Zur verwendeten Datenbank
für das FWF-Projekt-Paket
»Die Auseinandersetzung der Justiz mit nationalsozialistischen Verbrechen«
Server: Betriebssystem: Linux mit
* Datenbank: Relationale Datenbank auf SQL-Basis (MySQL) (=Backend)
* Web-Server (Apache)
Clients (orts- und betriebssystemunabhängig): Web-Browser (Netscape
oder Internet Explorer ab Version 4) unter beliebigen Betriebssystemen (=Frontend)
Konzeption: Winfried R. Garscha und Markus Koppenberger (1999–2001)
1. Allgemeines
Datenbanken werden seit einigen Jahren auch in der rechtshistorischen
Forschung eingesetzt, z.B. in den umfangreichen Untersuchungen von Klaus Marxen
zum nationalsozialistischen Volksgerichtshof oder im Rahmen eines im Jahre 2000 begonnenen
Kooperationsprojekts zwischen dem Dokumentationsarchiv des österreichischen
Widerstandes und der Phillips-Universität Marburg/Lahn zur Untersuchung
der
politischen NS-Strafjustiz in Österreich und Hessen.
Die methodische Diskussion über den Einsatz von computergestützten
Methoden in der Rechtsgeschichtsschreibung ist aber noch wenig fortgeschritten.
Entsprechende Vorträge auf dem 31. Deutschen Rechtshistorikertag in Wien
(1996) wurden bisher nicht veröffentlicht. Das geplante Projekt orientiert
sich – neben der Urteilssammlung
»Justiz und NS-Verbrechen«
– in erster Linie an den methodischen Überlegungen zur Funktion
einer historischen Rechtsdatenbank, die vom
Münsteraner Rechtshistoriker Hans Schulte-Nölke bei der EDV-gestützten
Judikaturanalyse der Berufungsgerichte in der Rheinprovinz im frühen
19. Jahrhundert entwickelt wurden. (Anmerkung)
Diese Funktionen sind (nach Schulte-Nölke, S. 110):
Findhilfsmittel für die Suche nach »Entscheidungsmaterial«
für konkrete Forschungsfragen (die Datenbank als Repertorium der erfassten
Archivbestände mit Angabe des Standorts der Originalakten).
Einsatz zur Hypothesenbildung (durch die Beschreibung der Prozess-Inhalte).
Ermöglichung justizstatistischer Erhebungen zur Tätigkeit
der Gerichte, zu den verwendeten Rechtsnormen und zur Verurteilungsquote.
Derartige Erträge kann nur eine Datenbank liefern, »aus den Archivalien
lassen sich solche Zahlen nicht unmittelbar gewinnen.«
Die gemeinsame Datenbank
stellt daher nicht nur ein Recherche-Tool dar, um die für die Detailauswertung
vorgesehenen Verfahren bestimmen zu können, sie ist auch das Instrument,
mit dessen Hilfe die zu analysierenden Akten erfasst werden und ihre Grobauswertung
an allen Gerichtsstandorten nach identischen Kriterien sichergestellt wird.
Da sie im Bereich der inhaltlichen Beschreibung der erfassten Verfahren analog
zu den für Ost- und West-Deutschland vorliegenden Verfahrensübersichten
in der Urteilssammlung »Justiz und NS-Verbrechen« konzipiert wurde,
bildet sie die Grundlage für den geplanten Vergleich mit Deutschland.
Erst auf dieser Basis sind statistische Auswertungen und Untersuchungen zur
»Effizienz der Rechtsprechung« möglich.
Aus datenschutzrechtlichen Gründen, vor allem aber aus Gründen der
Zeitökonomie, wurde – angesichts der immensen Datenfülle,
die bereits zur Beantwortung der Fragestellungen der drei beantragten Projekte
zu erfassen ist – in dem hier beschriebenen Arbeitssschritt auf die
Aufnahme von Angaben zum Gerichtspersonal und zu den Beschuldigten verzichtet,
wie sie für sozialstatistische Auswertungen erforderlich wären.
Wie die bisherige Erfahrungen mit der Datenbank gezeigt haben, ist eine nachträgliche
Ergänzung durch die Einführung zusätzlicher Kategorien jederzeit
möglich. Die in der Datenbank enthaltenen Angaben zum Standort der Akten
erlauben einen raschen Zugriff zu den Quellen für derartige weiterführende
Untersuchungen.
2. Das Datenbank-Design
Das Design der Datenbank erfolgte nach folgendem Anforderungsprofil:
a) Netzwerkfähigkeit sowohl für die Eingabe auf vernetzten PCs als
auch für eine mögliche Benützung über Internet.
b) Einstiegsmöglichkeit für die Dateneingabe sowohl über die
Namen der Beschuldigten (Auswertung von Karteien und Registern, in Perspektive
aber auch von weiteren Quellen wie Fahndungsbehelfen) als auch über das
Gerichtsverfahren – im Regelfall über die Geschäftszahl (Autopsie
der Prozessakten);
c) Möglichkeit zur inhaltlichen Beschreibung sowohl des gesamten Verfahrens
als auch der ergangenen Urteile auf separaten Bildschirmmasken, wobei zwischen
den auf Beschuldigte bzw. Angeklagte bezogenen und den auf das Gesamtverfahren
bzw. den Urteilstext bezogenen Auswertungen zu unterscheiden ist: für
erstere war die Zuordnung von Paragraphen und Urteilssprüchen vorzusehen,
für zweitere die Zuordnung von Kategorien und Abstracts;
d) Nachvollzug des Gangs des Verfahrens unter Berücksichtigung der Unterschiede
zwischen Volksgerichtsbarkeit (keine ordentlichen Rechtsmittel, daher Wiederaufnahmeverfahren
in der Regel unter einer neuen Geschäftszahl) und Geschwornengerichtsbarkeit
(mehrere Urteile pro Geschäftszahl möglich);
e) wechselseitige Verknüpfung der einzelnen Teile der Datenbank –
analog zur Verbindung der Gerichtsverfahren untereinander (Ausscheidung /
Einbeziehung / Vereinigung / Wiederaufnahme) – sodass die Änderung
eines Eintrags die automatische Änderung aller damit zusammenhängenden
Einträge bewirkt;
f) Vereinfachung ständig wiederkehrender, normierter Eintragungen durch
das Anklicken von Pull-Down-Menüs;
g) Übersichtlichkeit der Maske, hohes Tempo bei Eingabe und Abfrage;
h) Möglichkeit, eine anonymisierte Form der Datenbank zu generieren,
die für die öffentlich zugängliche Abfrage in den beteiligten
Einrichtungen sowie auf der WebSite der Zentralen österreichischen Forschungsstelle
Nachkriegsjustiz zur Verfügung stehen soll.
Gearbeitet wird an den einzelnen Gerichtsstandorten (vorläufig Linz und
Wien, nach Beginn der drei Forschungsprojekte auch in Graz, Leoben und Klagenfurt
sowie in Innsbruck) mit identisch konstruierten Teil-Datenbanken. Die Bedienung
über einen Webbrowser hat sich bewährt, da diese Form der Datenbank
sowohl den SachbearbeiterInnen als auch den künftigen BenützerInnen
aus der täglichen Arbeit am Internet vertraut ist. Durch Zusammenführen
von Updates aus den Teil-Datenbanken in einer gesamtösterreichischen
Datenbank, sollen den einzelnen Arbeitsteams die Arbeitsergebnisse der übrigen
Teams in regelmäßigen Abständen zur Verfügung gestellt
werden.
Diese Vorgangsweise hat sich gegenüber der ursprünglich vorgesehenen
Variante, an den verschiedenen Gerichtsstandorten online an derselben Gesamt-Datenbank
zu arbeiten, bei ersten Versuchen zwischen Linz und Wien als überlegen
erwiesen, weil dadurch die Probleme des Arbeitens in großen lokalen
Netzen (Landesrechenzentrum) vermieden wurden: zu langsamer Zugriff auf die
Datenbank infolge komplizierter Firewalls sowie rechtliche und Sicherheitsprobleme.
Das Öffnen der Datenbank im Intranet der beteiligten Institutionen erfolgt
mittels (regelmäßig geänderter) Passwörter, für
jeden Computer gilt ein eigenes Passwort. Alle mit der Dateneingabe und -abfrage
betrauten Personen werden durch den Leiter des Grazer Teil-Projekts, ao. Univ.-Prof.
Martin Polaschek, der dazu bereits einschlägig publiziert hat (Polaschek
in Rundbrief
Nr. 2), rechtlich geschult; sie werden zur Einhaltung der Bestimmungen
des Datenschutzgesetzes 2000 verpflichtet. Jede Änderung eines Datensatzes
wird mit Datum und Login-Kürzel protokolliert.
Nach Abschluss des Projekts wird ein Extrakt der Datenbank
(umfassend die mit Urteil abgeschlossenen Prozesse) in einer anonymisierten
Version öffentlich abfragbar sein.
Gefragt werden kann nach Tatkomplexen, Tatorten, Urteilen und Aktenzahlen
sowie nach Wörtern und Wortteilen in den Abstracts (inhaltlichen Beschreibungen
der Tatvorwürfe). Eine Abfrage nach den Namen wird nicht möglich
sein, da diese Version der Datenbank nur den ersten Buchstaben des Familiennamens,
das Geburtsjahr und das Geschlecht der abgeurteilten Personen enthalten wird.
Um die aus rechtlichen Gründen (DSG 2000 sowie § 82a StPO) erforderliche
Anonymität zu gewährleisten, werden die Abstracts so abgefasst,
dass für TäterInnen und Opfer neutrale Begriffe (»Beschuldigte/r«,
»Angeklagte/r«, »Getötete/r«, »Opfer des
Fememordes« u.ä.) verwendet werden. Personen der Zeitgeschichte
werden im Falle von Prominenten in den Abstracts namentlich genannt, in den
übrigen Fällen werden sie durch ihre Funktion (z.B. »Kreisleiter
von Hollabrunn«) kenntlich gemacht.
Die Eingabemasken
Die Eingabemasken wurden mittels Perl-Scripts realisiert (=Middleware). Folgende
Masken stehen für die Dateneingabe zur Verfügung:
Verfahrensseite
Diese Seite enthält alle Angaben, die das Verfahren kennzeichnen. Hier
finden sich:
a) Die formalen Informationen
* Geschäftszahl von Gericht und Staatsanwaltschaft.
* Ablage des Verfahrens bei Gericht (als eigener Akt oder als Bestandteil
eines anderen Verfahrensakts) – das Programm vergibt hier automatisch
die oben eingetragene Geschäftszahl des Gerichts (Vr-Nummer). Diese ist
im Zuge der Auswertung durch Anklicken zu bestätigen. Wurde der Akt in
einen anderen Akt eingelegt, so ist dessen Vr-Nummer hier einzutragen. Das
Programm generiert auf dieser Grundlage automatisch für die Abfrage die
Information: »Weitere Verfahren in diesem Akt«.
* Archivbestand, in dem der Originalakt zu finden ist: Aktenlager des Gerichts
oder Landesarchiv; wurde der Akt bereits an das Landesarchiv abgegeben, so
wird hier neben der Bestandsbezeichnung auch die Nummer der Archivschachtel
eingetragen. Das Programm generiert auf dieser Grundlage automatisch für
die Abfrage die Information: »Weitere Akten in dieser Archiv-Box«,
womit eine gezielte Archiv-Recherche erleichtert wird.
* Angaben über öffentlich archivierte Kopien oder Publikationen
von Anklageschriften und Urteilen. Hier wird beispielsweise die Mikroverfilmung
eines Akts durch die Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz
vermerkt.
b) Der Grund des Verfahrens, d.h. die Beschreibung der Tat. Es können
mehrere Tatbeschreibungen zu einem Verfahren angelegt werden. Jede dieser
Beschreibungen besteht aus mehreren teilweise standardisierten Eingabemöglichkeiten:
* Tatkomplexe (kategorisiert, siehe unten Pkt. 3: »Rüter-Kategorien«)
* kurze Tatbeschreibung, »Abstract« (freier Text),
* Tatort und Tatzeit (exakt),
* betroffene Opfer (kategorisiert),
* Dienststellen der Tatverdächtigen (kategorisiert).
Mit dieser Methode werden – in Perspektive – sämtliche Verbrechen
erfasst werden, über die im Zuge eines Ermittlungsverfahrens Informationen
in größerem Umfang gesammelt und im Akt abgelegt wurden. Mit Ausnahme
der in Wien mikroverfilmten Verfahren und der wenigen Ausnahmefälle,
in denen sämtliche Verfahren wegen eines bestimmten Tatkomplexes (z.B.
Verbrechen im KZ Mauthausen) erfasst werden sollen, bleiben diese Beschreibungen
bei Verfahren ohne Urteil vorläufig leer bzw., bei Verfahren mit Urteil,
auf die in Anklageschrift und Urteil behandelten Verbrechen beschränkt.
Eine vollständige Beschreibung sämtlicher Akten in dieser Form würde
einen nicht kalkulierbaren Arbeitsaufwand erfordern. Der Verein zur Förderung
justizgeschichtlicher Forschungen (einer der beiden Unterstützungsvereine
der Zentralen österreichischen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz) führt
derzeit im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und
Kultur und der Kulturabteilung der oberösterreichischen Landesregierung
ein Pilotprojekt am Oberösterreichischen Landesarchiv (OÖLA) durch,
um die Kosten für eine derartige Gesamterfassung für ganz Österreich
berechenbar zu machen. Im ersten Arbeitsschritt dieses Pilotprojekts wurden
vorläufig aber auch in Linz nur Verfahren mit Urteil erfasst.
Erfolgt die Tatbeschreibung im Zuge der Urteilsauswertung – wie dies
vorläufig der Fall ist –, so werden die Angaben von der Urteilsbeschreibungsseite
(»Verhandlungsgegenstand«) automatisch hierher, auf die Verfahrensseite,
kopiert.
Erst im Zuge der Kompletterfassung der nicht mit Urteil abgeschlossenen Verfahren
werden auch bei jenen Prozessen, deren Urteile bereits erfasst sind, die restlichen
Tatbeschreibungen auf der Verfahrensseite ergänzt werden. Diese ist aber
nicht Gegenstand der hier beantragten Projekte.
Von dieser Seite, die auch den Einstieg bei einer Suchabfrage nach Verfahren
bildet, kann eine Liste der beschuldigten Personen abgerufen werden. In Wien
und Linz sind diese Einträge auf Grund der Vorarbeiten schon vorhanden,
an den übrigen Gerichtsstandorten muss diese (vorläufig auf die
Angeklagten beschränkte) Liste erst erstellt werden, was durch die Funktion
Hinzufügen auf der Personenseite geschieht. Ferner ist es von dieser
Seite aus möglich, direkt auf die Urteilsbeschreibungsseite zu gelangen.
Über die Personenliste der Verfahrensseite, die alle Beschuldigten in
einem Verfahren aufzählt, gelangt man zu den einzelnen Personenseiten
und den Detailseiten des Verfahrens. Ist nur eine Person in das Verfahren
involviert oder noch keine Person eingetragen, gelangt man direkt auf die
Personenseite.
Personenseite
Auf dieser Eingabemaske können die allgemeinen Daten einer Person geändert
und Verfahren zu dieser Person zugeteilt werden. Die Maske enthält bis
auf weiteres nur Felder für Name, Vorname, Geburtsdatum, Geschlecht,
Alias-Name (Mädchenname, häufige Schreibvariante) und ein Anmerkungsfeld.
Enthält eine importierte Datenbank weitere Angaben zur Person, so werden
diese im Anmerkungsfeld gespeichert. Im Anmerkungsfeld werden auch Notizen
auf der Karteikarte der Einlaufstelle des Gerichts vermerkt.
Das Programm listet automatisch sämtliche Verfahren auf, in denen diese
Person als Beschuldigte/r bzw. Angeklagte/r eingetragen wurde – mit
Angaben über das Gericht, die Geschäftszahlen des Gerichts und der
Staatsanwaltschaft sowie über allfällige Verbindungen zwischen diesen
Verfahren – Verfahrensausscheidungen, Vereinigungen, Rückdelegierungen
etc. (siehe unten, Detailseite).
Ausgehend von dieser Seite, die auch den Einstieg bei einer Suchabfrage nach
Personen bildet, können die näheren Angaben zu den jeweiligen Verfahren
(Detailseite, Urteile) hinzugefügt bzw. abgefragt werden. Zum Urteil
gelangt man über zwei Links: der eine führt auf die Urteilsbeschreibungsseite
für das gesamte Verfahren (»Verhandlungsgegenstand«), der
andere zur Urteilsauswertung (»Urteilsdetails«: Freispruch/Schuldspruch
mit Angabe des Strafausmaßes; Paragraphen, nach denen der/die Angeklagte
schuldig gesprochen wurde).
(Personen-)Detailseite
Auf dieser Seite befinden sich die Informationen zu einem Verfahren betreffend
genau eine Person. Die Seite beginnt mit einer Auflistung der in diesem Verfahren
ergangenen Urteile (mit Links auf die Urteilsbeschreibungsseite und auf die
Urteilsdetails der abgeurteilten Personen). Als nächstes werden Shortcuts
zu den einzelnen Sektionen der Detailseite angeboten: Auslieferung / Faktenausscheidung
/ Anmerkungen zum Verfahren / Verbindungen mit anderen Verfahren / Einstellung
/ Anklage.
In der ersten Sektion werden die Paragraphen ausgewertet, nach denen das Verfahren
gegen diese Person eingeleitet wurde. Die am häufigsten angewandten Gesetze
stehen – sowohl aus Gründen der Übersichtlichkeit als auch
zur Erleichterung der statistischen Auswertung – auf der Maske, sodass
in die Felder nur mehr die Paragraphen eingetragen werden müssen. (Dieses
Design findet sich auch auf derselben Seite weiter unten, in der Sektion »Anklage«,
wo die Paragraphen aufgelistet werden, nach denen eine allfällige Anklage
gegen den/die Beschuldigte/n erfolgte, bzw. auf der Urteilsseite für
jene Paragraphen, nach denen der/die Angeklagte verurteilt wurde.) Diese Sektion
bleibt überall, mit Ausnahme Wiens (wo die Angaben auf den Karteikarten
des Gerichts übernommen werden konnten), bis auf weiteres leer.
Die nächsten vier Sektionen betreffen die Verbindungs- bzw. Verknüpfungsmöglichkeit
mit anderen Verfahren der Datenbank. Dabei kann ein Verfahren mittels vordefinierter
Relationen in Verbindung mit einem oder mehrere anderen Verfahren gesetzt
werden (Wiederaufnahme, Fortsetzung etc.). Zur Beschleunigung der Dateneingabe
werden diese Verbindungen, wenn sie bei einem Verfahren eingetragen werden,
automatisch durch die jeweilige komplementäre Eingabe beim verknüpften
Verfahren ergänzt (z.B. »ausgeschieden zu« / »einbezogen
von«). Weitere Verbindungen betreffen ausländische Verfahren gegen
die betreffende Person (»Auslieferung«) oder Verfahren betreffend
andere als NS-Verbrechen (»Faktenausscheidung«). Bei Auslieferungsverfahren
wird nur das antragstellende Land eingetragen, bei Faktenauscheidungen zu
anderen Gerichten der jeweilige Straftatbestand (in Form von Paragraphen)
und, wenn vorhanden, die Geschäftszahl.
Die Eingabe aller dieser Verbindungen zwischen den in die Datenbank aufgenommenen
Verfahren erfolgt nur im Zuge der Auswertung von Registern, die diese Angaben
enthalten, sodass sie keinen zusätzlichen Recherche-Aufwand erfordert.
Durch ihre Aufnahme ermöglicht die Datenbank die Rekonstruktion des Gangs
eines Verfahrens ohne Autopsie des jeweiligen Akts, was insbesondere dann
relevant ist, wenn der Originalakt nicht auffindbar ist. Die Eintragung dieser
Angaben auf der Grundlage der Register bedeutet, dass diese Sektionen der
Detailseite in jenen Teil-Datenbanken, in denen vorläufig nur die Akten
selbst ausgewertet werden, leer bleiben.
Die beiden letzten Sektionen der Detailseite enthalten Informationen zur Verfahrenseinstellung
(mit Angabe der Paragraphen der StPO, nach denen die Zurücklegung der
Anzeige, die endgültige Einstellung oder der vorläufige Abbruch
des Verfahrens erfolgte) bzw. Anklageerhebung gegen diese Person, einschließlich
der Nummer im Hv-Register. Die Auflistung der Paragraphen, nach denen Anklage
erhoben wurde, stützt sich sowohl auf die Anklageschrift als auch auf
das Urteil, sodass Ausweitungen der Anklage während der Gerichtsverhandlung
ohne Einsichtnahme in das Hauptverhandlungsprotokoll berücksichtigt werden
können. Im Falle von Freisprüchen gibt diese Auflistung Auskunft
über die Straftatbestände, von denen der/die Angeklagte freigesprochen
wurde. Für Angaben über Teil-Freisprüche steht das Anmerkungsfeld
auf der Urteilsdetailseite zur Verfügung.
Urteilssdetails (»Urteile«)
Hier können Angaben zu allfälligen Urteilen gegen eine Person in
einem Verfahren gemacht werden. Die für das gerade bearbeitete Verfahren
bereits eingetragenen Beschuldigten können mittels eines Pull-down-Menüs
aufgerufen werden. Durch Anklicken erfolgt ihre Übernahme von den Beschuldigten
zu den Angeklagten. Wurde der/die Angeklagte unter dieser Geschäftszahl
noch nicht als Beschuldigte/r eingetragen, so sind die Angaben zu den (Name,
Vorname, Geburtsdatum, Geschlecht) auf der Personenseite durchzuführen.
Detailangaben zum Urteil sind:
* Ausstellendes Gericht, Geschäftszahl (diese Angaben werden automatisch
von der Verfahrensseite übernommen bzw. auf diese übertragen),
* Datum, an dem das Urteil erging,
* Art des Urteils (Freispruch, Haftstrafe, Lebenslänglich, Todesurteil,
Verurteilung ohne Zusatzstrafe, Urteile in einem objektiven Verfahren),
* Dauer einer Haftstrafe (zur Erleichterung der statistischen Auswertung erfolgt
diese in Monaten und Tagen),
* Angaben über Rechtskraft des Urteils bzw. das Datum der Urteilsaufhebung,
* Angaben über den Vermögensverfall (damit soll die Beantwortung
der Frage ermöglicht werden, ob die bei Verurteilungen durch Volksgerichte
gesetzlich vorgesehene Zusatzstrafe tatsächlich den Regelfall darstellte),
* Anmerkungen, z. B. über freisprechende Teile des Urteils im Falle einer
Verurteilung; hier wird auch das Vollstreckungsdatum eines Todesurteils notiert,
* Paragraphen, gemäß denen eine allfällige Verurteilung erfolgte
(zum Design siehe oben, Detailseite).
Urteilsbeschreibungsseite (»Verhandlungsgegenstand«)
Zur Urteilsbeschreibungsseite gelangt man über die Verfahrens-, Personen-
oder Detailseite. Hier finden sich die Tatbeschreibungen, d.h. der auf Grund
der Auswertung von Anklageschrift und Urteil feststellbare Gegenstand der
Hauptverhandlung. Die Tatbeschreibungen erfolgen in derselben Weise wie oben
bei der Vorstellung der Verfahrensseite beschrieben: Abstract, Kategorienzuordnung
(Verbrechen, Opfer, Dienststelle), Tatort und -zeit. Im Zuge des Abspeicherns
werden diese Tatbeschreibungen auf die Verfahrensseite kopiert. Die automatische
Verbindung von der Urteilsbeschreibungsseite zur Verfahrensseite besteht nur
in diese Richtung, da die Datenbank nur so den Sachverhalt abbilden kann,
dass zwar alle Gegenstände der Hauptverhandlung auch Gegenstände
des Gesamtverfahrens sind, aber nicht wegen aller im Zuge des Vorverfahrens
untersuchten Verbrechen Anklage erhoben wird.
3. Internationale Vernetzung. Die »Rüter-Kategorien«
als Standard
Die Kompatibilität der Datenbank mit anderen europäischen
Justiz-Datenbanken durch Vereinheitlichung der Kategorien für Tathergang,
Opfer und Dienststellen der Tatverdächtigen:
In der Datenbank werden zur Benennung der Tatkomplexe, der Dienstellen der
Tatverdächtigen und der Opfer Kategorien verwendet, die sich an dem in
der Amsterdamer Urteilssammlung »Justiz und NS-Verbrechen« angewandten
Kategorienschema orientieren, nach dem bisher die (west- und ost-)deutschen
Urteile wegen NS-Tötungsverbrechen sowie die Urteile niederländischer
Gerichte gegen deutsche und österreichische Täter ausgewertet wurden.
Auf einer Besprechung zwischen niederländischen, österreichischen
und polnischen Einrichtungen im April 1999 in Warschau wurde vereinbart, für
die Datenbanken zur Auswertung deutscher, österreichischer, niederländischer
und polnischer Verfahren jenes Kategorienschema zu verwenden, das in den 1960er
Jahren vom Strafrechtsinstitut der Universität Amsterdam (Prof. Dr. Christiaan
Frits Rüter) für die Auswertung der Urteile bzw. Einstellungsbeschlüsse
westdeutscher Gerichte wegen der zwischen 1. 9. 1939 und 8. 5. 1945 begangenen
NS-Tötungsverbrechen entwickelt worden war. Dieses Schema soll um national-spezifische
Tatkomplexe erweitert werden. Die Kompatibilität zwischen den Datenbanken
kann ferner durch eine Vereinheitlichung der ID-Nummernvergabe gewährleistet
werden. Diese beginnen in Österreich jetzt schon, entsprechend der Telefonvorwahl,
mit »43« und werden mit der ersten Postleitzahl des betreffenden
Bundeslandes fortgesetzt (z.B. »1« für Wien oder »4«
für Oberösterreich).
Die Kompatibilität ist durch die Kategorisierung der inhaltlichen Beschreibung
der Urteile zu gewährleisten. Die individualisierten Angaben (Paragraphen,
nach denen die Verfahren eingeleitet oder die Urteile gesprochen wurden, Arten
der Verurteilungen) sowie die Angaben zum Verlauf des Verfahrens sind national-spezifisch,
weil sie sich am jeweiligen materiellen und prozessualen Recht orientieren
müssen. Eine weitere Voraussetzung zur Herstellung der europaweiten Kompatibilität
der Datenbanken ist ihre Netzwerkfähigkeit über einen Web-Browser.
In ihrer Anlehnung an das bereits vorliegende und über Internet allgemein
zugängliche Schema von »Justiz und NS-Verbrechen« unterscheidet
sich die hier verwendete Datenbank von der zur Zeit am Münchner Institut
für Zeitgeschichte im Entstehen begriffenen Datenbank, die nicht nur die 900 mit Urteil oder gerichtlichem
Einstellungsbeschluss abgeschlossenen Verfahren wegen Tötungsdelikten,
sondern sämtliche westdeutsche und West-Berliner Verfahren wegen NS-Verbrechen
seit 1945 erfassen wird. Diese Microsoft-Access-Datenbank benützt ein
wesentlich aufwändigeres Kategorisierungsschema und nimmt eine detaillierte
Auswertung des Gangs der Verfahren und der in ihnen enthaltenen Informationen
über Beschuldigte vor. Mit den Münchner KollegInnen wird zwar seit
1999 ein informeller Erfahrungsaustausch praktiziert, da aber ihre Datenbank
ausschließlich für die interne Nutzung konzipiert ist, beteiligen
sie sich nicht an den Bemühungen zur Schaffung eines europäischen
Standards bei der Auswertung von Nachkriegsjustizakten.
Österreichische Adaptionen der »Rüter-Kategorien«
Da die Datenbank – im Gegensatz zur Urteilssammlung »Justiz
und NS-Verbrechen« – nicht nur zur Erfassung von Tötungsdelikten
verwendet wird, waren Ergänzungen und kleine Änderungen der Kategorien
der
»Verbrechenskomplexe« erforderlich.
Von folgenden Verbrechenskomplexen wurden die Bezeichnungen verändert: Denunziation, Schreibtischverbrechen, Verbrechen
der Endphase werden jeweils mit dem Zusatz »...mit
Todesfolge« versehen. Andere NS-Verbrechen
werden in Österreich Andere NS-Tötungsverbrechen
bezeichnet. Bei summarischen Aufzählungen werden die drei Tatkomplexe,
die Massenvernichtungsverbrechen in Lagern, durch
Einsatzgruppen sowie sonstige beschreiben,
zusammengefasst, weil die Anzahl der diesbezüglichen Prozesse in Österreich
äußerst gering war; bei der Auswertung der Akten bleibt die Unterscheidung
jedoch bestehen.
Aufbauend auf den Vereinbarungen in Warschau im April 1999 kamen – um
die Erfassung auch jener Urteile, die nicht wegen NS-Tötungsverbrechen
ergingen, zu ermöglichen – folgende ergänzende Verbrechenskomplexe
dazu:
Tatkomplex Nr. 12: Humanitätsverbrechen ohne
Todesfolge
(unterteilt in 12 a = Denunziation ohne Todesfolge;
12 b = Raub bzw. »Arisierung«;
12 c = Misshandlung, Verletzung der Menschenwürde).
Tatkomplex Nr. 13: Verratsdelikte (unterteilt
in 13 a = Hochverrat, »Illegalität«,
Unterstützung der illegalen NSDAP; 13 b = Funktion
im NS-Regime; 13 c = Propaganda für das
NS-Regime, »Kriegshetze«; 13 d = Registrierungsbetrug).
Tatkomplex 14: Nachkriegsdelikte (gemeint
ist die Weiterführung oder der Neuaufbau nationalsozialistischer Organisationen
sowie die strafbare Leugnung von NS-Verbrechen; nicht hierher gehören
Tötungsdelikte nach dem 8. Mai 1945, diese werden dem Tatkomplex Nr.
10 = Verbrechen der »Endphase« zugeordnet; der Zeitpunkt geht
aus der Angabe zur Tatzeit hervor).
Tatkomplex Nr. 15: NS-Gewaltverbrechen vor 1938
(entsprechend der von C. F. Rüter und Günter Wieland bei der Auswertung
der DDR-Prozesse verwendeten Kategorie
»frühe NS-Verbrechen«).
(Liste der
österreichischen Rüter-Kategorien)
Die Änderungen der Rüter’schen Opferkategorien
sind ausschließlich terminologischer Art und in erster Linie ein Ausdruck
des sozialwissenschaftlichen Diskurses in Deutschland und Österreich
in den vier Jahrzehnten seit der Konzeption der Kategorien.
Geändert wurde die Lexik (in erster Linie, um das Geschlecht der Opfer
sichtbar zu machen, aber auch, um Begriffe zu vermeiden, die von vielen Betroffenen
mittlerweile als diskriminierend empfunden werden, oder ganz einfach, um einem
geänderten Sprachgebrauch Rechnung zu tragen), weiters wurde versucht,
historischen Forschungsergebnisse (beispielsweise zur NS-Euthanasie oder in
der Widerstandsforschung) Rechnung zu tragen. Die Qualität der von C.
F. Rüter in der ersten Hälfte der sechziger Jahre entwickelten Kategorien
zeigt sich darin, dass die Änderungen trotzdem auf das »optische«
Erscheinungsbild beschränkt blieben; ihre Struktur hat sich auch in unserer
Arbeit bewährt. Die von uns verwendeten Opfer-Kategorien lauten:
1. Psychisch Kranke und andere in Anstalten Festgehaltene;
2. Juden/Jüdinnen;
3. Roma und Sinti (»ZigeunerInnen«);
4. Widerstand/Opposition;
5. Alliierte Kriegsgefangene in deutschem Gewahrsam;
6. Ausländische ArbeiterInnen;
7. »Hilfswillige«;
8. Angehörige des Volkssturms;
9. Soldaten der Deutschen Wehrmacht;
10. Deutsche und österreichische Polizeibeamte;
11. Angehörige der SA;
12. Angehörige der HJ (Hitlerjugend);
13. Häftlinge (KZ, Lager, Zuchthäuser);
14. ZivilistInnen.
Bei der Kategorie der »Dienststellen«
wurde nur insofern eine Änderung vorgenommen, als anstelle der Subsumierung
der SA unter die NSDAP eine eigene Kategorie für diese in österreichischen
Verfahren besonders häufige Dienststelle der Täter geschaffen wurde.
Anmerkung:
Hans Schulte-Nölke, Rheinische Judikatur im frühen
19. Jahrhundert - Justizforschung mit Hilfe einer Datenbank, in: Zeitschrift
für Neuere Rechtsgeschichte 20 (1998), Heft 1/2, S. 84–111. CD-ROM dazu: Rheinische
Judikatur im frühen 19. Jahrhundert - Datenbank: Rechtsprechung der Appellationsgerichte
Trier, Köln und Düsseldorf 1803-1819 (herausgegeben Hans Schulte-Nölke
und Reiner Schulze), veröffentlicht als Teil von: Rheinisches Recht und
Europäische Rechtsgeschichte, herausgegeben von Reiner Schulze, Berlin
1998.