Ausgewählte Artikel aus dem österreichischen
Bundes-Verfassungsgesetz
Artikel 85
Die Todesstrafe ist abgeschafft.
Anmerkungen:
a) Bis zum 7. Februar 1968 lautete Art. 85 B-VG:
Die Todesstrafe im ordentlichen Verfahren ist abgeschafft.
b) Zeitweilige Wiederzuslassung der Todesstrafe 1945-1950:
Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 24. Juli 1946 (BGBl. Nr. 141/1946) wurde die Gültigkeit des Art. 85 B-VG beginnend mit 19. Juli 1946 für ein Jahr ausgesetzt:
§ 1
Bis zum 30. Juni 1947 ist die Todesstrafe auch im ordent- lichen Verfahren zulässig; seit dem 1. Mai 1945 in Kraft getretene gesetzliche Bestimmungen, die die Todesstrafe androhen, bleiben bis dahin in Geltung.
Zum Datum 19. Juni 1946: Die Vorläufige Ver- fassung vom 1. Mai 1945 sollte nach dem Willen der Provisorischen Regierung verlor sechs Monate nach dem Zusammentritt des gewählten Parlaments ihre Gültigkeit verlieren. Der am 24. November 1945 gewählte Nationalrat kon- stituierte sich am 19. Dezember 1945. Indem das Gesetz rückwirkend mit 19. Juni 1946 in Kraft gesetzt wurde, erklärte das Parlament das erste in einem ordentlichen Strafverfahren seit der Gründung der Zweiten Republik gefällte Todesurteil nachträglich für verfassungskonform.
Zur Befristung: Aus dem Bericht des Justizaus- schusses (586 der Beilagen zu den stenographi- schen Protokollen des Nationalrats, zitiert in: Karl Haas, Zur Frage der Todesstrafe in Österreich 1945 bis 1950, in: Weinzierl/Rath- kolb/Ardelt/Mattl, Justiz und Zeitgeschichte [Wien 1995], Bd. 1, S. 402) geht hervor, dass der Gesetzgeber damit die grundsätzliche Ablehnung der Todesstrafe im ordentlichen Verfahren bekräftigen wollte.
Verlängerungen der Sistierung des Verbots der Todesstrafe: Die Aussetzung von Art. 85 B-VG wurde 1947 um ein weiteres Jahr und 1948 um zwei Jahre verlängert. Ein Versuch der Bundes- regierung, Art. 85 B-VG um zwei weitere Jahre zu verlängern, scheiterte am 24. Mai 1950. Angesichts des öffentlichen Drucks auf Bei- behaltung der verfassungswidrigen Todesstrafe im ordentlichen Verfahren hatte sich der Nationalrat auf eine geheime Abstimmung verständigt. (Zur öffentlichen Diskussion und zu den Argumenten in der Debatte siehe: Roland Miklau, Die Überwindung der Todesstrafe in Österreich und Europa, in: Justiz und Zeitgeschichte, Bd. 1, S. 722.)
In der Zeit, in der das verfassungsmäßige Verbot der Todesstrafe im ordentlichen Verfahren sistiert war, galt für folgende Delikte der Tod durch den Strang (=Würgegalgen) als Höchststrafe:
Strafgesetz
§§ 58, 59 StG (Hochverrat)
§ 86 StG (öffentliche Gewalttätigkeit)
§§ 134
bis 136 StG StG (Mord)
§§ 166, 167 StG (Brandstiftung)
Bedarfsdeckungsstrafgesetz
§ 10 BDStG (Schwere Störung der Versorgung)
Abs. 3.
Ferner waren die nachfolgenden Delikte nach dem Kriegsverbrechergesetz mit der Todesstrafe bedroht. Das Volksgerichtsverfahren unterlag als eine Form der Ausnahme-Gerichtsbarkeit nicht dem Verbot der Todesstrafe im ordentlichen Verfahren gemäß Art. 85 B-VG.
§ 1 KVG (Kriegsverbrechen)
Abs. 4, 5 und 6
§ 3 KVG
(Quälerei und Misshandlungen)
Abs. 2 und 3
§ 4 KVG (Verletzung der Menschenwürde)
§ 5a
KVG (Vertreibung aus der Heimat)
§ 7 KVG (Denunziation [mit vorhersehbarer Todesfolge])
Abs. 3
§ 8 KVG (Hochverrat am österreichischen Volk)
Artikel 91
Abs. (1)
Das Volk hat an der Rechtsprechung mitzuwirken.
Abs. (2)
Bei den mit schweren Strafen bedrohten Verbrechen, die das Gesetz zu bezeichnen hat, sowie bei allen politischen Verbrechen und Vergehen entscheiden Geschworne über die Schuld des Angeklagten.
Abs.(3)
Im Strafverfahren wegen anderer strafbarer Handlungen nehmen Schöffen an der Rechtsprechung teil, wenn die zu verhängende Strafe ein vom Gesetz zu bestimmendes Maß überschreitet.
Anmerkungen:
Die Mitwirkung von LaienrichterInnen ist nur im Strafprozess in vollem Umfang verwirklich. In verschiedenen Formen zivilgerichtlicher Verfahren werden Fachleute und InteressensvertreterInnen beigezogen. Geschworene (wie die amtliche Bezeichnung der Geschwornen seit 1993 lautet) entscheiden über die Schuld von Angeklagten allein, über die Strafe von verurteilten in gemeinsamer Sitzung mit dem aus drei BerufsrichterInnen bestehenden Schwurgerichtshof. Schöffen bzw. Schöffinnen entscheiden über Schuld und Strafe gemeinsam mit den BerufsrichterInnen.
Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 24. Juli 1946 (BGBl. Nr. 141/1946) wurde die Gültigkeit des Art. 91 B-VG beginnend mit 19. Juli 1946 für ein Jahr ausgesetzt:
§ 2
Die Bundesregierung kann anordnen, daß auch in Straf- verfahren wegen der im Art. 91, Abs. (2), des Bundes-Ver- fassungsgesetzes in der Fassung von 1929 bezeichneten Verbrechen und Vergehen bis zum 30. Juni 1947 Schöffen an der Rechtsprechung teilnehmen; seit dem 1. Mai 1945 in Kraft getretene gesetzliche Bestimmungen dieser Art bleiben bis dahin in Geltung.
Auch die teilweise Aussetzung von Art. 91 B-VG wurde 1947 um ein weiteres Jahr und 1948 um zwei Jahre verlängert.
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