Gedenkfahrt 2004 nach Bratislava-Petržalka (Sonntag, 28. 3. 2004)

Erste Station: Gasthof Leberfinger
Zweite Station: Friedhof Engerau
Dritte Station: Matador (ehem. Semperit-Werk)
Vierte Station: Verbrechen zwischen Wolfsthal und Hainburg
Fünfte Station: Friedhof Bad Deutsch-Altenburg


Der Verein zur Erforschung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen und ihrer Aufarbeitung führte am 28. März 2004 zum vierten Mal eine Gedenkfahrt nach Engerau (Bratislava-Petržalka / ungarisch: Pozsonyligetfalu) und Bad Deutsch-Altenburg durch. Hier wurden in den letzten Monaten der NS-Herrschaft mehr als 500 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter von österreichischen SA-Männern und Politischen Leitern misshandelt, gequält und ermordet.
Engerau gehörte in der NS-Zeit zum Gau Niederdonau, ist aber heute ein Stadtteil (der 5. Bezirk) von Bratislava. Die Donau bildete die Grenze zur Slowakei. Engerau war für die Deutschen aufgrund der Donaubrücke strategisch wichtig. In den letzten Kriegsmonaten war Engerau der nördlichste Punkt der von zur Verteidigung gegenüber der heranrückenden Roten Armee von Angehörigen des Volkssturms, der Zivilbevölkerung und vor allem ungarischen Juden unter unmenschlichsten Bedingungen errichteten Reichsschutzstellung, dem so genannten Südostwall.

Anfang Dezember kamen ca. 2.000 ungarische Juden in geschlossenen Waggons in Engerau an. Die deutsche Bauleitung "Unterabschnitt Engerau" ließ Gruppen zu je 120-150 Mann zusammenstellen. Die Juden wurden in alten Baracken untergebracht, aber auch in Bauernhöfen, Scheunen, Ställen und Kellern. Sie lebten somit auf "Tuchfühlung" mit der Bevölkerung. Das Zwangsarbeitslager Engerau bestand aus mehreren Teillagern. Die sanitären Verhältnisse waren unvorstellbar, die Leute mussten unter furchtbaren hygienischen Bedingungen hausen. Von Dezember 1944 bis Februar 1945 gab es kein Wasser, weil die Brunnen eingefroren waren. Die Menschen starben zuhauf sowohl an den Verhältnissen im Lager als auch aufgrund von Erschöpfung bei den anstrengenden Schanzarbeiten sowie, weil sie von der SA-Wachmannschaft bzw. von den sie beaufsichtigenden Politischen Leitern misshandelt und getötet wurden.
Gegen einige dieser SA-Männer, politische Leiter sowie gegen die Lagerkommandanten und die zuständigen Unterabschnittsleiter wurden zwischen 1945 und 1955 mehrere Prozesse vor den österreichischen Volksgerichten durchgeführt (einige davon wurden als "Engerau-Prozesse" bezeichnet.
Die SA-Wache unterstand Edmund Kratky, der später von Wachkommandant Erwin Falkner abgelöst wurde. Kommandant der SA-Wache für den Unterabschnitt war Gustav Terzer. Die SA-Lagerleiter unterstanden dienstrechtlich Terzer, ansonsten dem Ortsgruppenleiter von Engerau Karl Staroscinsky. Die Juden wurden bei der Arbeit von den politischen Leitern bewacht und nachts von der SA, jedes Teillager hatte auch einen jüdischen Lagerkommandanten. Zusätzlich war in jeder "Unterkunft" ein Politischer Leiter als Lagerführer eingesetzt, dem ein Gefangener beigegeben wurde, der deutsch und ungarisch sprechen konnte.
Insgesamt wurde in der Strafsache Engerau gegen insgesamt 72 Personen gerichtlich ermittelt 21 von ihnen wurden in den 6 Engerau-Prozessen vor Gericht gestellt. 1945/46 wurden 9 Todesurteile ausgesprochen, die allesamt auch vollstreckt wurden, des weiteren gab es 1954 eine lebenslange Haftstrafe, eine Haftstrafe zu 20 Jahren und eine zu 19 Jahren sowie weitere geringere Haftstrafen.

Erste Station der Gedenkfahrt war das ehemalige Teillager im Gasthaus Leberfinger. An diesem Ort befindet sich – nach Jahren des Verfalles – heute wieder ein Restaurant.

Das Gasthaus an der Donau war schon vor mehr als 300 Jahren eine alte Einkehrstätte und hatte aus der Zeit des Verkehrs mit Pferdefuhrwerken ein Stallgebäude mit einem Boden, um für die Pferde der Reisenden eine Unterkunft zu gewährleisten.
Während der NS-Zeit wurde das Gasthaus Leberfinger von der Frau des Besitzers und deren Schwiegertochter geführt. Nach der Befreiung durch die sowjetische Armee sind beide nach Wien gezogen.
Ab Dezember 1944 waren in einem großen, langen Schuppen – einem ehemaligen Pferdestall – mit zwei Eingängen ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter "untergebracht". Das Gebäude stand parallel zur Gastwirtschaft, aus deren Küche man auf die Eingänge des Schuppens sehen konnte. Der im 2. Engerau-Prozess zu zwei Jahren Haft verurteilte Karl Hahn beschrieb das Lager als gemauerten "Schupfen" mit einem Dachboden, in dem die Juden "hübsch aufeinander gelegen" seien.

Der 43-jährige Kaufmann Ernő Honig aus Kisvajke schilderte als Zeuge das Lager im Gasthaus Leberfinger folgendermaßen (15. 8. 1945, LG Wien Vg 1a Vr 4001/48):

"Wir schliefen dort [...] in einem Stall mit betoniertem Boden ohne jede Unterlage und ohne Heizung, so dass von uns, als wir Engerau verließen nur mehr [wenige] am Leben waren. Die übrigen wurden teils bei der Arbeit erschlagen, teils starben sie an Erschöpfung oder den Folgen von schweren Erfrierungen. Es war uns verboten, sich zu waschen und waren wir deshalb voller Läuse und voll von Furunkel und anderen eiternden Wunden."

Der 41-jährige Budapester Geschäftsführer Ignatz Blau war in der Scheune "untergebracht", "deren Dach voll von Löchern war, so dass Regen und Schnee ungehindert durch konnten. Auch die Seitenwände zeigten mächtige Spalten, es fehlten stellenweise die Bretter, so dass wir dauernd der Zugluft ausgesetzt waren. Wir hatten zwar Stroh zum Liegen, doch war es vollkommen durchnässt und faulend [...]". (15. 8. 1945, LG Wien Vg 1a Vr 4001/48):

Die tägliche "Verpflegung" schilderten beide so:

"[Sie] bestand aus schwarzem Kaffee, 300 gr Brot und 20 gr Margarine morgens, mittags ½ Liter Rüben- oder Grützesuppe und abends ebenfalls ½ Liter Suppe. Die Arbeit dauerte von 6 Uhr früh bis 5 Uhr abends. [...] Wir hatten dauernd großen Hunger und schauten daher irgend etwas zum Essen zu bekommen. Die, die das Essen in der Küche holen gingen, suchten unter den Küchenabfällen Genießbares, halbverfaulte Kartoffeln, Rübenstücke, und wer dabei [...] ertappt wurde, wurde nicht nur blutig, sondern oftmals buchstäblich tot geschlagen."

Als das Lager Ende März 1945 vor der Herannahenden Roten Armee geräumt werden sollte veranstaltete ein "Sonderkommando" ein furchtbares Massaker. Der Gendarm des Gendarmeriepostens Hainburg Karl B., der am nächsten Tag zufällig in das Gasthaus Leberfinger kam, machte in der Hauptverhandlung des 1. Engerau-Prozesses dazu folgende Angaben (Hauptverhandlungs-protokoll, S. 57; LG Wien Vg 2b Vr 564/45):

"Wir gingen in das Gasthaus Leberfinger in Engerau um dort einen warmen Kaffee zu trinken. Die Wirtin, Frau Leberfinger sagte zu uns, heute bekommt ihr noch etwas, aber morgen nicht mehr. Denn erstens sind die meisten Angestellten evakuiert worden und zweitens bleibe sie nicht länger in dieser Leichenkammer. Frau Leberfinger sagte uns nun, dass in ihrem Haus 13 erschossene Juden liegen. Wir ersuchten sie nun uns die Leichen zu zeigen, was Frau Leberfinger mit der Bemerkung ablehnte, sie könne so etwas Grauenvolles kein zweites Mal ansehen. Sie sagte uns, wir sollen uns die Leichen alleine besichtigen. Wir gingen nun in das ehemalige Stallgebäude, wo sich das Lager für die Juden befand. Dort lagen Habseligkeiten der Juden verstreut umher. Im Hintergrund sahen wir schon einige Leichen liegen. Die Leichen hatten Kopfschüsse und lagen in einer Blutlache. Sämtliche Leichen trugen den Judenstern. Im Hofraum lag auf einer Pritsche eine Leiche, die mehrere Schüsse, teils im Kopf, teils in der Brust aufwies. Diese Leiche war nur mit einem Hemd und einer langen Stoffhose bekleidet. Auch in der Nähe der Latrine, die im Hofe war und eigens für die Juden bestimmt war, lagen zwei der drei Leichen, ebenfalls durch Kopfschüsse getötet. Der Anblick der Leichen war grauenhaft. Wir gingen noch im Hofe umher und sprachen dann mit der Gastwirtin wie sich die Ermordung zugetragen hat. Frau Leberfinger erzählte uns nun, dass am 29. März 1945 (Gründonnerstag) um ca. 22 Uhr die politischen Leiter die Juden zum Abmarsch antreten ließen. Es meldeten sich eben diese 13 Juden, dass sie krank seien und nicht marschieren können. Darauf sagten die politischen Leiter diese 13 Juden werden später abgeholt werden. Als nun die marschfähigen Juden aus dem Hause marschierten, kamen schon einige politisch Leiter oder SA. Männer, die Uniformen kenne ich nicht so genau, zum Tor herein, gingen in das Stallgebäude wo sich die nicht marschfähigen Juden befanden und in wenigen Minuten hörten wir schon eine wilde Schießerei sowie verzweifelte Hilferufe. Ich konnte dies nicht anhören und lief in das Haus zurück. Weiter Angaben konnte Frau Leberfinger nicht machen."

Neben dem Lager Leberfinger gab es in Engerau noch weitere Teillager.

Das Lager Auliesl war eine Meierei, die etwa eine Viertelstunde außerhalb des Ortsgebietes auf einer Halbinsel lag, wo 300 Juden im Keller, am Dachboden und im Magazin "untergebracht" waren. Alleine im Magazin der Meierei mussten 100 Gefangene auf engstem Raum auf Stroh und Papiermatten liegen. Hier bestand eine Heizmöglichkeit, am Dachboden und im Keller hingegen nicht.

In einer kinotechnischen Fabrik in der Holzgasse 14 wurden 450 jüdische Häftlinge auf den Dachböden "untergebracht". Das Lager hieß Schiwanek, nach einer Autoreparaturwerkstätte, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft befand. Die Tochter des Fabriksbesitzers, Berta G. schilderte in der Hauptverhandlung des 3. Engerau-Prozesses die Lebensbedingungen dort so (Hauptverhandlungsprotokoll, 1. Band, 5. Tag [21. 10. 1946], S. 17f.; LG Wien Vg 1c Vr 3015/45):

"Der eine Teil des Dachbodens war 18 m lang und 4 bis 4½ Meter breit und der andere Teil 15 m lang und auch so breit. Diese beiden Dachbodenteile waren links und rechts von der Stiege. Davon war in der Mitte noch 1 m breit ein Laufgang. Ich war einige Male bei den Juden oben. Die waren wie die Heringe zusammengepfercht und sind über und untereinander gelegen. [...]
Durch die Bombenangriffe waren [...] alle Fenster zerschlagen und es hat furchtbar gezogen. Die Leute mussten auf bloßem Beton liegen. Eine Fuhr Stroh war wohl einige Tage, bevor die Juden gekommen sind gebracht worden, doch ist sie im Freien geblieben und nass geworden. Außerdem war diese Menge Stroh für so viel Menschen viel zu wenig. Das Stroh ist auch nie ausgewechselt worden. Da sie mir leid getan haben habe ich den Juden von mir aus Wellpappe zum Drauflegen gegeben."

Der Kommandant dieses Lagers Schiwanek war zuerst der Gymnasialdirektor Emil P. aus Essling bei Wien, der die Juden "bloß ohrfeigte", nicht aber brutal schlug. Er wurde durch den Ortsgruppenleiter Karl Staroszinsky abberufen, weil er, wie er sagte, "auf diesem Posten keinen Fürsorgerat brauchen" konnte. Frau G. schilderte als Zeugin vor dem Untersuchungsrichter seinen Nachfolger folgendermaßen (16. 11. 1945; LG Wien Vg 1c Vr 3015/45):

"An seine Stelle trat Franz B., Wien XVI., Koppstraße wh. gewesen, ein 23 jähriger Mann, ca. 1.80 groß, sehr mager, graue Augen, brünett, bartlos, mit langem, schmalem Gesicht, langer vorspringender Nase, das Gesicht voller Mitesser und mit großen vorspringenden Ohren. Er war verheiratet und Vater von 2 Kindern. Er war der brutalste Mensch den man sich vorstellen kann. Er schlug die Juden ohne jeden Anlass mit einem dreifinger dicken, ½ m langen Gummiknüttel, u. zw. derart unmenschlich, meist ins Gesicht und auf die Schädeldecke, dass sie wie ein Stück Holz zusammenbrachen und viele von ihnen nach einigen Stunden ihren Verletzungen erlagen. Das ging so Tag für Tag durch Wochen hindurch, wobei jeden Tag 2 od. 3 Juden starben. Am Ende der Lagerzeit waren von den 450 nur mehr 180 oder 190 Juden übrig. Was für ein Sadist der Bertel war, erhellt daraus, dass er, der obschon verheiratet dauernd mit Mädchen zu tun hatte, wenn ihn ein Mädchen beim Randevous [sic] hatte aufsitzen lassen seine Wut darüber an den Juden austobte und sie auf das unmenschlichste Weise schlug. Nicht genug damit, hat er die Juden auch noch bis aufs letzte ausgeplündert, sodass er täglich ein großes Paket mit Kleidungsstücken und Wäsche der Juden forttrug.
Ich habe selbst einmal gesehen, dass einem infolge Schläge verschiedenen Juden das eine Auge fehlte, während das andere bis zur halben Wange herunterhing. Das Kinn war gebrochen. Ob er Juden auch erschossen hat, kann ich nicht sagen."

Im Lager Wiesengasse gab es laut Aussagen (alle LG Wien Vg 1c Vr 3015/45) einiger Täter "nur Leute [...], die schon zum Sterben waren". Die "kranken, abgemagerten und erschöpften" Häftlinge hatten kein Stroh und mussten in der schmutzigen Baracke auf ihren Kleidern liegen. "Die Fugen klafften weit auseinander und das Licht schimmerte heraus".
Der für das Lager Engerau zuständige Arzt Erich Prillinger stellte anlässlich einer Visite fest, dass viele Juden aufgrund von Hungerödemen starke Schwellungen am Körper und im Gesicht aufwiesen und kleine eiternde Wunden hatten, die nicht verheilten.

Das Lager Fürst war nach dem Besitzer des Anwesens benannt. Dort befanden sich die Juden auf dem Dachboden und in der Scheune.

Das Lager Bahnhofstraße bestand aus mehreren Häusern, und wurde von Lagerführer Walter Haury im 3. Engerau-Prozess, in dem er freigesprochen wurde, folgendermaßen beschrieben (Hauptverhandlungs-protokoll, 1. Band, 3. Tag [18. 10. 1946], S. 47f.; LG Wien Vg 1c Vr 3015/45):

"Die Lagerinsassen waren auf den Dachböden, die nicht sehr groß waren, untergebracht. Sie mussten ziemlich dicht beieinander auf Stroh liegen. Insgesamt werden es zirka 200 Lagerinsassen gewesen sein, die in der Bahnhofstraße untergebracht waren. Es haben aber alle einen Ofen gehabt. [...] Sie waren aus kleineren Ölfässern angefertigt worden. Das Brennmaterial haben sie sich mitbringen können. [...]
Es hat [...] auch mit den Besitzern der Häuser einen Kampf wegen der Einleitung des Lichtes gegeben, weil sie es nicht bezahlen wollten und sie haben sich erst dazu herbeigelassen, wie ich ihnen gesagt habe, ob es ihnen lieber wäre, wenn durch Kerzenlicht oder Lampen ein Feuer entstünde. Mit dem heißen Wasser für die Leute war es das Gleiche. Sie wollten ihnen keines hitzen [sic] und erst wieder, als ich ihnen sagte, ob sie total verlaust werden möchten, was zwangsläufig der Fall wäre, haben die Hausbesitzer heißes Wasser zur Körperreinigung und zum Wäschewaschen hergegeben. Das Brennmaterial mussten sich die Juden ohnehin selbst bringen."

Ganz in der Nähe des Lagers Leberfinger befand sich Krankenrevier. Die Behandlung der Häftlinge aus Engerau erfolgte nämlich nur in den wenigsten Fällen im Spital. Unter den Gefangenen befanden sich auch drei jüdische Ärzte, die die Erstversorgung der Erkrankten und Verletzten vornahmen. Die meisten litten an Ruhr und hatten Hungerödeme am ganzen Körper. Verantwortlich in diesem "Krankenrevier" war der Sanitätstruppführer Johann Zabrs, der im 3. Engerau-Prozess, in dem er zu 20 Jahren verurteilt wurde, die dortigen Verhältnisse folgendermaßen beschrieb (Hauptverhandlungsprotokoll, 1. Band, 3. Tag [18. 10. 1946], S. 35f.; LG Wien Vg 1c Vr 3015/45):

"Dieses [...] befand sich zwischen den Teillagern Schiwanek und Leberfinger in einer Fabrik. Es bestand aus einem einzigen Raum, in welchem ein Holztisch als Operationstisch diente und in welchem Raum auch gleich Eingriffe vorgenommen wurden. Ein ärztliches Instrumentarium war vorhanden. Dr. Glück, Dr. Kraus und Dr. Benedikt waren jüdische Ärzte, die im Krankenrevier Dienst zu machen hatten. Für Verbandsmaterial war gesorgt. Betäubungsmittel bei Eingriffen hat es allerdings nicht gegeben. Ob auch Amputationen bei Erfrierungen von Gliedmaßen vorgenommen wurden, weiß ich nicht. Operiert hat Dr. Kraus. Narkosemittel konnte ich keine hergeben, weil keine vorhanden waren. Zuerst sind die Kranken auf Stroh gelegen, später erhielten sie so genannte Zweistockbetten. Leintücher hat es nicht gegeben, nur Decken. Polster hat es im allgemeinen auch nicht gegeben, nur wenn sich jemand selbst einen gemacht hatte. Als Pflegepersonal waren 2 Juden eingeteilt, sowie drei Ärzte, die auch dort geschlafen haben.
Im Krankenrevier vorgeführt wurden die Leute um zirka ½ 5 Uhr nachm. nach der Arbeit durch die Politischen Leiter. Im Tag wurden so durchschnittlich 50 bis 60 Kranke vorgeführt. Die Schwerkranken konnten gleich im Revier bleiben und die leichteren Kranken mussten wieder ins Lager zurückgehen, weil im Krankenrevier nicht so viel Platz war. Es befand sich auch in jedem Teillager ein jüdischer Arzt, der nach Möglichkeit Verbandszeug mitbekommen hat. Verbandszeug hat es immer gegeben, zum Schluss nicht mehr so viel, wie im Anfang. Außer mir war bei der Krankenbeschreibung auch noch ein Politischer Leiter da. Ich musste darauf achten, dass die Leute nicht ohne krank zu sein, zuhause bleiben."


Die zweite Station der Gedenkfahrt war der Friedhof von Engerau.

Eine unmittelbar nach Kriegsende von der slowakischen Regierung im April 1945 eingesetzte Regierungskommission hob insgesamt 5 Massengräber aus und exhumierte 460 Männer.

Die Leichen waren laut Protokoll der Kommission verhältnismäßig gut erhalten und befanden sich in ungleichmäßig vorgeschrittenem Stadium der Verwesung. Die Bekleidung der Toten bestand aus verschiedenartigsten nicht zusammenhängenden Teilen. Einige trugen mehrere Männerröcke, Sweaters, Hemden und Tücher, andere waren nur leicht bekleidet. Auf den meisten Männerröcken war ein gelber Stern mit der Aufschrift "Jude" aufgenäht. Die Kleider wie auch die Leichen waren außerordentlich stark verlaust, die Haare nicht geschnitten, die Bärte nicht rasiert.
Von den 460 Leichen wiesen 48 Schusswunden von hinten, an der Gurgel, der linken Schulter, des Bauches, sowie in der Hüften- und Rückengegend auf. In einigen Fällen war der Schädel zerschlagen.
Die slowakische Inschrift auf der Gedenkstätte lautet in deutscher Übersetzung:

"Hier ruhen 497 unschuldige Opfer, die im Frühling 1945, an der Schwelle unserer Freiheit, auf dem Friedhof von Petržalka von faschistischen Mördern umgebracht wurden. Möge dieses Grab zur dauernden Warnung vor den Gefahren des Faschismus werden. Ewiges Andenken den Märtyrern!"

Im Zuge der Gedenkfahrt werden jährlich – stellvertretend für die Opfer des Lagers Engerau – von den insgesamt 497 an der Gedenkstätte Bestatteten 19 Namen von Männern verlesen, deren Namen eruiert werden konnten. In diesem Jahr waren dies:

1) Vidor Oskar, geboren am 11. XII. 1899 in Budapest
2) Breier Juraj (Georg), geboren am 15. V. 1925 in Mezőkövesd
3) Jónap Vojtĕch (Adalbert), geboren am 9. III. 1900 in Tiszaluc
4) Kolmár Paul, geboren am 12. VIII. 1925 in Budapest
5) Einhorn Abraham, geboren am 23. I. 1916 in Užhorod (Ungvár)
6) Szunyog Géza, geboren am 28. II. 1900 in Felsőireg
7) Mandy Stefan, geboren am 4. VIII. 1901 in Nyirbató
8) Nemenyi Vojtĕch (Adalbert), geboren am 1. VIII.1899 in Kaschau (Kassa/Košice)
9) Wimmer Ernest, nähere Daten unfeststellbar
10) Ágai Paul, nähere Daten fehlen
11) Grausz Jakub, geboren in Budapest, nähere Daten fehlen
12) Sonnenfeld Mark (Markus), geboren am 18. VII. 1899 in Sempt
13) Fekete Mikulás (Nikolaus), geboren am 14. IX.1896 in Miskolcz
14) Major Stefan, geboren am 6. Mai 1927 in Budapest
15) Hecht Josef aus Újpest, nähere Daten fehlen
16) Neufeld Ľudovít (Ludwig), geboren am 2. IX. 1896 in Budapest
17) Weiss Leopold , geboren am 31. V. 1897 in Budapest
18) Foris Dezider (Desiderius), geboren am 29. VI. 1885 in Lucenec
19) Keleti Eugen Tibor, geboren 1899 in Csepel-Budapest

Anschließen sprach die Präsidentin des Vereins zur Erforschung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen, Mag. Dr. Eleonore Lappin (wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Geschichte der Juden in St. Pölten) Worte des Gedenkens. Prof. Jonny Moser, als junger Mann Mitarbeiter des Schweden Raoul Wallenberg in Budapest, der zahlreichen ungarischen Juden Schutzpässe ausstellte, sprach das Totengebet.


Die dritte Station der Gedenkfahrt war der Platz vor der Fabrik "Matador" in der Nähe des Bahnhofes Engerau, von wo der Evakuierungsmarsch der Lagerinsassen am 29. März 1945 seinen Ausgang nahm.

Der Mitarbeiter des Nationalfonds der Republik Österreich, Helmut Wartlik, schilderte die Stunden vor dem Abmarsch.
Für die Schanzarbeiter beim Südostwallbau gab es am 28. März 1945 von dem in Bruck/Leitha sitzenden Kreisleiter Waidmann die Weisung, die ungarischen Juden per Bahn abzutransportieren, da die Rote Armee immer näher rückte. Nachdem Weidmann allerdings erfahren hatte, dass die Reichsbahn nur drei Waggons zur Verfügung stellen konnte, wurde lediglich der Abtransport der "nicht Marschfähigen" in Aussicht genommen. Die übrigen Gefangenen sollten zu Fuß nach Bad Deutsch-Altenburg marschieren.
Vor dem Abmarsch wurde aber bereits der Befehl des Lagerkommandanten von einem wahrscheinlich von ihm extra dafür bestimmten so genannten "Sonderkommando" ausgeführt und sowohl im Lager Wiesengasse als auch im Lager Leberfinger die "nicht mehr marschfähigen" Häftlinge ermordet.
Der Abmarsch des Evakuierungszuges begann um ca. ca. 10 Uhr Abends des 29. 3. Aus unzähligen Aussagen geht hervor, dass schon kurze Zeit später am Ende der Kolonne eine heftige Schießerei begann.


Die vierte Station war am Rande der ehemaligen Reichstraße zwischen Wolfsthal und Hainburg, wo auch der "Todesmarsch" der Juden von Engerau nach Bad Deutsch-Altenburg vorbei führte.

Ein großes Verdienst bei der Aufdeckung der Verbrechen während des Marsches kam dem niederösterreichischen Gendarmerieinspektor Johann L. zu, der im Zuge der bereits Ende Juni 1945 laufenden gerichtlichen Untersuchungen des Volksgerichts Wien den Auftrag bekommen hat, vor Ort in Bad Deutsch-Altenburg, Hainburg, Wolfsthal und Engerau zu ermitteln.
In seinem Ermittlungsprotokoll schrieb er, dass die Juden in zerfetzten Kleidern, zerrissenen Schuhen oder barfuß gingen, obwohl die Witterungsverhältnisse nicht sehr günstig waren. Zahlreiche Augenzeugen bestätigten, dass sie "einen jämmerlichen Eindruck" machten.

Über die tatsächlichen Geschehnisse während des Marsches ist relativ wenig bekannt, da die meisten Personen tot sind, die wenigen Überlebenden aufgrund der schrecklichen Erlebnisse teilweise nur vage Angaben machen konnten, und die dazu einvernommenen Täter kein Interesse hatten, allzu detailliert ihre Verbrechen zu schildern.

So beschrieb der vom Volksgericht Wien im April 1954 zu 10 Jahren verurteilte Heinrich Trnko im 5. Engerau-Prozess eine von ihm verübte Tat folgendermaßen (Hauptverhandlungsprotokoll, 1. Tag, S. 15; LG Wien Vg 1 Vr 99/53):

"Wie ich 2-300 Meter nach rückwärts gegangen bin, habe ich diesen Juden am Boden liegen gesehen. Er wollte auf, da bin ich hingegangen und wollte ihm helfen, ich habe ihn schon in der Höhe gehabt, da ist er wieder hingefallen, da habe ich ihn mit der Taschenlampe angeleuchtet und da habe ich gesehen, dass das Auge herunter gehängt ist. Da ist Neunteufel gekommen, ich habe ihm den Juden gezeigt, dass er sieht, wie sie die Leute hergerichtet haben, ich wollte dass er nach vorne kommt, aber er konnte nicht mehr. Darauf hat Neunteufel gesagt, ich soll ihn liegen lassen, er geht ohnehin drauf. Ich bin weggegangen, dann ist mir der Gedanke gekommen, ich kann den Menschen doch nicht liegen lassen, dann ist er erledigt, Hilfe gibt es nicht; daraufhin bin ich zurückgegangen und habe ihm mit meiner Pistole in die Schläfe einen Schuss gegeben; er war sofort tot."

Der 43jährige Kaufmann Béla Klein beschrieb die Strapazen der Häftlinge als Zeuge in der Voruntersuchung so (Protokoll des Volksgerichts Kaposvár vom 4. 7. 1946; LG Wien Vg 1a Vr 4001/48):

"Das ganze Lager [wurde] vor den Russen von Engerau nach Mauthausen verlegt. Am Abend [...] gingen wir von Engerau weg und marschierten bis in der Früh nach Deutsch-Altenburg, wo wir auf Schleppern untergebracht und nach Mauthausen gebracht wurden. Während des Marsches sah ich, dass der Mann mit dem Ledermantel Emmerich und Alexander Gottlieb aus meiner Kompagnie, die derart schwach waren, dass sie etwas zurückblieben, derart schlug, dass sie ganz blutig waren. Während des weiteren Marsches mussten wir sie stützen. Während des Marsches schlug auch mich dieser Mann mit dem Ledermantel. Vor Deutsch-Altenburg musste ich meine Notdurft verrichten, da kam er zu mir und sagte: 'schnell, schnell!' Ich nahm schnell meinen Rucksack ab und da versetzte er mir von der Seite mit seinem Stock einen Schlag ins Gesicht, sodass mein linkes Augenlid verletzt und ich blutüberströmt war. Stehen bleiben konnte man nicht, denn ein jeder der rasten wollte, wurde erschossen."

Es gab aber auch zahlreiche Augenzeugen in der Ortsbevölkerung von Wolfsthal, Hainburg und Bad Deutsch-Altenburg:

Protokoll

aufgenommen mit dem Schneidermeister Johann St., Hainburg, Landstraße 2a wohnhaft, gibt dem Gendarm Karl B. und dem Hilfsgendarm Friedrich D. des Gend. Postens Hainburg, folgendes an:

"Die Nacht vom Gründonnerstag zum Karfreitag hatte ich dienstfrei und schlief zu Hause in Hainburg bei meiner Familie. In der Nacht vom 29. zum 30. März 1945 (Gründonnerstag zum Karfreitag) hörte ich gegen 3 Uhr früh mehrere Schüsse. Ich sah sofort zum Fenster hinaus, welches im 1. Stockwerk an der Reichsstraße liegt. Dort sah ich wie ein Mann, vermutlich durch Erschöpfung auf der Straße saß und von 2 SA. Männern zum Aufstehen gezwungen wurde. Ich hörte noch wie der eine SA. Mann sagte 'Na willst', worauf der Mann mit ziemlich erschöpfter Stimme antwortete 'ja, ja'. Im selben Augenblicke gab der eine SA. Mann zwei Schüsse gegen den auf der Straße sitzenden Mann ab, worauf dieser sofort auf die Erde fiel. Der zweite SA. Mann sagte dann 'Er ist es schon, geh ma'. Die SA. Männer gingen mit schnellen Schritten in Richtung Deutsch Altenburg weiter. Nach ca. 10 bis 15 Minuten hörte ich aus der Richtung Deutsch Altenburg noch mehrere Schüsse.
Am nächsten Morgen fuhren der Gendarm Brandstetter und ich mit dem Milchauto des Z. von Hainburg nach Engerau. Als wir ca. 1/2 km fuhren, sahen wir auf der linken Straßenseite, meist durch Genickschuss erschossene Juden liegen.
Von Hainburg bis Wolfsthal sahen wir nur auf der linken Straßenseite erschossene Juden liegen. Von Wolfsthal bis Engerau lagen auf beiden Straßenseiten erschossene Juden. An manchen Stellen betrug der Abstand der Leichen nur zehn bis fünfzehn Schritte. Die meisten wurden durch Kopfschüsse getötet, weil man bei den meisten Leichen Blut im Gesichte sah. Es handelte sich durchwegs um Juden, da man auf der Kleidung deutlich den Judenstern erkennen konnte. Brandstetter zählte auf der Strecke von Hainburg bis Engerau auf der linken Straßenseite 23 und ich auf der rechten Straßenseite der gleichen Strecke 15 erschossene Juden."

Hainburg, den 13. Juli 1945

Protokoll

aufgenommen mit K. Theresia, Angestellte der Baustoffwerke Hollitzer in Bad Deutsch Altenburg, Hainburg, Wienerstraße 19 wohnhaft, gibt dem Gendarm Karl B. des Gend. Postens Hainburg an:

"Am 30. März 1945 (Karfreitag) fuhr ich um ca. 6,45 Uhr mit meinem Fahrrad von Hainburg nach Deutsch Altenburg in die Arbeit. Am Wege dorthin sah ich im Straßengraben auf der Landstraße beim letzten Haus von Hainburg eine zusammengerollte Decke liegen. Ungefähr zwei Meter weiter lag am Bauche, den Kopf auf den rechten Arm ruhend eine Leiche. Die Leiche hatte einen Genickschuss und war in der linken Gesichtshälfte blutig. Ich fuhr weiter und sah bei der Abzweigung Landstraße - Steinerweg, die zweite Leiche ebenfalls im Straßengraben und in der selben Lage liegen. Die Leiche hatte auch einen Genickschuss und war im Nacken blutig. Bei dieser Leiche stand eine ältere Frau, die ich nicht kenne und weinte bitterlich. Ich fuhr in Richtung Deutsch Altenburg weiter. Es lag fast alle zehn Schritte eine Leiche im Straßengraben. Alle Leichen wiesen durchwegs Genickschüsse auf und waren teils im Gesicht, teils im Nacken blutig. Wieviele Leichen es waren, kann ich nicht mit Bestimmtheit angeben, denn ich hatte ein fürchterliches Angstgefühl und wollte nur rasch weiterkommen. Als ich in das Werk kam, bekam ich einen Weinkrampf. Meine Arbeitskameraden fragten mich, was ich habe, worauf ich ihnen erzählte, dass ich soeben furchtbares gesehen habe."

Hainburg, den 18. Juli 1945


Protokoll

aufgenommen mit Frau Rosa D., geboren am 1. Juli 1910 in Bad Deutsch-Altenburg, Haushalt, Bad Deutsch-Altenburg, Sudetenplatz Nr. 11 wohnhaft, die dem Gendarm Franz P. folgendes angibt:

"Ende März 1945, glaublich 30. 3. 1945, nach Mitternacht ist an meinem an der Reichsratstraße liegendem Wohnhause - Gemeindebau - ein Transport Juden gegen die Ortsmitte geführt worden. Durch den Lärm wurden wir geweckt. Meine Mutter und ich begaben sich hierauf zum Fenster und sahen in dem ungefähr 20 Meter entfernten Straßengraben einen Juden liegen auf dem dauernd ein uniformierter Mann mit einem Überschwung einschlug. Dies dauerte einige Minuten, dabei schrie der Uniformierte immer stehst nicht auf. Erst bei Tageslicht begaben wir uns auf die Straße, doch konnten wir in der Nähe unseres Hauses nur Bekleidungsstücke ohne Judensterne, sowie eine größere Anzahl Bücher und Dokumente entlang des Straßengrabens in Richtung Hainburg liegen sehen. Tote oder verletzte Juden habe ich nicht gesehen. Der bei uns misshandelte Jude dürfte mitgeschleppt worden sein. Am selben Tage, gegen 14.30 Uhr begab ich mich zu Fuß nach Hainburg. Kurz hinter dem Bahnübergang bis zur Einmündung des Steiner-Weges in die Reichsstraße sah ich im Straßengraben in fast gleichmäßigen Abständen große Blutflecken und zwar dürften es 7 solche Flecken gewesen sein. Tote Juden habe ich dort nicht mehr gesehen, auch weiß ich nicht wohin sie gebracht wurden."

Deutsch-Altenburg, am 18. 7. 1945.


Am 19. Juli 1945 begab sich eine Kommission des Volksgerichts Wien, bestehend aus Staatsanwalt Dr. Wolfgang Lassmann, Landesgerichtsdirektor Richter Dr. Schulz, zwei Gerichtsärzten, einer Schriftführerin, dem Dolmetsch der Radiosendung "russische Stunde" Dr. Johann Wolanski und dem Gendarmen B. sowie einem Laboranten als Gerichtszeugen nach Hainburg. Unverzüglich suchten sie mit dem vom Gendarmeriepostenkommando Hainburg zur Verfügung gestellten Kraftwagen die etwa 2 km außerhalb der Stadt gelegene Auffindungsstelle eines Massengrabes auf, das sich an der von Hainburg nach Wolfsthal, Berg und Engerau führenden Straße befand, und zwar in der Nähe eines Panzergrabens, wo ein nur oberflächig zugeschüttetes Grab festgestellt, und nach dessen Freilegung ein Protokoll über die in diesem Grab befindlichen Leichen angelegt wurde. Aufgrund der vorhandenen Verletzungen (Schuss- und Stichwunden an Kopf und Hals) erklärte der Gerichtsmediziner Prof. Dr. Leopold Breitenecker jedoch, eine genaue Untersuchung an Ort und Stelle nicht vornehmen zu können, weshalb er die Überführung der Toten in das Gerichtsmedizinische Institut in Wien anregte. Nach Rücksprache mit der sowjetischen Ortskommandantur wurde ein russisches Transportauto mit Anhänger zur Verfügung gestellt, auf dem die Leichen samt den vorgefundenen Papieren und Dokumenten nach Wien überführt wurden.

Von der Exhumierung wurde ein Protokoll angelegt, das sich in den Akten des 1. Engerau-Prozesses befindet:

Exhumierungsprotokoll
aufgenommen von dem Landesgericht für Strafsachen Wien
am 19. Juli 1945

Gegenstand
ist die Vornahme eines Lokalaugenscheins in der Strafsache gegen Rudolf Kronberger u. a.. wegen Verbrechens des Mordes und Verbrechens nach § 10 (§ 11) Verbotsgesetz und §§ 3, 4 Kriegsverbrechergesetz.

Beginn: 7 Uhr Abfahrt von Wien, 8.45 Eintreffen in Hainburg

Die Kommission begibt sich von dem Gendarmeriepostenkommando in Hainburg mittels Kraftwagen an die etwa 2 km außerhalb der Stadt Hainburg gelegene Auffindungsstelle der Leichen und langt dort etwa 9.40 vormittags an. Diese Stelle befindet sich an der von Hainburg nach Wolfsthal, Berg und Engerau führenden Straße. Südlich der Straße verläuft ein Panzergraben. Etwa 100 m von der Straße entfernt knapp neben dem Panzergraben befindet sich eine etwa 2 m tiefe Erdausgrabung, in deren Mitte ein Erdblock im Umfange von 2 x 2 m sich erhebt. In diesem Erdblock sind, wie schon aus der oberflächlichen Betrachtung ersichtlich ist, Leichen begraben.
Es wird nun durch die Laboranten W. und C. vorsichtig der Erdblock aufgegraben und die im folgenden beschriebenen Leichen vorgefunden. Hinsichtlich der Beschreibung der Einzelheiten wird auf die Befundprotokolle der gerichtsärztlichen Sachverständigen verwiesen.

I.

Nach Auffindung einer Schuhsohle, Decke, Feldflasche und Lederjacke wird eine männliche Leiche mit Mantel und Judenstern gefunden. Es findet sich bei der Leiche eine Nummer der Zeitung Pester Lloyd vom 18. 10. 1944. Nach dem Inhalt der in der Lederbrieftasche befindlichen Papieren handelt es sich bei der Leiche um Dr. Pewny Rudolf oder Resző, 48 Jahre alt, wohnhaft in Dunaszerdahely. Ferner findet sich bei der Leiche ein Schweizer Kollektivpass, lautend auf Dr. Pewny Reszö, ausgestellt in Budapest am 23. 10. 1944, ferner 2 Lichtbildausweise, lautend auf Dr. Pewny Resző, geboren 1895 in Komorn. Die Leiche weist keine Verletzung auf, zeigt aber hochgradige Abmagerung.

II.

Nach den bei dieser Leiche vorgefundenen Papieren handelt es sich um Herz Arnold, geboren 1897, wohnhaft in Oroshaza.

III.

Nach den bei dieser Leiche vorgefundenen Dokumenten handelt es sich um Ländler Ernő laut eines Schweizer Kollektivpasses, ausgestellt in Budapest am 25. 10. 1944.

IV.

Laut einem bei dieser Leiche vorgefundenen Pass handelt es sich um Alfred Steiner, geboren am 15. 9. 1904 in Piszke.

V.

Die Leiche liegt in Bauchlage. In der Brieftasche befinden sich 2 Rasiermesser, ferner eine Bestätigung der Bürgerklinik in Pest, lautend auf Keleti Armin. Auf einer Postkarte befindet sich ebenfalls als Anschrift der Name Keleti Armin. Ferner wurde ein Lichtbildausweis lautend auf Lehner Isidor vorgefunden, ebenfalls auf einer Postkarte befindet sich der Name Lehner Isidor. Andere Dokumente und Korrespondenzkarten lauten ebenfalls auf den Namen Lehner Isidor.

VI.

Nach einem vorgefundenen Schweizer Kollektivpass handelt es sich bei dieser Leiche um Hartstein Elemér aus Miskolcz. Der Paß wurde ausgestellt am 23. 10. 1944 in Budapest. Nach einem Dokument, ausgestellt in Miskolcz am 25. 8. 1931, ist Hartstein Elemér geboren im Jahre 1911 in Sajossziget, Gemeinde Barsód.

VII.

Bei dieser Leiche befinden sich 2 Lichtbilder von Frauen, und zwar einer jüngeren und einer älteren Frau. Auf letzterem Lichtbild befindet sich der Name Székely László. Ferner befindet sich in der Geldbörse eine Nadel mit einem weißen achtzackigen Stern, ein Medaillon darstellend offenbar Moses mit den zehn Geboten mit hebräischer Schrift.

VIII.

Nach einem bei dieser Leiche vorgefundenen Schweizer Sammelpass, ausgestellt am 28. 10. 1944 in Budapest, handelt es sich um Klein Jakob, 42 Jahre alt.

IX.

Nach einem bei dieser Leiche vorgefundenen Schweizer Kollektivpass handelt es sich um Grosz Kalman, geboren am 12. 4. 1900 in Raab (Győr), ungarischer Staatsangehöriger, Budapest V, Csáky utca 15, II/1 wohnhaft.

X.

Bei dieser Leiche, die eine schwere Schädelverletzung, offenbar durch Schuss, aufweist, befindet findet sich auf einer Markierung auf der Hose der Name Gold Tibor. Weitere bei dieser Leiche vorgefundene Papiere lauten auf Gold Tibor, am 9. 7. 1905 in Budapest geboren, 170 cm groß.

Ende der Amtshandlung 16 Uhr.


Bei der fünften Station auf dem Friedhof von Bad Deutsch-Altenburg (rund um die Stephanskirche "Mariä Empfängnis") endete die Gedenkfahrt.
In unmittelbarer Nähe des Karners befindet sich ein 1945 von der Gemeinde gestiftetes "Kriegsgrab für 11 unbekannte Israeliten". Acht von den hier bestatteten ungarisch-jüdischen Zwangsarbeitern stammen aus dem Lager Engerau, drei kamen aus dem Lager Bruck/Leitha.
Auch hier wurde der Opfer der in den letzten Kriegstagen verübten Verbrechen gedacht.

 


Bericht über die Gedenkfahrt nach Engerau 2003

Bericht über die Gedenkfahrt nach Engerau 2002

DIE NÄCHSTE GEDENKFAHRT NACH ENGERAU FINDET AM SONNTAG, DEN 3. APRIL 2005 STATT
Kontakt: info@nachkriegsjustiz.at

Bericht und Fotos von Claudia Kuretsidis-Haider

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Claudia Kuretsidis-Haider erläutert die Vorgänge im Lager "Leberfinger" 1944/45.

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Der ehemalige Pferdestall des Gasthofs "Leberfinger", auf dessen Dachboden eine große Anzahl ungarische Juden untergebracht waren. Vor Beginn des Evaku-ierungsmarsches wurden hier 13 Gefangene von SA-Männern ermordet.

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Vor der Gedenkstätte auf dem Friedhof von Engerau/Petržalka.


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Erinnerungstafel auf der Gedenkstätte.

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Namen von Opfern, die bei der Exhumierung der Massengräber auf dem Friedhof von Engerau identifiziert werden konnten.

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Friedl Garscha verliest die Namen von 19 der hier bestatteten Opfer.

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Eleonore Lappin gedenkt der in Engerau ermordeten ungarischen Juden.

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Vor der ehemaligen Semperit-Fabrik, heute Fabrik "Matador"

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Hans Hautmann verliest eine Zeugenaussage vor dem ungarischen Volksgericht in Kaposvár über den Fußmarsch von Engerau nach Deutsch-Altenburg.

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Grabstätte von 11 ermordeten ungarischen Juden hinter dem Karner von Bad Deutsch-Altenburg.

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Letzte Station der Gedenkfahrt: Jüdisches Grab auf dem Friedhof von Bad Deutsch-Altenburg.