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Wahrsprüche der Geschworenen 1956-1975
Einige Korrekturen der amtlichen Statistik
Gericht |
Haupt- verhand- lungen |
Schuld- sprüche |
davon rechts- kräftig |
Frei- sprüche |
davon rechts- kräftig |
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LG Graz |
9 |
8 |
7 |
6 |
5 |
LG Innsbruck |
1 |
- |
- |
1 |
1 |
KG Leoben |
1 a) |
1 |
1 |
- |
- |
LG Linz |
1 |
- |
- |
1 b) |
- |
LG Klagenfurt |
3 c)
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- |
- |
2 d) |
1 |
LG Salzburg |
2 |
1 |
1 |
2 e) |
- |
KG Wels |
1 |
1 |
1 |
- |
- |
LG Wien |
23 f)
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13 |
10 |
18 |
16 |
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Österreich |
41 |
24 |
20 |
30 |
23 |
a) Schöffengerichtsurteil (2 Berufsrichter, 2 Laienrichter);
b) Urteil durch den OGH aufgehoben, Verfahren nach Wien delegiert;
c) davon 1 abgebrochen;
d) 1 Wahrspruch durch den Schwurgerichtshof ausgesetzt;
e) Wahrspruch durch den Schwurgerichtshof ausgesetzt, Verfahren durch OGH
nach Wien delegiert;
f) 2 Gerichtsentscheidungen (1 durch den OGH aufgehobener Schuldspruch 1957
und 1 rechtskräftiger Freispruch 1959) gegen 1 Person nicht durch ein
Geschworenengericht, sondern durch ein Schöffengericht.
Zwischen 1976 und 1999 wurde kein Prozess wegen NS-Verbrechen
in Österreich geführt. Die 1997 eingeleitete Voruntersuchung wegen
Mordes gegen den jahrzehntelang als Gerichtsgutachter tätig gewesenen
Arzt Heinrich Gross (Tatvorwurf: »Euthanasie«) führte am
16. April 1999 zur Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft Wien. Die
am 21. März 2000 eröffnete Hauptverhandlung wurde noch am selben
Tag vorläufig abgebrochen, die Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten
wurde am 26. Juni 2000 in einem zweiten Gutachten bestätigt. Das Verfahren
wurde am 28. April 2006 wegen Tod des Angeklagten eingestellt.
Seit 1956 wurden 48 Personen (mit Heinrich Gross: 49) angeklagt, von diesen
wurden 20 rechtskräftig schuldig gesprochen und 23 rechtskräftig
freigesprochen. In 6Fällen wurde das Verfahren ohne rechtskräftiges
Urteil eingestellt. Von diesen 6sonstigen Erledigungen entfielen 2 auf Verfahrenseinstellungen
nach Aufhebung der Ersturteile (1 Freispruch in Wien und 1 Freispruch in Graz),
1 auf eine Verfahrenseinstellung vor der Anberaumung einer Hauptverhandlung
und 3 auf Verfahrenseinstellungen nach Abbruch der Hauptverhandlung.
Widersprüche zur bisherigen amtlichen
Statistik
Diese Ziffern weichen nicht nur wegen der Aktualisierung (Fall Gross) von
den offiziellen Zahlen ab, die seit 1987 lauten: 18 Schuldsprüche, 21
Freisprüche, 7 sonstige Erledigungen. (Siehe: Karl Marschall,
Volksgerichtsbarkeit und Verfolgung von nationalsozialistischen Gewaltverbrechen
in Österreich. Eine Dokumentation, hrsg. v. Bundesministerium für
Justiz, 1. Aufl 1977, 2. Aufl. 1987.)
Diese Widersprüche zur offiziellen Statistik ergeben sich aus folgenden
Fakten:
1. Die bisherige Statistik des Bundesministeriums
für Justiz bezüglich der Geschworenengerichtsverfahren seit Abschaffung
der Volksgerichte ließ drei Gerichtsverhandlungen unberücksichtigt,
die eine Erledigung von Volksgerichtsverfahren darstellten, die sich im Stadium
des Wiederaufnahmeverfahrens befanden, nämlich:
Die erste Hauptverhandlung wegen NS-Verbrechen vor einem Geschworenengericht
(18.-22. Juni 1956), das Verfahren wegen der Morde von Deutsch-Schützen
im März 1945 gegen Alfred B. Weber, das
1946 vorläufig abgebrochen worden war (LG Wien Vg 2d Vr 2059/45). Dieses
Verfahren war seit 1955 vom Volksgericht Wien unter einer neuen Geschäftszahl
(Vg 8e Vr 661/55) fortgesetzt worden. Wegen der Abschaffung der Volksgerichte
wurde das Verfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen als Geschworenengerichtsprozess
(Geschäftszahl: LG Wien 20a Vr 661/55)
zu Ende geführt. Die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft Wien
erfolgte am 24. Mai 1956, das Urteil erging am 22. Juni 1956.
Am 15. Oktober 1956 stand der bereits 1949 vom Volksgericht
Wien wegen "bestellten Mordes" nach §§
134, 136 StG, des Hochverrats nach § 11 VG und des Kriegsverbrechens
nach § 1 Abs. 6 KVG zu 20 Jahren schweren Kerkers und Vermögensverfall
verurteilte Kreisleiter von Lilienfeld/Niederösterreich, Ludwig Uhl
vor Gericht. Im Wiederaufnahmeverfahren (20a
Vr 5494/56) wurde der Vorwurf des bestellten Mordes fallen gelassen, die
Staatsanwaltschaft konzentrierte sich auf Uhls Tätigkeit als "Reichsverteidigungskommissar"
für den Kreis Lilienfeld in den letzten Kriegstagen. Da aber die Strafbarkeit
dieses Delikts nach dem Kriegsverbrechergesetz (§
1 Abs. 6) auch nach der Abschaffung der Volksgerichte am 20. Dezember
1955 fortbestand, musste die Strafsache neu verhandelt werden. Uhl wurde zu
12 Jahren verurteilt.
Auch die Hauptverhandlung vor einem Geschworenen- gericht am
Landesgericht Wien 21. November 1956 gegen den Gestapo-Beamten Karl Zeitlberger
(LG Wien 20a Vr 731/55) stellte
den Abschluss eines volksgerichtlichen Wiederaufnahmeverfahrens nach der Aufhebung
eines Ersturteils (Geschäftszahl: Vg 4 Vr 5597/47) durch den OGH dar.
Die Geschworenen erkannten auf Freispruch.
2. Als Prozess wegen NS-Verbrechen ist auch ein Verfahren
vor dem Kreisgericht Leoben aus dem Jahre 1958 zu sehen, das von uns erst
im Zuge der Untersuchung des öffentlichen Echos der Prozesse 1956 bis
1975 entdeckt wurde. Wegen seiner Beteiligung an einer Verhaftungsaktion am
19. 2. 1945, bei der ein Widerstandskämpfer (Hubert Rainer) erschossen
und zwei weitere misshandelt wurden, war der ehemalige Gestapobeamte Franz
Hiden gemäß §§
101, 102 StG (Missbrauch der Amtsgewalt) angeklagt und zu 2 Monaten bedingt
verurteilt worden (Urteil vom 4.
März 1958). Da der Strafrahmen für dieses Delikt 10 Jahre
nicht übersteigt (§
103 StG), fand die Verhandlung vor einem Schöffengericht statt.
3. Hingegen listet
die amtliche Statistik für die Zeit nach 1955 bei den Anklagen wegen NS-
Gewaltverbrechen zwei Verfahren auf, in denen keine Anklageerhebung durch eine
österreichische Staatsanwaltschaft vor einem Geschworenengericht erfolgte.
Es sind dies:
Das
von Marschall angeführte Beispiel eines Prozesses wegen der Tötung
»lebensunwerten Lebens«, eingeleitet am Kreisgericht Wels unter
der Geschäftszahl 8 Vr 553/70 gegen Franz Stangl
(Marschall-Nr. 128) wegen dessen Rolle in der Euthanasie-Anstalt Hartheim.
Zwar wurde 1967 bezüglich Stangls ein Auslieferungsbegehren Österreichs
an Brasilien gestellt, die brasilianischen Behörden lieferten ihn jedoch
an die BRD aus. Er wurde am 22. Dezember 1970 vom Landgericht Düsseldorf
wegen seiner Verbrechen in den Vernichtungslagern Treblinka und Sobibór
zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Stangl starb vor der Entscheidung
des Bundesgerichtshofs über sein Revisionsgesuch, das österreichische
Strafverfahren wurde daraufhin wegen Tod des Beschuldigten eingestellt.
Das Verfahren gegen einen Beschuldigten,
der bereits 1944 von der Staatsanwalt Steyr angeklagt und wegen fahrlässiger
Tötung verurteilt worden war. Die Verurteilung war durch das Reichsgericht
aufgehoben worden, womit das Verfahren offen blieb. Die Anklage wurde von
der Staatsanwaltschaft Steyr am 29. November 1962 zurückgezogen. Der
Gegenstand dieses Strafverfahrens wird in der Publikation von Marschall nicht
mitgeteilt. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb dieses Verfahren in einer
Übersicht österreichischer Prozesse wegen NS-Verbrechen aufscheint.
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von: Winfried Garscha
Tabelle erschienen in
"Justiz und Erinnerung"
Nr. 4 (ergänzt)
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