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Zur Ahndung von Wehrmachtsverbrechen in Österreich
Eine Ergänzung zur »Wehrmachtsausstellung«
Die Wanderausstellung Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941–1945 enthält im Abschnitt »Nachkriegszeit« eine Aufstellung über die Strafverfolgung in Ost und West: Demnach wurden in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR folgende Urteile wegen Wehrmachtsverbrechen gefällt:
Bis 1958:
BRD – 89 Urteile (81 Personen wurden schuldig gesprochen, das Verfahren gegen 90 Personen endete mit Freispruch oder Verfahrenseinstellung)
DDR – 65 Urteile (66 Personen wurden schuldig gesprochen, das Verfahren gegen 16 Personen endete mit Freispruch oder Verfahrenseinstellung)
Seit 1959:
BRD – 21 Urteile (6 Personen wurden schuldig gesprochen, das Verfahren gegen 27 Personen endete mit Freispruch oder Verfahrenseinstellung, das Urteil gegen 1 Person ist unbekannt)
DDR – 17 Urteile (19 Personen wurden schuldig gesprochen, es gab keinen Freispruch und keine Verfahrenseinstellung in einem derartigen Prozess)

Für Österreich muss als Einschnitt das Jahr 1955 (Abschaffung der Volksgerichtsbarkeit) gelten; ab 1956 wurden NS-Verbrechen durch Geschworenengerichte geahndet.

Die Zahlen für die Jahre 1945–1955 können noch nicht genannt werden, da die Erhebung sämtlicher Urteile der Volksgerichte erst begonnen hat. Bisher ist es aber den MitarbeiterInnen der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz noch nicht gelungen, auch nur ein einziges Volksgerichtsverfahren zu eruieren, in dem Wehrmachtssoldaten für ein Verbrechen außerhalb der Grenzen Österreichs angeklagt worden wären. Es gab zwar seitens der Staatsanwaltschaften einschlägige Untersuchungen, die Verfahren dürften aber ausnahmslos ohne Anklageerhebung eingestellt worden sein. Dies hängt mit der in den ersten Nachkriegsjahren nicht nur in Österreich festzustellenden Tendenz zusammen, vor allem Verbrechen an der »eigenen« Bevölkerung zu ahnden; außerdem war angesichts der erst schrittweise wieder hergestellten Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen die Vorladung ausländischer ZeugInnen bzw. die Befragung von ZeugInnen durch ausländische Gerichte im Rechtshilfeverfahren mit großen Schwierigkeiten verbunden – Schwierigkeiten, denen sich die Volksgerichte angesichts ihrer Überlastung mit Zehntausenden von Bagatellfällen (Feststellung der Mitgliedschaft zur illegalen NSDAP vor 1938) nur in Ausnahmefällen zu unterziehen bereit waren.
Die Zahlen für die Geschworenengerichtsverfahren seit 1956 sind hingegen bekannt: Zwischen 1956 und 1975 wurde in Österreich ein einziges Gerichtsverfahren durchgeführt, in dem es – im weitesten Sinne – um ein »Wehrmachtsverbrechen« ging (der Angeklagte war Angehöriger der Geheimen Feldgendarmerie). Der Prozess endete mit einem Freispruch. (Mitte der siebziger Jahre wurde die Verfolgung von NS-Verbrechen in Österreich de facto eingestellt, zwischen 1975 und 1999 wurde gegen keinen einzigen Beschuldigten Anklage erhoben.)

Der Innsbrucker Kriegsverbrecherprozess 1970
Presseberichte dazu




von W. R. Garscha