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Schwerpunkte der Ermittlungen der österreichischen Justiz- und Sicherheitsverwaltung
nach der Abschaffung der Volksgerichtsbarkeit
Auswertung der vom Bundesministerium für
Inneres/Abteilung 18 erstellten Übersicht über österreichische
Gerichtsverfahren wegen NS-Gewaltverbrechen, Wien, am 2. November 1965
Das umfangreiche Verzeichnis enthält die Namen
der Beschuldigten und Geschäftszahlen der Gerichte (Vr-Nummern) bzw.,
wo das Verfahren noch nicht gerichtsanhängig war, der Staatswanwaltschaften
(St-Nummern). Es ist in die Abschnitte Konzentrationslager,
Aktion Reinhard,
Einsatzgruppen, RSHA,
Judenverfolgung im Gebiet der Sowjetunion, Judenverfolgung
im Gebiet Polens, Übriges
Ausland und Österreich
gegliedert und enthält – wo dies zu diesem Zeitpunkt schon bekannt
war – auch Hinweise auf die Tatorte sowie auf den Stand des Verfahrens.
Eine Kopie wird im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
(Akt R 105) aufbewahrt.
Von den 35
Prozessen, in denen seit der Abschaffung der Volksgerichte (20.12.1955) in
Österreich Anklage erhoben wurde (von denen 30 mit rechtskräftigen
Urteilen abgeschlossen wurden), hatten 24
Prozesse Verbrechen an Jüdinnen und Juden
zum Gegenstand: 9 wurden wegen der Beteiligung österreichischer
Täter an den Massenmorden in Polen und Ostgalizien (darunter 2 wegen
der Verbrechen im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau)
geführt, 3 wegen der Massenmorde in den besetzten Gebieten der Sowjetunion
(2 wegen der Massenerschießungen durch Einsatzgruppen und 1 wegen der
Verbrechen im Vernichtungslager Minsk-Maly Trostinec), 2 wegen der Deportationen
in die Vernichtungslager und 5 wegen Verbrechen an Jüdinnen und Juden
bei Kriegsende.
In 9 Prozessen ging es um andere NS-Verbrechen als den Holocaust: 2 Prozesse
wurden wegen sonstiger »Endphase«-Verbrechen (in Niederösterreich)
geführt, 1 wegen der (als "Amtsmissbrauch" qualifizierten)
Tötung eines Widerstandskämpfers bei einer Gestapo-Aktion in der
Steiermark, 6 wegen Kriegsverbrechen (davon 4 in Österreich [Wien, Steiermark,
Kärnten], 1 in Belgien und 1 in Griechenland).
Der Prozess wegen Verbrechen im Gestapo-Gefängnis "Kleine Festung"
Theresienstadt sowie der einzige Mauthausen-Prozess vor einem österreichischen
Geschworenengericht (Linz-Wien, 1972 bis 1975) behandelten sowohl die Ermordung
jüdischer als auch politischer Häftlinge.
In den 30 mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossen
Prozessen wurden 20 Angeklagte schuldig und 23 Angeklagte frei gesprochen.
Von den zwanzig Schuldsprüchen wurden 16 in Prozessen wegen der Ermordung
von Jüdinnen und Juden gefällt.
Diese Aufzählung gibt allerdings nur ein sehr unvollständiges Bild
der Schwerpunkte der Ermittlungstätigkeit österreichischer Sicherheitsbehörden
und Staatsanwaltschaften, weil nur ein Bruchteil der eingeleiteten Verfahren
»anklagereif« gemacht werden konnte. Die 46 Personen, gegen die
seit 1956 Anklage erhoben wurde, stellen wahrscheinlich nicht einmal 0,8 Prozent
all jener, gegen welche wegen mutmaßlicher Kriegs- oder Humanitätsverbrechen
ermittelt wurde, dar. Es ist bis heute nicht bekannt, wieviele der vermutlich
5.500 bis 6.000 staatsanwaltlichen Vorerhebungen seit Abschaffung der Volksgerichte
zu gerichtlichen Voruntersuchungen geführt haben. Manfred Schausberger,
bis 1999 für die historische Dokumentation von Strafverfahren verantwortlicher
Abteilungsleiter im Justizministerium, erhob für den Bereich der Staatsanwaltschaft
Wien für die Jahre 1956-1990 Anzeigen und Erledigungen. Von den 305 Anzeigen
gegen 1.875 Personen erfolgte
die Zurücklegung der Anzeige gemäß § 90 StPO, zum
Teil nach umfangreichen polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Vorerhebungen,
in 1.233 Fällen,
die Einstellung der gerichtlichen Voruntersuchung gemäß §
109 StPO (Erklärung der Staatsanwaltschaft, dass sie keinen Grund zur
weiteren gerichtlichen Verfolgung findet) in 41 Fällen - für jeden
dieser Fälle ist davon auszugehen, dass umfangreiche, für die historische
Forschung bisher nicht erschlossene Ermittlungsakten vorliegen,
der Abbruch des Verfahrens gemäß § 412 StPO gegen Verdächtige,
die nicht verhaftet werden konnten, unbekannt geblieben waren oder aus sonstigen
Gründen nicht vor Gericht gestellt werden konnten, in 217 Fällen,
die Einstellung des Verfahrens wegen Tod des Verdächtigen in 384 Fällen.
Die Zahlen für ganz Österreich dürften etwa drei Mal so hoch
sein.
(Manfred Schausberger, »Die Verfolgung von NS-Gewaltverbrechen in Österreich«,
in: Kuretsidis-Haider/Garscha, Keine »Abrechnung«, S. 31.)
Über den jeweiligen Gegenstand dieser Vorerhebungen und Voruntersuchungen
ist zwar keine zusammenfassende Auskunft möglich, doch existiert für
Mitte der sechziger Jahre eine »Übersicht über österreichische
Gerichtsverfahren wegen NS-Gewaltverbrechen«, die von der für die
Ausforschung von NS-Tätern zuständigen Abteilung 18 des Bundesministeriums
für Inneres angelegt und am 2. November 1965 abgeschlossen. Demnach wurden
seit der Bildung der Abteilung 18 (im Gefolge des Eichmann-Prozesses in Jerusalem)
Ermittlungsverfahren gegen insgesamt 1.148 Personen, von denen einige in mehrere
Verfahren involviert waren, wegen der nachfolgend aufgelisteten Verbrechenskomplexe
geführt. Die Angaben über Verurteilungen und Freisprüche beziehen
sich zum Teil auf die den Verfahrensakten beiliegenden Urteile von Volksgerichtsprozessen
in derselben Angelegenheit.
Bezüglich folgender nationalsozialistischer Verbrechenskomplexe wurden
von den österreichischen Sicherheitsbehörden und Staatsanwaltschaften
Geschworenengerichtsprozesse vorbereitet:
a) Massenvernichtungsverbrechen in Lagern und
Organisation des Holocaust
Organisierung der Deportationen und Massenmorde durch das Reichssicherheitshauptamt,
die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien sowie Sonder(einsatz)kommandos:
Verfahren: 1 vor dem LG Wien,
2 staatsanwaltschaftliche Verfahren (Vorerhebungen) in Wien
Beschuldigte: 8 Personen
Organisierung der »Aktion Reinhard« und Massenmorde
in den Vernichtungslagern Bełżec, Sobibór und Treblinka:
Verfahren: 1 vor dem
LG Wien
Beschuldigte: 65 Personen
(von diesen waren 1965 bereits 8 verstorben)
Massenmorde im Vernichtungslager Kulmhof:
Verfahren: 1 vor dem
LG Wien, 1 vor dem LG Salzburg, 1 vor dem KG Wels
Beschuldigte: 7 Personen
(5 Anzeigen waren 1965 bereits gemäß § 90 StPO zurückgelegt
worden)
Massenmorde im KZ/Vernichtungslager Lublin-Majdanek:
Verfahren: 1 vor dem
LG Graz
Beschuldigte: 11 Personen
Massenmorde im KZ/Vernichtungslager Auschwitz:
Verfahren: 2 vor dem
LG Wien, 1 staatsanwaltschaftliches Verfahren (Vorerhebung) in Innsbruck
Beschuldigte: 46 Personen
(von diesen waren 1965 bereits 3 verstorben, 3 Anzeigen waren gemäß
§ 90 StPO zurückgelegt, 1 Voruntersuchung war gemäß §
109 StPO eingestellt worden)
Die Autopsie des Gerichtsakts ergibt, dass das Wiener
Verfahren (LG Wien 27c Vr 5193/60, staatsanwaltschaftliches Tagebuch: 15 St
14.275/60) im Wesentlichen zwischen 1960 und 1964 geführt wurde; vier der
46 Beschuldigten waren Frauen. Im Juni und Juli 1964 wurden die Verfahren gegen
mehrere Beschuldigte als eigene Verfahren ausgeschieden, darunter gegen die
Angeklagten der beiden Wiener Auschwitz-Prozesse
des Jahres 1972. Ein weiteres ausgeschiedenes Verfahren betraf acht Beschuldigte,
die verdächtigt wurden, in den Jahren 1940 bis 1945 als Angehörige
verschiedener Dienststellen des KZ Auschwitz an der Ermordung von Häftlingen
beteiligt gewesen zu sein und den "Evakuierungsmarsch" ins KZ Flossenbürg
organisiert zu haben, zu einem eigenen Verfahren (LG Wien 27c Vr 4371/64). Es
wurde 1973/73 durch Zurücklegung der Anzeige eingestellt. Das Verfahren
gegen die große Mehrheit der Beschuldigten wurde im Juni 1964 entweder
gemäß §
90 StPO eingestellt oder gemäß
§ 412 StPO abgebrochen.
b) Massenvernichtungsverbrechen an Jüdinnen
und Juden durch Einsatzgruppen
Massenmorde durch Einsatzkommandos der Einsatzgruppe
A (Bereich des BdS Ostland):
Verfahren: 1 vor dem
LG Wien, 13 vor dem LG Graz
Beschuldigte: 15 Personen
(von diesen waren 1965 bereits 2 verstorben, 4 Anzeigen waren bereits gemäß
§ 90 StPO zurückgelegt worden, in 1 Fall [Franz Murer] wurde eine
Neuverhandlung vorbereitet)
Massenmorde durch Einsatzkommandos der Einsatzgruppe B (Bereich des HSSPF
Russland-Mitte):
Verfahren: 3 vor dem
LG Wien, 1 vor dem LG Graz, 2 vor dem KG Wels.
Beschuldigte: 34 Personen
(von diesen war 1965 bereits 1 verurteilt und 1 verstorben, 1 Anzeige war bereits
gemäß § 90 StPO zurückgelegt worden)
Massenmorde durch Einsatzkommandos der Einsatzgruppe C (Russland
Mitte):
Verfahren: 1 vor dem KG Steyr
Beschuldigte: 1 Person
Massenmorde durch Einsatzkommandos der Einsatzgruppe D (späterer Bereich
des BdS Kiew):
Verfahren: 1 vor dem
LG Wien, 1 vor dem KG Wels.
Beschuldigte: 64 Personen
(1965 war 1 Anzeige bereits gemäß § 90 StPO zurückgelegt
worden)
Sonderkommando R (Transnistrien):
Verfahren: 1 vor dem
LG Wien, 1 vor dem KG Krems/Donau
Beschuldigte: 36 Personen
(von diesen waren 1965 bereits 2 verstorben)
Einsatzgruppe G (Balkan):
Verfahren: 2 vor dem
KG Krems/Donau
Beschuldigte: 5 Personen
c) Sonstige Mordaktionen von SS und Polizei in
Ost- und Mittel- Europa
— Ohne Zuordnung zu einem einzelnen Tatort:
Massenmorde an Jüdinnen und Juden und andere Tötungsverbrechen
an ZivilistInnen durch Polizei- und Gendarmeriebataillone:
Verfahren: 3 vor dem
LG Wien, 1 vor dem LG Graz, 1 vor dem LG Linz, 1 vor dem KG Steyr, 1 vor dem
KG Wiener Neustadt, 1 staatsanwaltschaftliches Verfahren (Vorerhebung) in Wien
Beschuldigte: 149
Personen (1965 waren bereits 3 Anzeigen gemäß § 90 StPO zurückgelegt
worden)
Morde durch die Geheime Feldpolizei:
Verfahren: 2 vor dem
LG Wien, 3 vor dem LG Linz
Beschuldigte: 16 Personen
(1965 waren bereits 2 Anzeigen gemäß § 90 StPO zurückgelegt
worden)
Morde durch sonstige SS-Einheiten:
Verfahren: 1 vor dem
KG Wels, 5 staatsanwaltschaftliche Verfahren (Vorerhebungen) in Graz, 1 Anzeige
an das BM für Justiz
Beschuldigte: 8 Personen
sowie in 3 Fällen unbekannte Täter (1965 waren bereits 2 Anzeigen
gemäß § 90 StPO zurückgelegt worden)
Sonstige Judenerschießungen in Russland und Polen (an unbekannten
Orten):
Verfahren: 2 vor dem
LG Wien, 1 vor dem LG Graz, 1 vor dem LG Salzburg
Beschuldigte: 6 Personen
(2 Anzeigen waren 1965 bereits gemäß § 90 StPO zurückgelegt
worden)
— Tatorte in den besetzten Gebieten der
Sowjetunion:
Ermordung von Jüdinnen und Juden im Bereich des KdS Weißruthenien
(Minsk):
Verfahren: 3 vor dem
LG Wien, 1 vor dem LG Linz, 1 vor dem KG Wiener Neustadt, 2 staatsanwaltschaftliche
Verfahren (Vorerhebungen [Anzeigezurücklegung]) in Wien
Beschuldigte: gegen
61 Personen (von diesen waren 1965 bereits 3 verstorben, 2 Anzeigen waren gemäß
§ 90 StPO zurückgelegt worden)
Ermordung von Jüdinnen und Juden im Bereich des KdS Shitomir:
Verfahren: 1 vor dem
LG Wien, 1 staatsanwaltschaftliches Verfahren (1 Vorerhebung, 2 Einstellungen
wegen Todes der Beschuldigten) in Wien
Beschuldigte: 4 Personen
gegen 61 Personen (von diesen war 1965 bereits 1 freigesprochen, 2 waren verstorben)
Ermordung von Jüdinnen und Juden im Bereich des KdS Luzk:
Verfahren: 1 vor dem
LG Wien, 1 vor dem LG Klagenfurt, 1 vor dem KG Wels, 1 staatsanwaltschaftliches
Verfahren (Vorerhebung [Anzeigezurücklegungen]) in Wien
Beschuldigte: 7 Personen
(von diesen war 1965 bereits 1 verstorben, 5 Anzeigen waren gemäß
§ 90 StPO zurückgelegt worden)
Ermordung von Jüdinnen und Juden im Bereich des KdS Estland (Reval):
Verfahren: 1 vor dem
LG Graz
Beschuldigte: 1Person
Ermordung von Jüdinnen und Juden im Bereich des KdS Nikolajew (mit
StaLag 305 in Kirowgrad):
Verfahren: 1 vor dem
KG Wiener Neustadt
Beschuldigte: 3 Personen
Ermordung von Jüdinnen und Juden im Bereich des KdS Simferopol:
Verfahren: 1 vor dem
KG Sankt Pölten
Beschuldigte: 1 Person
(die Anzeige war 1965 bereits gemäß § 90 StPO zurückgelegt
worden)
— Tatorte in Polen und Ostgalizien:
Ermordung von Jüdinnen und Juden im Bereich des KdS Bialystok:
Verfahren: 1 vor dem
LG Graz
Beschuldigte: 1 Person
Ermordung von Jüdinnen und Juden im Bereich des KdS Krakau (insgesamt
7 Orte):
Verfahren: 3 vor dem
LG Wien, 1 vor dem LG Linz, 1 vor dem KG Wels, 2 staatsanwaltschaftliche Verfahren
(Vorerhebungen [davon 1 Anzeigezurücklegung]) in Wien und 1 staatsanwaltschaftliches
Verfahren (Vorerhebung) in Linz
Beschuldigte: 11 Personen
(von diesen waren 1965 bereits 2 verstorben, 2 Anzeigen waren gemäß
§ 90 StPO zurückgelegt worden)
Ermordung von Jüdinnen und Juden im Bereich des KdS Lemberg (insgesamt
9 Orte):
Verfahren: 4 vor dem
LG Wien, 1 vor dem LG Graz, 1 vor dem LG Salzburg, 1 vor dem KG Krems/Donau,
1 vor dem KG Leoben, 1 staatsanwaltschaftliches Verfahren (Vorerhebung) in Wien
Beschuldigte: 20 Personen
(von diesen waren 1965 bereits 5 verurteilt und 4 freigesprochen sowie 3 verstorben,
2 Anzeigen waren gemäß § 90 StPO zurückgelegt worden)
Ermordung von Jüdinnen und Juden im Bereich des KdS Lublin (außer
»Aktion Reinhard«):
Verfahren: 1 vor dem
LG Wien, 1 vor dem KG Wels, 1 staatsanwaltschaftliches Verfahren (Vorerhebung)
in Wien
Beschuldigte: 5 Personen
Ermordung von Jüdinnen und Juden im Bereich des KdS Radom:
Verfahren: 1 vor dem
LG Innsbruck, 1 vor dem LG Graz, 1 staatsanwaltschaftliches Verfahren (Einstellung
wegen Tods des Beschuldigten) in Klagenfurt
Beschuldigte: 22 Personen
(von diesen war 1965 bereits 1 verstorben, 6 Anzeigen waren gemäß
§ 90 StPO zurückgelegt worden)
Ermordung von Jüdinnen und Juden im Bereich des KdS Warschau:
Verfahren: 1 vor dem
LG Wien
Beschuldigte: 2 Personen
(von diesen war 1965 bereits 1 verstorben)
Ermordung von Jüdinnen und Juden in Polen (allgemein):
Verfahren: 1 vor dem
LG Wien, 2 staatsanwaltschaftliche Verfahren (Vorerhebungen [Anzeigezurücklegungen])
in Wien
Beschuldigte: 4 Personen
(2 Anzeigen waren 1965 bereits gemäß § 90 StPO zurückgelegt
worden)
d) Morde in Konzentrationslagern
KZ Buchenwald (mit Außenkommando Sollstedt in Thüringen):
Verfahren: 1 vor dem
LG Wien, 1 vor dem LG Graz
Beschuldigte: 3 Personen
KZ Dachau:
Verfahren: 1 vor dem
LG Graz
Beschuldigte: 1 Person
KZ Flossenbürg (mit Außenkommando Helmbrechts):
Verfahren: 1 vor dem
LG Innsbruck, 1 vor dem KG Steyr, 1 staatsanwaltschaftliches Verfahren (Vorerhebungen)
in Wels
Beschuldigte: 4 Personen
KZ Groß-Rosen:
Verfahren: 1 vor dem
LG Wien, 1 vor dem LG Linz
Beschuldigte: 9 Person
(von dies waren 1965 bereits 1 verstorben)
KZ Mauthausen (mit den Nebenlagern bzw. Außenkommendos Amstetten,
Eisenerz, Gunskirchen, Gusen, Loiblpass, Melk, Mödling-Hinterbrühl,
Moosbierbaum, Oberlanzendorf, Sankt Ägyd am Neuwald, Sankt Lambrecht,
Sankt Valentin, Schwechat, Steyr-Münichholz, Wien-Floridsdorf, Wien-Jedlesee,
Wien-Junkerswerke, Wien-Saurerwerke, Wien-Schönbrunn, Wiener Neudorf,
Wiener Neustadt):
Verfahren: 4 vor dem
LG Wien, 1 vor dem LG Graz, 18 vor dem LG Linz, 1 vor dem LG Klagenfurt, 2 vor
dem KG Sankt Pölten, 1 vor dem KG Wels, 2 vor dem KG Leoben, 1 vor dem
KG Wiener Neustadt, 1 vor dem BG Tulln, 8 staatsanwaltschaftliche Verfahren
(Vorerhebungen) in Wien, 4 staatsanwaltschaftliche Verfahren -(Vorerhebungen
[davon 2 Anzeigezurücklegungen und 2 Abbrüche gemäß 412
StPO]) in Linz, 2 staatsanwaltschaftliche Verfahren (Vorerhebungen) in Sankt
Pölten, 2 staatsanwaltschaftliche Verfahren (Vorerhebungen) in Leoben,
1 staatsanwaltschaftliches Verfahren (Vorerhebung [Anzeigezurücklegung])
in Steyr, 1 staatsanwaltschaftliches Verfahren (Vorerhebung) in Wels, 1 staatsanwaltschaftliches
Verfahren (Vorerhebung) in Wiener Neustadt
Beschuldigte: 91 Personen
sowie in 15 Fällen unbekannte Täter (von ersteren war 1965 bereits
1 verstorben, 4 Anzeigen waren gemäß § 90 StPO zurückgelegt,
1 Voruntersuchung war gemäß § 109 StPO eingestellt worden)
KZ MittelbauDora:
Verfahren: 1 staatsanwaltschaftliches
Verfahren (Abbruch gemäß § 412 StPO) in Graz
Beschuldigte: 1Person
KZ Sachsenhausen:
Verfahren: 1 vor dem
LG Eisenstadt, 1 vor dem KG Leoben, 1 vor dem KG Steyr
Beschuldigte: 13 Personen
(von diesen waren 1965 bereits 2 Anzeigen gemäß § 90 StPO zurückgelegt)
Ghetto Theresienstadt / Gestapo-Gefängnis ("KZ") Kleine
Festung Theresienstadt:
Verfahren: 1 vor dem
LG Wien, 2 vor dem LG Graz, 2 staatsanwaltschaftliche Verfahren (Vorerhebungen)
in Graz
Beschuldigte: 18 Personen
(von diesen war 1965 bereits 1 verurteilt und 1 verstorben )
KZ/Vernichtungslager Treblinka und Arbeitslager Treblinka:
Verfahren: 1 staatsanwaltschaftliches
Verfahren (Vorerhebung) in Wien
Beschuldigte: 1 Person
Sonstige Konzentrationslager bzw. Verbrechen in mehreren Konzentrationslagern:
Verfahren: 1 vor dem
LG Wien, 1 vor dem LG Linz, 1 vor dem KG Sankt Pölten
Beschuldigte: 8 Personen
e) Sonstige NS-Verbrechen in verschiedenen Ländern
Europas
NS-Verbrechen auf dem Gebiet Belgiens:
Verfahren: 1 vor dem
LG Wien
Beschuldigte: 1 Person
NS-Verbrechen auf dem Gebiet Dänemarks:
Verfahren: 1 vor dem
LG Klagenfurt
Beschuldigte: 1 Person
NS-Verbrechen auf dem Gebiet Deutschlands (außer Konzentrationslager;
insgesamt 3 Orte):
Verfahren: 2 vor dem
LG Wien, 1 vor dem KG Leoben
Beschuldigte: 4 Personen
(von diesen war 1965 bereits 1 verstorben, 2 Anzeigen waren gemäß
§ 90 StPO zurückgelegt worden)
NS-Verbrechen auf dem Gebiet Italiens (insgesamt 14 Orte):
Verfahren: 1 vor dem
LG Linz, 1 vor dem LG Innsbruck, 1 staatsanwaltschaftliches Verfahren (Vorerhebungen)
in Innsbruck, 1 staatsanwaltschaftliches Verfahren (Vorerhebung) in Klagenfurt
Beschuldigte: 69 Personen
NS-Verbrechen auf dem Gebiet Jugoslawiens (insgesamt 4 Orte):
Verfahren: 4 vor dem
LG Linz, 4 vor dem LG Klagenfurt, 1 staatsanwaltschaftliches Verfahren (Vorerhebung
[Anzeigezurücklegung]) in Leoben
Beschuldigte: 11 Personen
(von diesen war 1965 bereits 1 verstorben, 3 Anzeigen waren gemäß
§ 90 StPO zurückgelegt, 3 Voruntersuchungen waren gemäß
§ 109 StPO eingestellt worden)
NS-Verbrechen auf dem Gebiet der Niederlande:
Verfahren: 1 vor dem LG Wien,
1 staatsanwaltschaftliches Verfahren (Vorerhebung [Anzeigezurücklegung])
in Wien Beschuldigte:
2 Personen (von diesen war 1965 bereits 1 Person abgeurteilt, der Freispruch
war allerdings nicht rechtskräftig, die gemäß § 90 StPO
zurückgelegte Anzeige betraf die Verhaftung von Anne Frank und anderer
jüdischer Opfer)
NS-Verbrechen gegen Jüdinnen und Juden auf dem Gebiet der Slowakei:
Verfahren: 1 vor dem
LG Wien
Beschuldigte: 1 Person
NS-Verbrechen auf dem Gebiet der Tschechiens:
Verfahren: 1 vor dem
LG Graz
Beschuldigte: 1 Person
NS-Verbrechen (großteils gegen Jüdinnen und Juden) auf dem Gebiet
Ungarns:
Verfahren: 2 vor dem
LG Wien (wegen der Deportation mehrerer Hunderttausend ungarischer Juden nach
Auschwitz), 1 vor dem KG Leoben, 2 staatsanwaltschaftliche Verfahren (Vorerhebungen
[Anzeigezurücklegungen]) in Graz
Beschuldigte: 5 Personen
(von diesen war 1965 bereits 1 Person abgeurteilt, allerdings nicht rechtskräftig,
3 Anzeigen waren gemäß § 90 StPO zurückgelegt worden)
f) Österreich (außer KZ und KZ-Nebenlager)
NS-Verbrechen auf dem Gebiet Österreichs (insgesamt 100 Orte):
Verfahren: 37 vor
dem LG Wien, 15 vor dem LG Linz, 1 vor dem KG Wels, 4 vor dem KG Steyr, 1 vor
dem BG Mondsee, 3 vor dem LG Salzburg, 39 vor dem LG Graz, 8 vor dem KG Leoben,
18 vor dem LG Klagenfurt, 32 vor dem LG Innsbruck, 7 vor dem KG Sankt Pölten,
2 vor dem KG Krems, 1 vor dem KG Korneuburg, 6 staatsanwaltschaftliche Verfahren
(Vorerhebungen [davon 3 Anzeigezurücklegungen, 1 Einstellung gemäß
§ 109 StPO und 1 wegen Tod des Beschuldigten]) in Wien, 1 staatsanwaltschaftliches
Verfahren (Vorerhebung [Anzeigezurücklegung]) in Linz, 2 staatsanwaltschaftliche
Verfahren (Vorerhebungen [Anzeigezurücklegungen]) in Steyr, 1 staatsanwaltschaftliches
Verfahren (Vorerhebung) in Salzburg, 7 staatsanwaltschaftliche Verfahren (Vorerhebungen
[davon 4 Anzeigezurücklegungen, 2 Einstellungen gemäß §
109 StPO, 1 vorläufiger Abbruch]) in Graz, 1 staatsanwaltschaftliches Verfahren
(Vorerhebung [Anzeigezurücklegung]) in Leoben, 9 staatsanwaltschaftliche
Verfahren (Vorerhebungen [davon 5 Anzeigezurücklegungen, 3 Einstellungen
gemäß § 109 StPO, 1 wegen Tod des Beschuldigten]) in Klagenfurt,
3 staatsanwaltschaftliche Verfahren (Vorerhebungen [2 vorläufige Abbrüche
und 1 wegen Tod des Beschuldigten]) in Innsbruck
Beschuldigte: 257
Personen (von diesen waren 1965 bereits 17 verurteilt und 14 freigesprochen
sowie 12 verstorben, 68 Anzeigen waren gemäß § 90 StPO zurückgelegt,
26 Voruntersuchungen waren gemäß § 109 StPO eingestellt worden)
Die Auflistung des Innenministeriums enthält nur Angaben über Orte,
nicht über die dort verübten Verbrechen, die Gegenstand der polizeilichen
und staatsanwaltschaftlichen Erhebungen bzw. gerichtlichen Voruntersuchungen
waren, weshalb eine Aufgliederung nach Tatkomplexen nur in folgenden Ausnahmefällen
möglich ist:
Euthanasie (Hartheim):
Verfahren: 4 vor dem
LG Linz
Beschuldigte: 4 Personen
(darunter Martin Bormann und Franz Stangl)
Gestapo Innsbruck:
Verfahren: 27 vor
dem LG Innsbruck, 4 staatsanwaltschaftliche Verfahren (Vorerhebungen) in Innsbruck
Beschuldigte: 35 Personen
Ermordung von Jüdinnen und Juden 1944/1945 entlang des »Südostwalls«:
Verfahren: 7 vor dem
LG Wien, 4 vor dem LG Graz (davon 1 Volksgerichtsverfahren, in dem ein Teil
der Angeklagten mangels Beweisen freigesprochen worden war), 3 staatsanwaltschaftliche
Verfahren -in Wien, 2 staatsanwaltschaftliche Verfahren in Graz
Beschuldigte: 31 Personen
(davon 8 bereits abgeurteilt)
Sonstige Mord an Jüdinnen und Juden bei Kriegsende:
Verfahren: 4 vor dem
LG Wien, 2 vor dem LG Graz, 2 vor dem KG Leoben, 1 vor dem KG Krems, 1 vor dem
KG Sankt Pölten, 1 staatsanwaltschaftliches Verfahren in Leoben
Beschuldigte: 27 Personen
(davon 7 bereits abgeurteilt)
Eine ähnlich ausführliche Übersicht wurde später nicht mehr
angefertigt, doch erstellte die Abteilung 18 des Bundesministeriums für
Inneres 1968 eine Aufstellung sämtlicher Verfahren wegen NS-Verbrechen,
die zu diesem Zeitpunkt gemäß § 412 StPO vorläufig abgebrochen
waren . Die Liste unterschied sich nicht wesentlich von der oben ausgewerteten
Übersicht aus dem Jahre 1945, außer dass durch diese Vorgangsweise
die Personen, gegen die bereits ein Urteil ergangen oder das Verfahren rechtskräftig
eingestellt war, nicht mehr aufschienen. Obwohl, wie oben dargestellt, eine
genaue Aufgliederung hinsichtlich der Verbrechen mit Tatorten in Österreich
nicht möglich ist und die Listen aus den sechziger Jahren nur rund ein
Viertel jener Personen enthalten, gegen die zwischen 1956 und 1990 wegen mutmaßlicher
NS-Verbrechen ermittelt wurde, ist die Tendenz eindeutig:
Der Schwerpunkt der Ermittlungen liegt auf Massenvernichtungsverbrechen an Jüdinnen
und Juden durch Polizei- und SS-Einheiten, gefolgt von Tötungsverbrechen
in Haftstätten und Verbrechen bei Kriegsende.
Diese Gewichtung entspricht exakt jener der Ermittlungsbehörden in der
Bundesrepublik Deutschland und weitgehend auch der in der DDR. Mit den bundesdeutschen
Behörden, insbesondere mit der 1958 eingerichteten Zentralen Stelle der
Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg, unterhielten die Beamten der Abteilung
18 regelmäßigen engen Kontakt, seitens der deutschen Staatsanwaltschaften
wurden auch in großem Ausmaß Ermittlungsergebnisse für die
Erhebungen in Österreich zur Verfügung gestellt.
Die von den österreichischen Sicherheitsbehörden zusammengetragenen
Beweismittel für die einzelnen Verbrechenskomplexe sind teilweise äußerst
umfangreich; es lag nicht an mangelnder Effizienz der polizeilichen Ermittlungen,
dass nur gegen einen winzigen Bruchteil der Personen, gegen die ermittelt wurde,
Anklage erhoben wurde.
Die Zentrale Stelle der deutschen Landesjustizverwaltungen hat 1968 eine ähnliche
Auflistung angefertigt, die 6.500 Namen enthielt, gegen die damals seitens der
Zentralen Stelle ermittelt wurde. Das sind, gemessen an der Anzahl der Einwohner,
etwas weniger als die 1.150 Österreicher auf der Liste des österreichischen
Innenministeriums. Aber während von den bundesdeutschen Ermittlungsverfahren
15 % zu einer Anklageerhebung führten, war dies in Österreich nur
bei knapp 4 % der Fall; eine der Ursachen dafür ist, dass nach 1975 keine
Prozesse wegen NS-Verbrechen mehr geführt wurden.
Übersicht über die Prozesse und staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungen wegen NS-Verbrechen in den besetzten Gebieten der UdSSR
|
von: Winfried Garscha
(2003; Update: Mai 2006)
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